Deutschland muss schnellstmöglich seine Energieversorgung sichern
Ein Produktionsstopp unserer Industrie hätte schwerste Folgen für die schon jetzt angespannte Lage auf den Weltmärkten. In den industriell bedeutenden Ländern Bayern und Baden-Württemberg ist das Risiko für Ausfälle zudem besonders hoch, aufgrund fehlender Kapazitäten bei erneuerbaren Energien und dem nur schleppend vorankommenden Leitungsausbau. Produktionsstopps bei Betrieben von Audi, Siemens, Bosch und Co. sowie bei ungezählten mittelständischen Unternehmen können immense Schäden verursachen. Nicht nur die heimische Wirtschaft wäre davon betroffen, auch die weltweite Angebotsknappheit und damit die global anziehende Inflation würde weiter angeheizt. Dazu zeigt die anhaltende Energiekrise und Preisexplosion bei Versorgern und an der Zapfsäule in aller Deutlichkeit, dass die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von einseitigen Energieimporten aus Russland ein strategisch fataler Weg war. Eine eindimensionale Energiepolitik, die nur auf Importe und wetterabhängige Energieversorgung setzt, ist offensichtlich nicht zukunftsfähig. Ziel der Energiepolitik in der "Zeitenwende" muss es sein, die Importabhängigkeit in den kommenden Jahren zu reduzieren - und zwar bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit und bezahlbarer Energiepreise für Unternehmen und Verbraucher.
Es gilt, technologieoffene Wege einzuschlagen und die gesamte Palette der Energieerzeugung zu berücksichtigen. Dabei muss ein breiter Energiemix gefunden finden. Eine wichtige Rolle im industriellen Sektor nimmt die Verwendung von grünem Wasserstoff ein. Dafür müssen mittelfristig der Markthochlauf vom blauen und türkisfarbenen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und der Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur vorangetrieben werden. Einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit liefert zudem der bereits begonnene Bau von LNG-Terminals, die den mittelfristig notwendigen Import von hohen Mengen an Flüssigerdgas ermöglichen. Die Geschwindigkeit, mit der beim Bau der ersten Terminals vorgegangen wurde. muss beispielhaft für alle weiteren Anpassungen unserer Energieversorgung sein. Zusätzlich muss Deutschland die Nutzung von heimischem Erdgas und Geothermie in den Fokus nehmen und fernab jeglicher Ideologie diskutieren. Ein entscheidender Drehpunkt in der Energiedebatte ist die Verlängerung der Laufzeit der hiesigen drei Kernkraftwerke - sie muss schnellstmöglich umgesetzt werden. Im Jahr 2021 bezog Deutschland rund zwölf Prozent der Bruttostromerzeugung aus Kernenergie, dies entspricht einem Anstieg um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dem TUV nach sind sowohl ein Weiterbetrieb, als auch eine Reaktivierung der drei jüngst vom Netz gegangenen Reaktoren möglich. Hier muss die Bundesregierung schnellstmöglich handeln. Darüber hinaus muss als direkte Reaktion auf massiv steigende Energiepreise und Versorgungslücken auch die Rolle der Kohleverstromung neu gedacht werden. Deshalb glaube ich, dass der von der Ampel verfolgte Ausstieg aus der Kohleverstromung im Jahr 2030 verfrüht ist. Vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse ist es leider nötig, die Nutzung von Kohlekraft, wie im "Kohlekompromiss" ursprünglich vereinbart, bis mindestens bis in das Jahr 2038 weiterzuverfolgen.
Im gleichen Zug müssen der Ausbau der erneuerbaren Energien europaweit vorangetrieben und ihre Marktintegration umgesetzt werden. Eine Synchronisierung mit dem Ausbau der Netzinfrastruktur ist dabei eine Grundvoraussetzung für den Erfolg. Nur wenn die hierfür notwendigen Schritte im gemeinsamen europäischen Schulterschluss umgesetzt werden und ein übergreifender Fahrplan erarbeitet wird, kann unsere Wirtschaft die derzeitige Krise ohne dauerhafte Schäden bei Industrie, Mittelstand und Verbrauchern überstehen.