Das steuerliche Arbeitnehmerpaket – Anreiz oder Placebo?

Seit Ende Juni kursieren im politischen Berlin die Eckpunkte des sogenannten steuerlichen Arbeitnehmerpakets. Nach dem Investitionsbooster, der die Unternehmen steuerlich entlasten soll, sollen nun auch Arbeitnehmer profitieren. Geplant sind unter anderem die Steuerfreiheit für Überstunden, die sogenannte Aktivrente, eine Teilzeitaufstockungsprämie sowie die Einführung einer Arbeitstagepauschale als Ersatz für die Homeoffice- und Entfernungspauschale.
Der Wirtschaftsrat hat sich mit diesen Maßnahmen intensiv auseinandergesetzt – und kommt zu einer gemischten Bewertung.
Positiv hervorzuheben ist die geplante Einführung der Arbeitstagepauschale. Diese Maßnahme wurde bereits im vergangenen Jahr von der Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ empfohlen, der viele Mitglieder der Bundesfachkommission Steuern angehören. Die Einführung dieser sowie weiterer Pauschbeträge würde erheblich zum Bürokratieabbau beitragen und Steuerzahler schneller entlasten. Einziger Wermutstropfen: Fernpendler müssten über einen separaten Mechanismus zusätzlich entlastet werden.
Weniger positiv bewertet der Wirtschaftsrat hingegen die Vorschläge zur Aktivrente und zur Steuerfreiheit von Überstunden. Laut Berechnungen des ZEW Mannheim würde die Aktivrente lediglich zwischen 5.000 und 15.000 Rentnerinnen und Rentner zusätzlich für den Arbeitsmarkt aktivieren. Um die damit verbundenen hohen fiskalischen Kosten durch Mehreinnahmen bei anderen Steuern auszugleichen, wären jedoch rund 75.000 Rückkehrer in den Arbeitsmarkt nötig. Zudem ist fraglich, ob genau jene Fachkräfte aktiviert werden, die am dringendsten benötigt werden. Der Wirtschaftsrat fordert daher, statt auf neue Förderungen zu setzen, endlich die bestehenden Fehlanreize zur Frühverrentung konsequent abzubauen.
Auch die Steuerfreiheit für Überstunden wirft grundlegende Fragen auf:
In vielen Unternehmen ohne etablierte Arbeitszeiterfassung würde die Umsetzung zu erheblichem bürokratischem Mehraufwand führen. Darüber hinaus bleibt bislang unklar, wie diese Regelung mit der Aktivrente in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet werden soll.
Hinzu kommt: Der Teufel steckt im Detail. Ab wann eine Überstunde tatsächlich als solche gilt, ist nicht einheitlich geregelt. In tarifgebundenen Unternehmen beginnt sie teilweise bereits ab der 36. Wochenarbeitsstunde, in nicht tarifgebundenen Betrieben hingegen häufig erst ab der 41. Stunde. Für viele Arbeitnehmer birgt das ein erhebliches Diskriminierungspotenzial.
Fazit:
Die Eckpunkte des steuerlichen Arbeitnehmerpakets sind aus Sicht des Wirtschaftsrats in ihrer derzeitigen Form noch deutlich ausbaufähig. Das Positive: Es handelt sich bislang nur um Eckpunkte – und der Wirtschaftsrat wird sich weiterhin aktiv in die anstehenden politischen Beratungen einbringen.