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24.05.2024
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Deutscher Alleingang bei Videoidentifizierungsverfahren diskriminiert deutsche Anbieter und Kunden

©Adobe Stock (FAMILY STOCK)

Das 2010 ins Leben gerufene elektronische Identitätsverfahren (eID) ist bis heute nicht ausgereift. Dass der Bund dieses Verfahren dennoch nach wie vor priorisiert, verhindert die Zuwendung zu innovativen Lösungen und benachteiligt deutsche Bürger.

Der digitale Identitätsnachweis gegenüber Drittanbietern wie etwa Finanzdienstleistern mittels einer elektronischen Identität (eID) sollte viele Prozesse von Bürgern gegenüber Verwaltungs- oder Bankdienstleistungen in Deutschland deutlich vereinfachen. Das 2010 eingeführte Prestigeprojekt des Bundes wird allerdings bis heute den hohen Ansprüchen und technologischen Möglichkeiten nicht gerecht. Dass der Bund dennoch an diesem Verfahren festhält, verhindert die Entwicklung und Anwendung von Innovation im Bereich der Identifizierungsverfahren in Deutschland. Demgegenüber bieten europäische Regeln die Freiheit und Technologieoffenheit, auch innovative Identifizierungsverfahren wie die Videoidentifikation zu nutzen. Als Folge dieses nationalen Alleingangs verlieren deutsche Technologieanbieter an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem EU-Ausland, und auch europäische Bankkunden in Deutschland erfahren eine nicht nachvollziehbare Einschränkung. Mit dem Festhalten an der deutschen eID-Lösung hat der Bund eine Diskriminierung geschaffen und obendrein Bürgern noch nicht einmal die sicherste aller Lösungen angeboten. 

Im April 2024 wurde nun vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Referentenentwurf zur geldwäscherechtlichen Identifizierung durch Videoidentifizierung (GwVideoIdentV-E) konsultiert. Auch der Wirtschaftsrat hat sich im Verfahren mit einer Stellungnahme eingebracht und sich damit gegenüber dem BMF kritisch positioniert. 

Der Wirtschaftsrat kritisiert, dass im Zuge des Verordnungsentwurfs ein staatliches Produkt beziehungsweise das Produkt eines staatlichen Anbieters, die eID, bevorteilt wird. Die mit dem Verordnungsentwurf aufgenommenen Anforderungen sind so erhoben, dass sie einem faktischen Verbot des VideoIdent-Verfahrens gleichkämen. Konkret wurden in dem Referentenentwurf ergänzende Sicherheitsmerkmale neu eingeführt, die den Kreis geeigneter Ausweisdokumente einschränken. Nach diesen Anforderungen wären 75 Prozent der 20 am häufigsten geprüften EU-Ausweisdokumente nicht mehr zulässig. Insbesondere Kunden mit einem ausländischen Ausweisdokument – auch aus dem EU-Ausland – wären somit von der Möglichkeit des VideoIdent-Verfahrens ausgeschlossen. Damit geht der Referentenentwurf klar an den Anforderungen der Endnutzer und dem Ziel des europäischen Binnenmarktes vorbei.

Auch für deutsche Anbieter von innovativen Identverfahren führt die im Referentenentwurf latent konstruierte Förderung der eID zu einer Marktbeschränkung. Denn die Fokussierung auf die eID bewirkt, dass weiterführende technische Innovationen ausgeblendet werden. 

Überdies entstehen durch eine Einschränkung rein auf die eID sicherheitsrelevante Risiken im Zusammenhang mit Geldwäsche. Ein Fraud – also der Missbrauch eines Bankkontos durch Dritte – wird auch über die eID nicht unmöglich. Hier läge ein deutlicher Vorteil in der innovativen Videoidentifizierung, die KI-gestützt automatisiert einen Sprung in der Sicherheit bedeuten würde. Dementsprechend fiel die Stellungnahme des Wirtschaftsrates gegenüber dem Referentenentwurf negativ aus:

  • Anforderungen der Endnutzer und markterprobte Verfahren werden ausblendet,
  • Der gesamteuropäische Ansatz wird ignoriert und die Integration der Bankenmärkte in der EU konterkariert, 
  • Anforderungen werden formuliert, die allerdings keinen sicherheitsrelevanten Mehrwert bieten.

Der deutsche Alleingang gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten ist rechtlich und technologisch nicht nachvollziehbar. Er führt zu einer drastischen Benachteiligung und Diskriminierung von Anbietern und Nutzern in Deutschland. Zudem steht mit der kommenden Novelle der Geldwäscheverordnung (AMLR) ohnehin eine europäische Harmonisierung der Know-Your-Costumer-Verfahren an.