Emissionshandel bleibt das wirksamste Instrument gegen den Klimawandel
"Eine vierköpfige Familie zahlt 30.000 Euro". Mit solchen überspitzten und irreführenden Überschriften wird dieser Tage wieder Stimmung gegen den Emissionshandel gemacht, um eine Politik der Ver- und Gebote vorzubereiten. Prinzip des Emissionshandels ist, dass die Emissionsrechte für CO2 zunehmend verknappt werden und der dadurch stetig ansteigende Zertifikatepreis dafür sorgt, dass der Ersatz beispielsweise von fossil betriebenen Heizungen und Fahrzeugen durch klimaneutrale Lösungen dort beginnt, wo dies zu den geringstmöglichen Vermeidungskosten machbar ist. Gerade in der Stadt ist klimaneutrale Mobilität durch ÖPNV, Carsharing u. ä. ohne große Kostensteigerung möglich, d. h. die Vermeidungskosten sind relativ gering. Auf dem Land mag das anders aussehen: dort führt u. U. am Kauf eines Elektroautos kaum ein Weg vorbei, so dass die Vermeidungskosten vergleichsweise hoch sind. Wer sich das Elektroauto nicht leisten kann, sondern darauf angewiesen ist, mit dem älteren Gebrauchtwagen weiterzufahren, wird in der Tat über den Benzinpreis steigende CO2-Kosten tragen müssen.
Und hier führt die genannte Zahl zu Missverständnissen: gemeint sind die gesamten CO2-Zusatzkosten über einen Zeitraum von 20 Jahren, zunächst geringe, gegen Ende dieses Zeitraums stark steigende Kosten. Aber irgendwann im Laufe der 20 Jahre wird auch der alte Gebrauchtwagen voraussichtlich durch ein Elektroauto ersetzt werden, das in Zukunft vermutlich günstiger ist als heute. Nur die letzten Verweigerer werden vielleicht irgendwann die vollen genannten CO2-Kosten zu tragen haben. Sicher ist aber auch dies nicht, denn möglicherweise werden in 15 Jahren eFuels zur Verfügung stehen, mit denen der Gebrauchtwagen klimaneutral weiterbetrieben werden kann, ohne CO2-Kosten. (Ausschlaggebend werden dann eher die Reparaturkosten sein.)
Bei den Heizungen sieht es ähnlich aus: bereits heute gibt es die Verpflichtung, fossile Heizungen eines bestimmten Alters zu ersetzen bzw. dies bei einem Eigentümerwechsel zu tun. Die wenigsten fossilen Heizungen werden daher die vollen nächsten 20 Jahre ohne Veränderungen weiterbetrieben werden, so dass die genannte Zahl eher theoretischer Natur ist, vor allem in der Stadt, wo viele Wohnungsbaugesellschaften und gut verdienende und kostenbewusste Eigenheimbesitzer aus eigenem wirtschaftlichen Interesse eher früher als später auf Fernwärme oder Wärmepumpen umstellen werden. Auf dem Land, mit vielen älteren, energetisch schlechten Häusern mit unterdurchschnittlich verdienenden bzw. vermögenden Eigentümern, also in vielen Fällen prohibitiv hohen Vermeidungskosten, wird es durchaus solche Fälle geben; die genannten Werte sind spekulativ, aber nicht auszuschließen. Aber auch hier gilt: der genannte Betrag ist die Summe über 20 Jahre, mit geringen Werten zu Beginn und hohen Werten erst am Schluss. Viele der Eigentümer, die jetzt 80 Jahre alt sind und keine neue Heizung mehr einbauen wollen, werden sich außerdem über die Kosten in 20 Jahren nur wenige Sorgen machen. Zudem gibt es auf dem Land nennenswerten Leerstand (um die 10 % im Osten, 4 bis 5 % im Westen), so dass die energetisch schlechtesten Häuser (mit den höchsten Vermeidungskosten) ohnehin perspektivisch aus dem Markt gehen werden. Nicht zuletzt können Wohngeld- und Grundrentenbezieher bei hohen CO2-Kosten außerdem gezielt unterstützt werden.
Zum Entwurf des Gebäudeenergie-Gesetzes hatte die FDP-Bundestagsfraktion einen umfangreichen Fragenkatalog an das BMWK übermittelt. In seiner Antwort bezieht sich das BMWK auf eine aktuelle MCC-Studie und macht deutlich, dass man dem Emissionshandel offenbar nicht traut.. Daher soll der Umstieg auf klimaneutrale Heizung und Mobilität nahezu vollständig über Ver- und Gebote (vor allem Heizungsverbot und Verbrennerautoverbot) erreicht werden. Damit wird aber der Emissionshandel vollständig konterkariert: der Emissionshandel soll und kann sicherstellen, dass die Transformation zu den volkswirtschaftlich geringstmöglichen Kosten stattfindet. Der Ansatz mit Ver- und Geboten würde dagegen deutlich teurer werden und Hauseigentümer sowie Autofahrer über Gebühr belasten. Unverständlich ist es daher, wenn das BMWK gerade mit Hinweis auf die Kosten gegen den Emissionshandel argumentiert, dabei aber unterschlägt, dass nach dem GEG-Entwurf der Einbau einer Wärmepumpe einschließlich der möglicherweise notwendig werdenden (und oft sehr teuren) Sanierung der Gebäudehülle u. U. deutlich früher erzwungen würde, vom Hauseigentümer sofort bezahlt bzw. finanziert werden müsste und ein Verstoß gegen diese Pflicht noch mit saftigen Bußgeldern sanktioniert würde. Die vollständige Sanierung der Gebäudehülle eines Einfamilienhauses (Wände, Fenster, Dach) kann außerdem leicht einen höheren fünfstelligen Eurobetrag erreichen, der sofort fällig würde. Dagegen wären 18.500 Euro über 20 Jahre für die CO2-Kosten einer Ölheizung eine deutlich geringere Belastung.
Der Emissionshandel ist der europäische und auch deutsche Konsens im Kampf gegen den Klimawandel. Warum wird dieser Konsens immer wieder in Frage gestellt? Der Wirtschaftsrat unterstützt in dieser Ampel-internen Diskussion die Haltung der FDP, die nach wie vor zum Emissionshandel steht.