Ordnungspolitik gegen Industriepolitik? – Wege aus der Krise
Die OECD berechnet für Deutschland in diesem Jahr eine Stagnation des Wirtschaftswachstums. Damit ist Deutschland, knapp vor Russland und Argentinien, eines der Schlusslichter der großen Industrienationen. Zahlreiche Industrieunternehmen bemängeln das Fehlen von verlässlichen und transparenten Behörden, einer sicheren Energieversorgung, guter Bildung, ausreichenden Fachkräften sowie einer guten Verkehrsinfrastruktur. Immer häufiger wird der vor über zwanzig Jahren gängige Begriff des „kranken Manns Europas“ wieder auf Deutschland angewendet. Über diese Probleme diskutierten wir mit Frau Prof. Dr. Monika Schnitzer, der neuen Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, in unserer Highlight-Videokonferenz am 15. August 2023.
Monika Schnitzer gab zum Beginn ihres Vortrags zu bedenken, dass die aktuelle Situation nicht so düster sei, wie häufig dargestellt. So seien hohe Energiepreise kein neues Phänomen in Deutschland und ein Anstieg der Energiepreise langfristig zu erwarten gewesen. Mit Blick auf die Zukunft werde die deutsche Wirtschaft einen Strukturwandel durchlaufen und sich noch mehr auf die Herstellung hochwertiger Produkte konzentrieren und stärker auf den Dienstleistungssektor setzen.
Die jüngsten Ereignisse, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, hätten Monika Schnitzer schockiert. Sie zeichnete die Auswirkungen auf die globale Politik und Wirtschaft nach. Insbesondere sehe sie eine angespannte Situation in Bezug auf Taiwan, wo eine gewaltsame chinesische Annexion nicht ausgeschlossen werden könne. Diese Entwicklungen bedrohten auch die internationale Verflechtung von Politik und Wirtschaft. China spiele eine dominante Rolle bei der Gewinnung und Verarbeitung seltener Rohstoffe in Afrika, was Deutschland in eine Abhängigkeitssituation bringe. Um diese Abhängigkeit zu verringern, sei eine Diversifizierung notwendig, die eine verstärkte Rohstoffgewinnung und Produktion in Europa bedeute.
Die Bewältigung des Fachkräftemangels erfordere eine Fokussierung auf Bildung, um junge Menschen besser auszubilden, zu qualifizieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zusätzlich müsse die Umschulung von freigesetzten Arbeitskräften als Normalität betrachtet werden. Eine mögliche Linderung des Fachkräftemangels könne auch durch Migration aus Drittstaaten erreicht werden. Die bestehende Bürokratie in Deutschland stelle eine erhebliche Hürde dar, und es bestehe weitgehend Einigkeit darüber, dass Entbürokratisierung notwendig sei. Allerdings gestalte sich dies aufgrund komplexer Gesetze, zeitaufwändiger Verwaltungsprozesse und unzureichender Digitalisierung der Verwaltung als schwierig.