Neue Ernährungsstrategie ist wenig zielführend
In ihrem Koalitionsvertrag hatte sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, für Kinder eine „gesunde Umgebung für Ernährung und Bewegung zu schaffen“. Hintergrund dieses formulierten Ziels ist die steigende Anzahl adipöser Kinder und Jugendlicher in Deutschland. Die neue Ernährungsstrategie Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ist jedoch eher aktionistisch zu bezeichnen als zielführend. So ist ein Bestandteil der neuen Ernährungsstrategie die Einschränkung von Werbung für besonders zucker-, fett- und salzhaltige Lebensmittel, die sich gezielt an Jugendliche unter 14 Jahre richtet. Die Bundesregierung hält eine derart drakonische Maßnahme, also de facto ein Verbot für große Teile des Lebensmittelsortiments zu werben, für „ein adäquates Mittel“ der steigenden Zahl übergewichtiger Jugendlicher entgegenzuwirken.
Der Wirtschaftsrat spricht sich klar gegen dieses Vorhaben aus. Werbung übernimmt auch eine wichtige Rolle der Verbraucherinformation und ist in der Europäischen Union so reguliert, dass sie der hohen Schutzbedürftigkeit von Kinder und Jugendlichen klar Rechnung trägt. Übergewicht kann zudem auf einer Vielzahl von Faktoren gründen: Zu wenig Bewegung, eine unausgewogene Ernährung, bisweilen auch genetische Dispositionen. Sogar das Bundesministerium konnte auf Anfrage der CDU/-CSU Bundestagsfraktion nicht bestätigen, dass es eine Kausalität zwischen Lebensmittelwerbung und der Auswirkung auf das Ernährungsverhalten gibt. Hinzu kommt, dass laut einer Studie des Institutes ZEW 80 Prozent der befragten Eltern das familiäre Umfeld als Ursache des Ernährungsverhaltens ansehen und nicht die Lebensmittelwerbung.
Diese Erkenntnisse entsprechen auch denen des Wirtschaftsrates. Bildung, ob im familiären oder schulischen Umfeld, ist und bleibt der zentrale Schlüssel für eine gesunde Ernährung. Das Verbannen von Lebensmittelprodukten auf Werbetafeln, analogen wie digitalen Medien hat keinen Einfluss auf das Ernährungsverhalten. Der Wirtschaftsrat fordert insofern eine Abkehr von Werbeverboten und stattdessen eine stärkere Konzentration auf die Ernährungsbildung auch in Schulen, etwa durch Kochkurse, Praktika im landwirtschaftlichen Bereich und Aufklärungskampagnen. Zudem sollten der Schul- und Vereinssport wieder eine stärkere Bedeutung in der Gesellschaft finden, denn Sport bedeutet Bewegung.
Nicht zuletzt würden die angestrebten Werbeverbote für Lebensmittel einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für die überwiegend mittelständischen Lebensmittelproduzenten bedeuten, die ihren Umsatz hierzulande und nicht auf globalen Märkten erzielen. Es muss gerade auch für diese Unternehmen weiterhin die Möglichkeit bestehen, ein legales Produkt zu bewerben und damit verkaufen zu können.
Das Bundesministerium wäre gut darin beraten, seine Ernährungsstrategie weniger auf Basis von Ideologien und Aktionismus, sondern auf Grundlage wissenschaftlicher Daten zu erarbeiten. Die Ernährung darf nicht zur Geißel identitätspolitischer Debatten werden.