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10.10.2024
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Highlight-Videokonferenz des Wirtschaftsrates zur Neugestaltung der Netzentgelte für die energieintensive Industrie

„Die Verlagerung hat begonnen“
©Wirtschaftsrat

Die Bundesnetzagentur plant die Abschaffung des Sondernetzentgelts für energieintensive Unternehmen (Bandlastprivileg) und dessen Ersatz durch flexible Netzentgelte, die den Bezug von Strom zu Zeiten eines wetterbedingt hohen Stromangebots anreizen soll. Hintergrund sind die aktuellen massiven Probleme im Strommarkt durch die fluktuierende Einspeisung durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen mit der Folge zunehmender Zeiten mit negativen Strompreisen und stark wachsender Verluste der Anbieter sowie tiefer Löcher auf dem staatlichen EEG-Konto. Zu diesem Thema fand nun eine Highlight-Videokonferenz des Wirtschaftsrates mit zwei betroffenen Unternehmern statt: Stephan Karl, Geschäftsführer der Tetra Pak GmbH, sowie Alexander Krautkrämer, Geschäftsführender Gesellschafter der BERICAP GmbH & Co. KG. Komplettiert wurde die Runde durch den energiepolitischen Fachsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mark Helfrich MdB.

Stephan Karl betonte in seinem Eingangsstatement die Bedeutung der Versorgungssicherheit mit Strom rund um die Uhr zu bezahlbaren Preisen. Nach einer kurzen Beschreibung seines Unternehmens stellte er klar, dass die Frage, ob in Deutschland noch weiterhin produziert werden könne, stark von der Perspektive bei den Strompreisen abhängig sei. Eine Flexibilisierung sei bei den Produktionsprozessen von Tetra Pak technologisch nicht möglich, die Fertigung müsse „24/7 an 365 Tagen“ durchlaufen. Auch eine Preiserhöhung durch Wegfall der individuellen Netzentgelte für stetige Strombelieferung würde voraussichtlich zu einer Verlagerung seiner Produktion führen. Alexander Krautkrämer betonte nach einer Kurzbeschreibung seines Unternehmens, das Flaschenverschlüsse aus Kunststoff im Milliarden-Stückzahlbereich herstellt, ebenfalls, dass neben dem Preis auch die Verfügbarkeit von Strom ein entscheidendes Standortmerkmal sei. Das Unternehmen BERICAP verfüge u.a. über Standorte in Frankreich und Polen mit freien Hallenkapazitäten. Aufgrund der in Deutschland ungünstigen Perspektiven habe sein Unternehmen mit der Verlagerung von Produktion bereits begonnen.

Mark Helfrich MdB, energiepolitischer Fachsprecher der CDU/CSU-Fraktion, stellte für die Union klar, dass Deutschland in jedem Fall ein Industrieland bleiben wolle und bleiben müsse. Es liege in der Verantwortung der Bundesregierung, ggf. für eine Anpassung des europäischen Rechtsrahmens zu sorgen, um eine Beibehaltung der aktuellen Regelung für energieintensive Unternehmen europarechtlich möglich zu machen. Außerdem müsse bei der aktuellen Entscheidung über die Kraftwerksstrategie möglichst viel Wettbewerb zugelassen werden, um eine kosteneffiziente Lösung zu erreichen. Damit sollten auch von dieser Seite möglichst niedrige Strompreise sichergestellt werden. Daneben wies Mark Helfrich noch auf die anstehende Entscheidung zur Verlängerung des KWK-Gesetzes hin. Hier müsse unbedingt durch eine Verlängerung dieser Regelung zu einer sicheren und bezahlbaren Stromversorgung beigetragen werden.

In der sich anschließenden intensiven Diskussion mit den mehr als 100 interessierten Mitgliedern gingen die Unternehmer und der Abgeordnete auf weitere Details des Themas ein. Stephan Karl betonte, dass aktuelle Investitionsentscheidungen seines Unternehmens selbstverständlich auf Basis der erwarteten Energiekosten gefällt würden und Deutschland daher zunehmend ins Hintertreffen geraten würde. Alexander Krautkrämer ergänzte, dass die Pläne des BMWK ihn daran zweifeln ließen, ob überhaupt die Verfügbarkeit von Strom in Zukunft gesichert sei. Auf die Frage nach der Zukunft des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) antwortete Mark Helfrich, dass die geplante Neuregelung, bei der Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) bei negativen Strompreisen keine Vergütung mehr erhalten werden, aus seiner Sicher positiv zu bewerten sei, weil aktuell ein starkes und ungünstiges Ungleichgewicht zwischen PV-Ausbau auf der einen und Windenergie-, Netz- und Speicherausbau auf der anderen Seite bestehe. Dieses Ungleichgewicht belaste Verbraucher und Staatshaushalt.

Stephan Karl wies auf eine entsprechende Frage eines Mitglieds darauf hin, dass sein Unternehmen sich Gedanken über Stromspeicher machen würde. Auch Alexander Krautkrämer ergänzte, dass seine Fachleute den Einsatz von Speichern nach einer entsprechenden Untersuchung als unwirtschaftlich verworfen hätten. Mark Helfrich wies darauf hin, dass Genehmigungs- und Einsatzbedingungen für Speicher vereinfacht werden müssten. Speicher an Erzeugungsanlage seien sinnvoll, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen. Langfristige Versorgungssicherheit, z.B. bei einer dreiwöchigen Dunkelflaute, könne allerdings nicht mit Speichern, sondern nur durch steuerbare Leistung sichergestellt werden. Auf die Frage, ob nicht die Erzeuger die Verantwortung für gleichmäßige Belieferung tragen sollten, sagte Mark Helfrich, er habe Sympathien dafür. Insgesamt fürchte er aber, dass die aktuell vorgeschlagenen Regelungen den Energiemarkt unnötig kompliziert machen würde.

In seinem Schlusswort fasste Mark Helfrich zusammen, dass sowohl aktuell als auch perspektivisch in fünf oder mehr Jahren Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gesichert werden müsse. Er fordert von der Bundesregierung Planungssicherheit. Insbesondere dürften keine neuen Ausstiegsszenarien, z.B. beim Gas, verkündet werden, solange nicht der Ersatz am Netz sei. Außerdem müsse bei allen Maßnahmen auf Kosteneffizienz geachtet werden. Er beruhigte aber die Teilnehmer insofern, dass er nicht davon ausgehe, dass die Versorgungssicherheit ernsthaft in Gefahr wäre. Außerdem könnten eine Reihe von Unternehmen am Flexibilitätsmarkt teilnehmen und damit die Situation für andere Unternehmen, die nicht flexibilisieren könnten, entspannen.

Den vollständigen Highlight-Talk können Sie sich hier ansehen.