Für eine investitionsfreundliche und wettbewerbsorientierte Reform des Telekommunikationsgesetzes: Wirtschaftsrat fordert echtes Ausbau-Beschleunigungsgesetz

Die Bundesarbeitsgruppe Digitale Infrastruktur des Wirtschaftsrats begrüßt die vom Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) vorgelegten Eckpunkte zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG), sieht jedoch erheblichen Nachbesserungsbedarf. Angesichts der strategischen Bedeutung von Glasfaser- und Mobilfunknetzen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands fordert die Wirtschaft ein echtes Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das nicht nur neue Regeln schafft, sondern Investitionen erleichtert, Verfahren vereinfacht und digitale Infrastruktur als überragendes öffentliches Interesse gesetzlich verankert.
Der Ausbau der digitalen Netze ist mehr als eine Frage schnellerer Datenraten. Glasfaser und neuester Mobilfunkstandard sind die Grundvoraussetzungen für die industrielle Transformation, Smart Cities, IoT-Anwendungen, intelligente Mobilität und moderne öffentliche Dienste. Sie entscheiden darüber, ob Deutschland als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig bleibt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Politik erforderlich, die auf Wettbewerb setzt, Investitionen sichert und Bürokratie abbaut. Die neue Bundesregierung muss innerhalb der ersten 100 Tage ein Infrastrukturprogramm aufsetzen, das Planungssicherheit schafft und Ausbauprozesse radikal beschleunigt.
Ein zentraler Bestandteil der aktuellen Eckpunkte ist die Vereinfachung der Mitnutzung bestehender Infrastrukturen („Open Access“) – ein richtiger Schritt, der jedoch konsequent weiterzudenken ist. Der gesetzlich verankerte Zugang zu bestehenden Glasfaserleitungen innerhalb von Gebäuden (Netzebene 4, NE4) sowie zu Leerrohren, Masten oder Trassen darf kein Papiertiger bleiben. Der Zugang muss diskriminierungsfrei, transparent und wirtschaftlich tragfähig gestaltet sein. Dafür braucht es rechtsverbindliche, standardisierte Zugangsbedingungen und eine faire Entgeltregulierung. Die Bundesarbeitsgruppe Digitale Infrastruktur fordert deshalb eine gesetzliche Grundlage für einheitliche Mitnutzungsentgelte, klare Verhandlungsfristen, ein Widerrufsrecht für blockierende Eigentümer nur bei sachlicher Begründung und die Einführung eines Standardangebots, das Investitionen schützt und zugleich Marktzugang ermöglicht.
Ein weiteres wesentliches Hemmnis im Ausbauprozess stellt die Bereitstellung von Stromanschlüssen für neue Mobilfunkstandorte dar – insbesondere in ländlichen Regionen. Ohne Energieversorgung ist kein Netzbetrieb möglich. Dass das BMDS nun eine prioritäre Anbindung an das Stromnetz vorschlägt, ist ein wichtiger Impuls. Diese Anbindung muss jedoch verbindlich geregelt werden. Energieversorger müssen gesetzlich verpflichtet werden, bei der Standortplanung frühzeitig einbezogen zu werden und innerhalb definierter Fristen zu liefern. Eine gesetzlich fixierte Mitwirkungspflicht für Stromversorger – vergleichbar mit der Beteiligungspflicht kommunaler Träger beim Wegerecht – ist notwendig, um die digitale Erschließung ganzer Regionen nicht durch unterbrochene Stromverbindungen auszubremsen.
Auch das Gigabit-Grundbuch als zentrale Datendrehscheibe für Infrastrukturinformationen zeigt derzeit gravierende Schwächen. Die Plattform leidet unter fragmentierten Daten, uneinheitlicher Katasterintegration, eingeschränkten Einsichtsrechten und unklaren Zuständigkeiten. Eine verlässliche, vollständige und rechtssichere Datengrundlage ist jedoch Voraussetzung für jeden koordinierten Ausbau. Die Bundesarbeitsgruppe fordert deshalb bundeseinheitliche Datenstandards, klare Regelungen zur Datennutzung und -einsicht sowie eine Harmonisierung mit den Vorgaben zum Schutz kritischer Infrastrukturen (KRITIS). Nur wenn alle Akteure – vom Planer über den Netzbetreiber bis hin zu Fördermittelgebern – Zugriff auf konsistente Informationen haben, können Ausbauentscheidungen effizient getroffen und Doppelarbeiten vermieden werden.
Besonders positiv bewertet die Bundesarbeitsgruppe die im Eckpunktepapier vorgeschlagenen Vereinfachungen der Genehmigungsverfahren. Die Einführung eines Anzeigeverfahrens statt langwieriger Genehmigungsprozesse, eine Genehmigungsfiktion nach zwei Monaten sowie die Klarstellung, dass Landesgesetze keine zusätzlichen „Aufbruchgenehmigungen“ fordern dürfen, sind richtige Schritte. Damit sie jedoch Wirkung entfalten, müssen diese Vereinfachungen nicht nur als Option, sondern als verbindliche Vorgaben in einem Bundesgesetz verankert werden. Zudem braucht es einheitliche Verfahrensstandards über alle Bundesländer hinweg, um den regulatorischen Flickenteppich zu beseitigen.
Kritisch sieht die Bundesarbeitsgruppe die Ankündigung des BMDS, das dringend notwendige Konzept zur Migration von VDSL- auf Glasfaseranschlüsse erneut zu verschieben. Die bislang politisch gesetzten Ziele – etwa der flächendeckende Glasfaserausbau bis 2030 – sind schon heute realistisch kaum mehr erreichbar. Statt weiterer Zielverschiebungen braucht es ein klares Migrationskonzept: Wie kann der Umstieg von alten Kupfernetzen auf zukunftssichere Glasfaser geregelt, begleitet und transparent kommuniziert werden? Der Wechsel muss verbraucherfreundlich, marktgerecht und wettbewerbsfördernd organisiert sein – inklusive verbindlicher Abschaltfristen für Kupfernetze in bereits versorgten Gebieten. Ein solches Konzept darf nicht länger auf sich warten lassen.
Die Bundesarbeitsgruppe Digitale Infrastruktur appelliert daher an die Bundesregierung, die vorliegenden Eckpunkte im Sinne eines echten Turbogesetzes weiterzuentwickeln. Zentral sind dabei folgende politische Forderungen: die gesetzliche Festschreibung des öffentlichen Interesses am Glasfaser- und Mobilfunkausbau, die konsequente Vermeidung von Doppelausbau durch marktbeherrschende Unternehmen, ein realistisches und effizient strukturiertes Förderregime mit maximal einer Milliarde Euro pro Jahr für den Glasfaserausbau – fokussiert auf weiße Flecken – sowie eine enge Verzahnung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau.
Nicht zuletzt müssen die Investitionsbedingungen durch konsequenten Bürokratieabbau, den Verzicht auf überflüssige nationale Sonderregelungen beim Verbraucherschutz und die Förderung technologischer Innovationen wie 6G und Open RAN verbessert werden. Nur wenn digitale Infrastruktur mit der gleichen Dringlichkeit behandelt wird wie Energie- oder Verkehrsinfrastruktur, kann Deutschland seine Position als führender Wirtschaftsstandort im digitalen Zeitalter behaupten.
Die Politik hat jetzt die Chance, mit einer umfassenden Reform des TKG die Weichen für die digitale Zukunft zu stellen. Diese Gelegenheit darf nicht ungenutzt bleiben.