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25.09.2025
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Neue Indienstrategie der Europäischen Union – für die Zukunft zu wenig

Um international nicht abgehängt zu werden, muss Europa die Partnerschaft mit Indien vertiefen sowie den Handel ausbauen – und zwar mit Tempo.
©Adobe Stock (Zariyan)

Die Europäische Union steht an einem strategischen Wendepunkt. In einer Welt, in der geopolitische Spannungen, technologische Umbrüche und eine zunehmende Systemkonkurrenz die Spielregeln bestimmen, sucht die EU nach Wegen, ihre Abhängigkeiten zu verringern und ihre globale Handlungsfähigkeit zu sichern. Diversifizierung lautet das Gebot der Stunde – und dabei rückt Indien in den Mittelpunkt.

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien, das noch in diesem Jahr unterschriftsreif sein soll, ist mehr als ein klassisches Handelsdokument. Es ist ein Signal, dass Europa gewillt ist, seine ökonomischen und politischen Partnerschaften zu erweitern und sich unabhängiger von China aufzustellen. Indien mit seiner wachsenden Wirtschaftskraft, seiner jungen Bevölkerung und seinem Innovationspotenzial bietet hier eine strategische Ergänzung, die Europa dringend benötigt. 

Im September legte die EU nun ihre neue Indien-Strategie vor. Fünf Schwerpunkte wurden definiert: Prosperity and Sustainability, Technology and Innovation, Security and Defence, Connectivity and Global Issues sowie Enablers Across Pillars. Doch die Ernüchterung ist groß: Vieles davon klingt vertraut, bleibt vage und verliert sich im Ungefähren. Ziele zu formulieren, reicht nicht mehr aus. Es geht jetzt darum, vom Papier ins Handeln zu kommen. Europa muss den Mut aufbringen, die Partnerschaft mit Indien konkret zu vertiefen – durch verbindliche Vereinbarungen u. a. in den Bereichen Rohstoffsicherung, kritische Zukunftstechnologien sowie Sicherheit und Verteidigung. Auch der gemeinsame Handel muss ambitioniert ausgebaut werden, um widerstandsfähigere Lieferketten zu schaffen und die Verwundbarkeit der europäischen Wirtschaft zu verringern. 

Gleichzeitig ordnen sich die internationalen Handelsbeziehungen in rasantem Tempo neu. Unter der zweiten Trump-Administration entwickeln die USA ein anderes Rollenverständnis, das Europa zwingt, seine Position klarer zu definieren. Wer in dieser Situation abwartet, riskiert, überholt zu werden. Die EU darf sich nicht länger im Kreis drehen, sondern muss ihre Chancen konsequent nutzen, um als geopolitischer Akteur Gewicht zu behalten. 

Dafür ist wirtschaftliche Stärke die Voraussetzung. Nur ein wettbewerbsfähiges Europa kann souverän agieren. Der Draghi-Report hat bereits vor einem Jahr die notwendigen Handlungsempfehlungen auf den Tisch gelegt. Doch seither ist wenig geschehen. Das Zögern droht, zur europäischen Gewohnheit zu werden – und genau das kann sich Europa in einer Zeit globaler Umbrüche nicht leisten. Es braucht Tempo, Entschlossenheit und die Bereitschaft, Reformen endlich umzusetzen. Nur so kann die EU ihre strategische Neuaufstellung erfolgreich gestalten und ihre Rolle als führender Innovations- und Wirtschaftsstandort behaupten. 

Der Wirtschaftsrat wird das Thema insbesondere in der Bundesfachkommission Internationaler Kreis weiter kritisch begleiten.