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04.07.2024
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Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen braucht ein starkes Europa

©Adobe Stock (Rawf8)

Das ökonomische Verhältnis in den transatlantischen Beziehungen verändert sich. Schon seit Beginn der 2000er-Jahre verschiebt sich das geopolitische Interesse der USA mehr und mehr in den indo-pazifischen-Raum. Die Ambitionen Chinas, die USA als führende Wirtschaftsnation zu überholen, sorgen für eine hohe Dynamik. Der sich bereits im vollen Gang befindende Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft. Erst jüngst haben die USA Zölle von bis zu 100 Prozent auf chinesische Produkte, darunter Elektroautos, erhoben. Dabei seien die Zölle nicht als Strafzölle zu verstehen, sondern als legitime Verteidigung der eigenen wirtschaftlichen Interessen.

Die bestehende internationale Ordnung wird herausgefordert, es droht eine zunehmen-de Blockbildung in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Die EU wird sich nicht mehr blind auf die USA verlassen können und muss ihren Platz in dieser neuen Welt finden. Zwar werden die USA der wichtigste Wertepartner bleiben, sich jedoch zukünftig mehr auf die eigenen strategischen Interessen, die Innenpolitik und den eigenen Markt konzentrieren. Diese Entwicklung ist unabhängig vom US-Präsidenten. Die transatlantischen Beziehungen sind für die USA nicht mehr von höchster strategischer Relevanz. Die Zeiten für Europa, insbesondere Deutschland, werden stürmisch.

Für Unternehmen wird es künftig darauf ankommen, ihre Wertschöpfungsketten diversi-fizieren zu können. Problematisch ist dabei, dass insbesondere deutsche Unternehmen des Mittelstandes, die in China produzieren oder hieraus Vorprodukte beziehen, ihre Produktionsketten nicht schlagartig verlagern können. Es mangelt einerseits an alterna-tiven Märkten, andererseits aber auch an Unterstützung durch die Bundesregierung. In den Gesprächen des Internationalen Kreises des Wirtschaftsrates wird immer wieder deutlich, dass sich deutsche Unternehmen von der Bundesregierung im Stich gelassen fühlen. Demgegenüber verfolgten andere Nationen der EU eine erkennbare Außenwirt-schaftsstrategie im Schulterschluss mit ihren heimischen Unternehmen. 

Der Wirtschaftsrat kritisiert immer wieder, dass der Bundesregierung eine strategische Ausrichtung der Außenwirtschaftspolitik fehlt. Vielmehr noch ist es in einem solchen geoökonomischen Umfeld vollkommen widersinnig und kontraproduktiv, politisch motivierte Lieferkettenberichtspflichten einzuführen. Der Bundeswirtschaftsminister hatte zwar ein Moratorium für das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz angekündigt – geschehen ist jedoch nichts. 

Auch die Europäische Union muss sich kritischen Fragen stellen. Die EU benötigt dringende Reformen und eine strategische Fokussierung auf ihre Wettbewerbsfähigkeit, um neue Märkte und Partner an sich binden zu können. China baut schon seit Jahr-zehnten ein globales Netzwerk strategischer Allianzen, insbesondere in Afrika und Lateinamerika, auf. Hier hat die EU schlichtweg die letzten Jahre verschlafen, Handels-abkommen strategisch für eigene Interessen abzuschließen. In der kommenden Legislaturperiode muss die EU eine klare Priorität auf die Zukunftsfähigkeit ihrer Wirtschaft legen. Denn es wird jetzt auf ein starkes Europa mit einem starken Deutschland ankommen, um gemeinsam mit den USA in Zukunft ein Stabilitätsanker in den internationalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu bleiben.