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31.08.2023
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DESERTEC – Strom aus der Wüste

Expertengespräch mit Timo Bracht, Vorstand der DESERTEC-Stiftung
©Adobe Stock (stu.dio)

Vor 15 Jahren startete die Initiative DESERTEC - Strom aus der Wüste mit einem überaus ehrgeizigen Plan: Bis 2050 sollte ein Sechstel des europäischen Strombedarfs durch in Nordafrika erzeugten und über Hochspannungsgleichstrom-Übertragungsleitungen im Mittelmeer transportierten Strom gedeckt werden. Aufgrund verschiedener Umstände (u. a. Projektkosten, Strompreisverfall, politische Unsicherheit in der Region) brach das deutsche Konsortium aus Maschinenbau- und Energiekonzernen mit Unterstützung der Deutschen Bank ("Desertec Industrial Initiative", DII) bald auseinander. Die beteiligten Experten haben das Projekt jedoch nie für grundsätzlich gescheitert befunden und nach Wegen gesucht, die aufgetretenen Schwierigkeiten zu überwinden und die überzeugend klingende Kernidee zum Erfolg zu führen.

Timo Bracht, Diplom-Physiker und Vorstand der DESERTEC-Stiftung, erläuterte nun in einem Expertengespräch des Wirtschaftsrates die Funktionsweise und die Entwicklung von Solarthermiekraftwerken, bei denen durch eine Vielzahl von Spiegeln das Sonnenlicht auf einen Turm gebündelt wird, in dem Dampf erzeugt wird, der Turbinen und damit Generatoren antreibt. Solche Anlagen werden wegen der großen Sonneneinstrahlung bevorzugt in der Wüste errichtet.

Im Vergleich zu Strom aus Photovoltaik, der nur dann erzeugt werden kann, wenn die Sonne scheint, kann mit Solarthermiekraftwerken aufgrund der Speicherbarkeit des Dampfes rund um die Uhr Strom erzeugt werden, so dass diese Kraftwerke zu den regelbaren Kraftwerken gerechnet werden – ganz ohne CO2-Emissionen und Atommüll. Solarthermiekraftwerke sind somit die optimale Ergänzung zu den fluktuierenden Stromquellen wie Windenergie und Photovoltaik. Unterwasser-Stromleitungen zwischen Nordafrika und Italien könnten mit beherrschbarem Aufwand gebaut und betrieben werden, Stromleitungen von Italien nach Deutschland seien bereits vorhanden, erläuterte Timo Bracht und würden derzeit kaum benötigt.

Die Effizienz von Solarthermiekraftwerken liegt in der gleichen Größenordnung wie diejenige von Photovoltaikanlagen, der Vorteil gegen über PV liegt aber in der Steuerbarkeit. Für die Effizienz ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Dampferzeugung, Dampfspeicherung und Stromerzeugung in einer Anlage zusammengefasst sind, was die Steuerung vereinfacht.

Der Vortrag von Timo Bracht stieß auf großes Interesse bei den Wirtschaftsratsmitgliedern, was sich in einer Vielzahl von Fragen äußerte, die der Referent kenntnisreich und geduldig beantwortete. Auf die Frage nach dem Wasser, das für die Herstellung von eventuellem grünem Wasserstoff zum Export nach Zentraleuropa erforderlich sei, antwortete er, dass dieses Wasser durch voraussichtlich durch Meerwasserentsalzung erzeugt werden solle.

Auf die Frage nach den Aufgaben der DESERTEC-Stiftung antwortete er, dass die Stiftung selbst nicht operativ tätig sei, sondern vor allem die Aufgabe habe, die verschiedenen Akteure – Investoren, Behörden und Stromabnehmer bzw. Netzgesellschaften an einen Tisch zu bringen.

Auf die Frage nach der politischen Stabilität der nordafrikanischen Länder antwortete Timo Bracht, dass diese Länder wegen der Nähe zu Europa besonders attraktiv seien. Da Deutschland auch langfristig ohnehin auf Energieimporte angewiesen sei, lohn es sich, sich diese Länder gewogen zu halten. Weitere interessante Länder seien Ägypten und Israel. Gegen kriminelle Störungen können sich einzelne Investoren zu akzeptablen Kosten versichern. Die Volkswirtschaft insgesamt könne sich durch eine ausreichende Diversifizierung gegen einzelne Störungen durch politische Instabilität oder Terroranschläge schützen.

Eine Frage nach der Störung durch Sandstürme beantwortet Timo Bracht damit, dass die meisten Wüsten Steinwüsten seien und Störungen durch Sandstürme kaum ins Gewicht fielen. Der Stromimport nach Zentraleuropa, betonte Timo Bracht auf eine entsprechende Frage hin, könne durchaus in Konkurrenz zu vorhandenen Stromproduzenten, vor allem den französischen Kernkraftwerken treten. Die EU unterstützt jedoch den Leitungsausbau, der für den Import von DESERTEC-Strom aus Nordafrika erforderlich sei.

Bezüglich der Höhe der Netzentgelte für den Transport von DESERTEC-Strom aus Nordafrika nach Zentraleuropa rechnet Timo Bracht mit einem überschaubaren Wert von einem Cent pro Kilowattstunde. Gegenüber anderen CO2-freien und steuerbaren Stromerzeugungsarten wie der Biomasse habe Solarthermie das deutlich größere Potential.

Moderator Jens-Henning Fischer dankte Timo Bracht für den spannenden Vortrag und die Bereitschaft zur ausführlichen Diskussion. Der Wirtschaftsrat werde das Thema DESERTEC weiter auf seinem energiepolitischen Radar behalten.