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16.06.2022
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Klares Signal der europäischen Zentralbank für einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel fehlt

Wolfgang Steiger: Die Währungshüter setzen viel zu spät auf schwache Maßnahmen und verspielen damit Vertrauen
©Adobe Stock (helmutvogler)

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer jüngsten Sitzung erneut kein klares Signal ausgesendet, dass sie einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel, weg von der ultralockeren Geldpolitik, um einem fatal wirkenden Vertrauensverlust entgegenzuwirken. „Ähnlich wie die fehlende Versorgungssicherheit in der Energiepolitik, ist auch die Inflation die Folge einer bewussten Politik und von politischen Fehlern. Mehrere Währungshüter haben in den letzten Tagen endlich einen Kurswechsel signalisiert. Doch die in Aussicht gestellten Zinserhöhungen bis September auf den Nullzins reichen bei Weitem nicht aus. Auch die Neukäufe von Staatsanleihen laufen noch bis Juli weiter“, betonte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates. Und trotzdem findet bereits ein Ausverkauf an den Anleihemärkten statt mit der Folge stark steigender Renditeabstände vor allem griechischer und italienischer Anleihen im Vergleich zu etwa deutschen Bundesanleihen.

Vertrauen ist die kostbarste Währung der Notenbank. Doch genau dieses Vertrauen in die EZB ist massiv angeschlagen. Nachdem die Währungshüter die Inflation erst nicht haben kommen sehen, dann als vorrübergehendes Phänomen unterschätzt haben, lassen sie nun Zweifel an ihrer Entschlossenheit aufkommen, die hartnäckige Teuerung zu bekämpfen. „Das ist Wasser auf den Mühlen der Kritiker, die befürchten, dass die EZB viel stärker die Schuldentragfähigkeit der Euro-Schuldenländer im Blick hat, deren Staatsschulden sie monetarisiert, als den dramatischen Kaufkraftverlust der Normalbürger“, mahnt Wolfgang Steiger.

Deshalb wäre es so wichtig gewesen, dass die EZB einen Zinserhöhungspfad aufzeigt und aus den Erfahrungen der letzten Jahre eine Präzisierung ihres Instrumentenkastens ableitet. Dazu gehört auch ein Verbot von Negativzinsen. „Negativzinsen sind ein planwirtschaftliches Konzept und haben rein gar nichts mit Marktwirtschaft zu tun“, sagt Wolfgang Steiger. Zudem sind klare Vorgaben für den Ankauf von Wertpapieren hinsichtlich Art der Papiere, Umfang und Haltedauer erforderlich. Die niedrigen Zinsen haben eine wahnwitzige Rekordverschuldung ermöglicht. Umso wichtiger ist deshalb auch das deutliche Zeichen - die Beeinflussung oder gar Steuerung der Zinsdifferenzen zwischen Staatsanleihen der Euro-Länder gehört nicht zum Auftrag der Notenbank.

EZB-Direktoriumsmitglied Philipp Lane hat Zinsschritte von jeweils 25 Basispunkten für Juli und September als „Benchmark-Geschwindigkeit“ bezeichnet. Damit ist die EZB jedoch erst wieder bei der Nulllinie. „Einen Nullzins bei acht Prozent Inflation als angestrebtes Ziel zu bezeichnen, passt einfach nicht zur Realität von Verbraucher und Wirtschaft, die durch die hohe Inflation belastet und verunsichert werden. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene "konzertierte Aktion" verschiebt die Verantwortung zur Inflationsbekämpfung hin zu Unternehmen und Gewerkschaften. Doch Unternehmen und Gewerkschaften können nicht lösen, was Geld- und Fiskalpolitik angestoßen haben. Noch immer drückt die Geldpolitik Liquidität in die Märkte und eine Fiskalpolitik suggeriert alle Härten abfedern zu können. Dabei wirken auch defizitfinanzierte Entlastungspakete, die grüne Transformation oder höhere Mindestlöhne inflationär.