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09.10.2025
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Schuldenbremse modernisieren – Schuldenbremse schärfen

©Adobe Stock (bluedesign)

Auch im Jahr 2025 ist der Herbst finanzpolitisch wieder eine heiße Jahreszeit, denn er bringt nicht nur die heiße Phase der Haushaltsberatungen für dieses und das kommende Jahr mit sich, sondern auch das Ringen der Kommission zur Reform der Schuldenbremse. Dieses fünfzehnköpfige Gremium soll sich in den kommenden Monaten mit deren Modernisierung, wie es im Arbeitsauftrag heißt, beschäftigen. Anders als von vielen verstanden, muss diese Modernisierung eine Schärfung der Schuldenbremse bringen: Wir dürfen nicht wieder in die aktuelle prekäre Lage geraten, dass sich einerseits bei der Infrastruktur über Jahre und Jahrzehnte hinweg ein immenser Investitionsstau aufgebaut hat, andererseits jedoch für dessen Auflösung keine Haushaltsfreiräume geschaffen wurden, so dass stattdessen nun leichtfertig ein gigantischer Schuldentopf gebildet wird.

Eine funktionierende Schuldenbremse ist in vielerlei Hinsicht segensreich. Eine Investitionsbremse ist sie dagegen – anders, als behauptet – nicht. Das zeigen unsere europäischen Nachbarn, die teils mehr investieren und gleichzeitig eine geringere Verschuldung aufweisen als Deutschland. Das zeigt aber auch die Entwicklung der öffentlichen Investitionen der Bundesrepublik in den Jahren nach der Finanzkrise: Die massiv gestiegenen Steuereinnahmen wurden da statt für Investitionen für immer weiterezusätzliche Sozialausgaben verwandt. So sind mit den Gesamteinahmen die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand zwischen 2010 und 2022 um 70 Prozent gestiegen, während die Politik gleichzeitig Schienen, Straßen und Brücken immer weiter verfallen ließ und es versäumte, eine adäquate Digitalinfrastruktur aufzubauen. Stattdessen gab es Rentenpaket auf Rentenpaket, Bürgergeld etc., und mittlerweile werden jährlich sage und schreibe 1,4 Billionen Euro für Soziales ausgegeben, mehr als 30 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Eine funktionierende Schuldenbremse ist also viel mehr eine Sozial-staatsbremse statt einer Bremse öffentlicher Investitionen.

Gleichzeitig ist es ein Irrglaube, dass primär der Staat für die Investitionen zuständig ist. So entfielen in den Jahren 2023 und 2024 jeweils rund 87 Prozent der Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland auf private Unternehmen, nur 13 Prozent auf die öffentliche Hand. Will der Staat Investitionen voranbringen, muss er also v.a. einen wachstums-freundlichen Ordnungsrahmen schaffen, der den Unternehmen Vertrauen für ihre Investitionen gibt. Dabei muss sich der Staat auf seine Kernaufgaben konzentrieren und hierzu öffentliche Mittel priorisieren.

So wird eine funktionierende Schuldenbremse zur Staatsbremse, und die wird dringend benötigt. Bereits Helmut Kohl wusste: „Bei 50 Prozent Staatsquote beginnt der Sozialismus!“ Denn mehr Staatsausgaben, wie sie auch durch mehr Schulden ermöglicht werden, führen zu mehr staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft, und die bremsen dann wiederum das Wachstum. 2024 lag die Staatsquote in Deutschland bei 49,5 Prozent – wir stehen damit nach dem Verständnis des Altkanzlers an der Schwelle zum Sozialismus. Und wir wissen: Die Menschen im Sozialismus waren vieles, aber sicher nicht wohlhabend. Staatswirtschaft schadet dem Wohlstand.

Ein Land wird ärmer, wenn die öffentliche Hand zu viel Geld hat. Denn der Staat unterliegt der steten Versuchung, noch mehr teure Umverteilung zu betreiben und die Arbeitsanreize dadurch zu hemmen, wie das Negativbeispiel Bürgergeld zeigt. Mit seinem Geld interveniert der Staat in Marktergebnisse und bremst so den Struktur-wandet. Und schließlich saugt ein finanziell übermäßig ausgestatteter Staat die Ressourcen auf, die Private dringend benötigen und tendenziell effizienter einsetzen, beispielsweise Arbeitskräfte: Bei öffentlichen Arbeitgebern arbeiten mittlerweile 6,5 Millionen Menschen, eine Million mehr als noch vor 15 Jahren. So verdrängt der Staat Privatwirtschaft und schmälert den volkswirtschaftlichen Wohlstand. Im Gegensatz dazu fördert eine scharfe Schuldenbremse als harte Budgetrestriktion das Wirtschaftswachstum.

Gerne wird das Ideal der schwäbischen Hausfrau zitiert, die für schlechte Zeiten vorsorgt. Auf staatlicher Ebene hat sich dies dann beispielsweise in der Notlage der Corona-Pandemie bewährt, als Deutschland mehr finanzielle Spielräume als andere Staaten hatte. Gleichzeitig legt der schwäbische Häuslebauer, sobald das Haus steht, Rücklagen für künftige Erhaltungsaufwendungen, für Reparaturen und Sanierungen, an. Und genau das haben Bund, Länder und Kommunen eben nicht getan: Brücken, Straßen, Schienen sind verfallen, doch statt, dass der Staat Rücklagen für die Sanierung gebildet bzw. in entsprechendem Umfang Schulden zurückgezahlt hätte, ist die öffentliche Gesamtverschuldung heute höher denn je – und zur Auflösung des über Jahrzehnte aufgebauten Sanierungsstaus sieht die Politik ihr einziges Heil in einem monströsen Infrastruktur-Schuldensondertopf.

So etwas darf sich nicht mehr wiederholen: Abnutzungen bedeuten einen Vermögensverlust, und dieser Vermögensverlust muss künftig bei der Haushaltsführung berücksichtigt werden. Insofern muss die Modernisierung der Schuldenbremse eine Schärfung bringen, indem eine weitere Regel zu den bestehenden hinzugefügt wird: Übersteigen die Abschreibungen die Investitionen, sinkt also netto das öffentliche Vermögen, sind in entsprechendem Umfang Rücklagen zu bilden bzw. Schulden zurückzuzahlen. In jedem Fall müssen diese Nettoinvestitionen (Investitionen minus Abschreibungen) die Verschuldungsobergrenze darstellen, auch, wenn andere Regeln der Schuldenbremse hier eigentlich mehr Spielraum gäben.

Gleichzeitig sind auch weitere Zukunftslasten, die die Politik künftigen Steuerzahlern auferlegt, in der Schuldenregel zu berücksichtigen: Verbeamtungen bedeuten Zukunftslasten, weil sich die Gebietskörperschaften hierdurch zu späteren Pensionszahlungen verpflichten. Auch diese müssen durch die entsprechende Tilgung von Schulden ausgeglichen werden. Zusätzliche Ausgabenversprechen in den sozialen Sicherungssystemen bringen ebenfalls weitere Verbindlichkeiten. Wenn die große Koalition nun beispielsweise den Jungen noch die enormen Lasten einer weiteren Ausbaustufe der Mütterrente oder einer Rentenniveaufixierung aufbürdet, dann muss sie als Ausgleich für die dadurch angehobenen verdeckten Staatsschulden gleichzeitig die offene Staatsverschuldung reduzieren.

Wir brauchen also eine Modernisierung der Schuldenbremse, eine, die den bestehenden Regeln eine weitere hinzufügt: Wenn der öffentliche Kapitelstock unter Berücksichtigung der Abschreibungen sinkt, wenn die öffentliche Hand Verbindlichkeiten durch zusätzliche Verbeamtungen oder zusätzliche Leistungsverpflichtungen in den sozialen Sicherungssystemen eingeht, dann ist dies stets durch die entsprechende Rückzahlung von Schulden auszugleichen. So sähe eine funktionierende Schulden-bremse aus, die dem Gebot der Generationengerechtigkeit wirklich genügt.