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05.02.2025
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Richtlinie schreibt Personaluntergrenzen in Psychiatrie und Psychosomatik vor – bei Nichteinhaltung drohen Sanktionen

Ab 2026 müssen Einrichtungen aus Psychiatrie und Psychosomatik Personaluntergrenzen einhalten. Der Fachkräftemangel erschwert die Umsetzung der Richtlinien.
©Adobe Stock (chinnapong)

Am 19. Dezember 2024 bestätigte das Bundessozialgericht (BSG) die Rechtmäßigkeit der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erlassenen „Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik“ (PPP-RL). Ab 2026 müssen etwa 1.400 Einrichtungen, die in diesem Bereich tätig sind, die darin festgelegten Personaluntergrenzen einhalten, andernfalls drohen finanzielle Sanktionen. Diese Regelung sorgt bereits jetzt für erhebliche Diskussionen und Herausforderungen, insbesondere angesichts des dramatischen Fachkräftemangels.

Was ist der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)?

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitssystem. Er setzt sich aus Vertretern der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen zusammen und hat die Aufgabe, Richtlinien zu erlassen, die die Qualität und Sicherheit der medizinischen Versorgung in Deutschland gewährleisten sollen. Dies betrifft nicht nur die Frage der medizinischen Standards, sondern auch personelle Vorgaben in Gesundheitsberufen.

Die Aufgaben des G-BA sind weitreichend und beinhalten unter anderem die Festlegung von Qualitätsvorgaben, die Einführung neuer Behandlungsmethoden sowie die Regelung der Versorgung durch bestimmte Berufsgruppen. Diese Vorgaben gelten für alle Einrichtungen, die mit der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen.

Ziel und Inhalt der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik

Die „Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik“ wurde mit dem Ziel erlassen, die Qualität der stationären Versorgung sowie die Patientensicherheit zu verbessern. Sie macht verbindliche Vorgaben für die personelle Ausstattung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken. Diese Vorgaben umfassen spezifische „Minutenwerte“, also festgelegte Zeitvorgaben, die für jede Berufsgruppe (z. B. Ärzte, Pflegekräfte, Psychotherapeuten und Bewegungstherapeuten) pro Patient und Woche gelten.

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Diese Vorgaben sollen dazu beitragen, dass Patienten eine angemessene und qualitativ hochwertige Behandlung erhalten sowie gleichzeitig das Klinikpersonal vor Überlastung schützen. Optimalerweise soll die Richtlinie bewirken, dass die Kliniken ihre Arbeit unter besseren Bedingungen durchführen können und die Behandlungsqualität für Patienten steigt.

Probleme der Kliniken bei der Umsetzung

Trotz der wohlwollenden Intentionen hinter der Richtlinie stellt deren praktische Umsetzung eine Herausforderung dar. Die wichtigste Hürde: der akute Fachkräftemangel. Es fehlt in vielen Kliniken an ausreichend qualifizierten Mitarbeitern, um die gesetzlich geforderten Personaluntergrenzen zu erfüllen. Dies betrifft nicht nur Pflegekräfte, sondern auch spezialisierte Therapeuten und Ärzte. Besonders in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen, die häufig auf Personal angewiesen sind, das aufgrund von Weiterbildung und Spezialisierung schwer zu rekrutieren ist, verschärft der Fachkräftemangel die Lage zusätzlich.

Die Kliniken stehen somit vor einem Dilemma: Während sie einerseits gesetzlich verpflichtet sind, die vorgegebenen Personalanforderungen zu erfüllen, gibt es andererseits nicht genügend Fachkräfte, die diese Vorgaben erfüllen können. Dies führt zu einem enormen Druck auf die bestehenden Mitarbeiter und zu einer Belastung der Kliniken insgesamt, da sie möglicherweise auf temporäre Lösungen wie Überstunden oder externe Zeitarbeitskräfte zurückgreifen müssen.

Die finanziellen Auswirkungen der Nichteinhaltung

Ab dem 1. Januar 2026 wird die Nichteinhaltung der Personalvorgaben mit einer finanziellen Sanktion belegt. Kliniken, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen können, müssen mit einem prozentualen Vergütungswegfall rechnen. Dies könnte insbesondere bei kleineren oder weniger gut ausgestatteten Einrichtungen zu existenziellen finanziellen Schwierigkeiten führen.

Es gibt jedoch einen Hoffnungsschimmer: Der G-BA hat auf die schwierige Personalsituation reagiert und mit Beschluss vom 21. März 2024 die Anforderungen etwas abgeschwächt. So müssen die Kliniken ab 2026 lediglich 90 Prozent der Mindestanforderungen erfüllen, ab 2027 sind es dann 95 Prozent. Zudem wurde der Berechnungsfaktor auf 1,0 gesenkt, was die Anforderungen insgesamt etwas reduziert. Dennoch bleibt das Grundproblem ungelöst: Es fehlen einfach Fachkräfte.

Ausblick und Lösungsansätze

Die Herausforderung, eine qualifizierte und ausreichende Anzahl an Fachkräften zu gewinnen, bleibt das zentrale Problem der Umsetzung der PPP-RL. Viele Kliniken und Fachverbände fordern seit Jahren eine stärkere Förderung der Ausbildung im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um die Attraktivität der Berufe zu erhöhen.

Zudem wird die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der Gesundheitsfinanzierung diskutiert, um die Kliniken besser in die Lage zu versetzen, notwendige Investitionen in Personal und Infrastruktur zu tätigen. Einen Lösungsansatz könnte die Berücksichtigung weiterer Berufsgruppen darstellen, deren Tätigkeit auf die Personalvorgaben anzurechnen wäre. So könnten z. B. Physician Assistants einen signifikanten Teil der ärztlichen Aufgaben übernehmen. Sie finden jedoch bisher keine Berücksichtigung in der Richtlinie.

Weitere Lösungsansätze könnten die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Einsatz innovativer Technologien sein, um die Arbeitslast der Fachkräfte zu reduzieren und die Versorgung auch bei Personalmangel sicherzustellen.

Insgesamt zeigt sich, dass die Einhaltung der Personalvorgaben einerseits wichtig ist, um eine hohe Behandlungsqualität zu gewährleisten. Andererseits jedoch ist ein realistischeres und flexibleres Vorgehen notwendig, um den strukturellen Herausforderungen im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung gerecht zu werden.