Europäische Haftungsfragen dürfen nicht durch die Hintertür einem Fusionsprozess aufgebürdet werden
In der aktuellen Börsenzeitung schreibt Generalsekretär Wolfgang Steiger, warum eine mögliche Übernahme der Commerzbank durch die UniCredit den Blick auf schwere politische Versäumnisse und nicht gemachte Hausaufgaben lenkt. Die Soziale Marktwirtschaft lebt von schöpferischen Prozessen, zu denen selbstverständlich auch Übernahmen und Fusionen wie Marktbereinigungen und Konkurse gehören. Manche politische Reaktion auf die Übernahmeabsicht der UniCredit war hingegen eher reflexhaft als fundiert – und keineswegs im marktwirtschaftlichen Sinne begründet. Aber dennoch muss man sich die Folgen der möglichen Übernahme der Commerzbank sehr konkret unter Risikoaspekten ansehen. Die Notwendigkeit der Entflechtung von Banken- und Länderrisiken war eine der Hauptlehren aus der Finanz- und Eurokrise. Seit Jahren wird in Europa im Rahmen der Diskussionen über ein gemeinsames Einlagensicherungssystem darüber gesprochen, Staatsrisiken in Bankbilanzen etwa über Großkreditgrenzen nachhaltig abzubauen und die regulatorische Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen abzuschaffen. Die letzten Jahre haben wieder und wieder gezeigt, dass Staatsanleihen eben keine risikolosen Anlagen sind. Doch obgleich dieses Problem lange bekannt ist, wurde es nicht entschlossen angegangen, weil eine verpflichtende Eigenkapitalunterlegung die Refinanzierung der Staatsschulden verteuern würde.
Keinesfalls dürfen die sich daraus ergebenden weitreichenden Haftungsfragen und Risikoverteilungen nun durch die Hintertür einem Fusionsprozess aufgebürdet und somit Fakten am parlamentarischen Prozess vorbei geschaffen werden. Gerade Italien ist seit Jahren der Elefant im Raum. Die UniCredit hält einen enormen Bestand an italienischen Staatsanleihen mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro in ihrer Bilanz – damit gehen ohne Wenn und Aber substanzielle Risiken einher. Die Botschaft mag niemand gerne hören, doch bei einem Schuldenstand von knapp 140 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ist die Frage der Tragfähigkeit der italienischen Staatsschulden weiterhin ein virulentes Thema.
Was ebenfalls bedacht werden muss: Italien hat als einziges Land der Eurozone den Vertrag zur Änderung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht ratifiziert. Mit dieser Reform soll der ESM zusätzlich als Letztabsicherung für den europäischen Bankenabwicklungsfonds SRF dienen. Ohne diesen Backstop würde im Falle einer Bankenkrise, wenn der Abwicklungsfonds der Banken aufgebraucht ist, keine staatliche Letztsicherung bestehen.