Versicherungsfremde Leistungen: Beitragserhöhungen könnten zur Regel werden
Angesichts der besorgniserregenden Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) rückt eine Problematik verstärkt in den Fokus: die steigenden Kosten durch sogenannte versicherungsfremde Leistungen. Diese Aufwendungen belasten die Krankenkassen und deren Beitragszahler erheblich, da sie Ausgaben finanzieren, die nicht dem originären Aufgabenbereich der Krankenversicherung zugeordnet sind.
Die Entwicklung versicherungsfremder Leistungen und ihre Finanzierungslücke
Für das Jahr 2023 stand einem pauschalen Bundeszuschuss von 16,6 Milliarden Euro für die GKV ein Bedarf von 59,8 Milliarden Euro gegenüber, die durch versicherungsfremde Leistungen entstanden waren. Diese Diskrepanz von 43,2 Milliarden Euro musste demnach durch Beitragszahlungen der Versicherten kompensiert werden. Das bedeutet für Beitragszahler mit durchschnittlichem Einkommen eine jährliche Mehrbelastung von etwa 740 Euro oder eine Erhöhung des Beitragssatzes um zwei Prozentpunkte. Viele Krankenkassen haben bereits auf diese Situation reagiert und den Zusatzbeitrag angehoben. Für das Jahr 2025 wird sogar eine weitere Erhöhung von 0,8 Prozentpunkten erwartet, wie es auch vom Schätzerkreis empfohlen wurde. Diese Entwicklung, insbesondere in Verbindung mit dem demografischen Wandel, lässt eine zukünftige Belastung der Bevölkerung in ungekanntem Ausmaß befürchten: Ein Anstieg der Sozialabgabenquote auf 50 Prozent scheint möglich und würde nicht nur die private Kaufkraft beeinträchtigen, sondern hätte auch massive negative Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Kostentreiber: Bürgergeld-Empfänger und Krankenhausreform
Ein erheblicher Teil der versicherungsfremden Leistungen entfällt auf Leistungen für Bürgergeld-Empfänger. Laut eines Gutachtens des IGES-Instituts decken die vom Bund gezahlten Beiträge nicht die realen Gesundheitsausgaben für diese Gruppe. 2022 lagen die GKV-Ausgaben für Bürgergeld-Empfänger um 9,2 Milliarden Euro über den vom Bund eingezahlten Beiträgen. Der Bund zahlt pro Bürgergeld-Empfänger monatlich 108,48 Euro, doch die tatsächlichen Gesundheitskosten belaufen sich auf durchschnittlich 311,45 Euro – ein Defizit, das jährlich auf rund zehn Milliarden Euro anwächst und durch die Beiträge der GKV-Mitglieder getragen werden muss. Darüber hinaus könnte die geplante Krankenhausreform der Ampelkoalition, wenn sie in der aktuellen Form umgesetzt würde, zusätzliche Belastungen für die GKV mit sich bringen. Der Transformationsfonds, der zur Finanzierung der Reform vorgesehen ist, wird auf rund 50 Milliarden Euro geschätzt. Diese Summe müsste allein von den Krankenkassen getragen werden, wodurch eine zusätzliche Beitragserhöhung unumgänglich wäre.
Weitere versicherungsfremde Leistungen und strukturelle Belastungen der GKV
Neben den Aufwendungen für Bürgergeld-Empfänger und die Krankenhausreform gibt es zahlreiche weitere Posten, die als versicherungsfremde Leistungen der GKV gelten. So ist die GKV etwa für den Betrieb der staatlichen Telematikinfrastruktur verantwortlich, zu der die elektronische Gesundheitskarte und die elektronische Patientenakte gehören. Die Finanzierung dieser digitalen Infrastruktur erfolgt ebenfalls über GKV-Mittel und schlägt jährlich erheblich zu Buche. Hinzu kommen Zuschüsse zur Versorgungsforschung durch den Innovationsfonds sowie zusätzliche Zahlungen für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in ländlichen Regionen. Ein weiteres Problem stellt die unzureichende Finanzierung der Investitionskosten im Krankenhausbereich durch die Bundesländer dar. Diese führt dazu, dass Krankenhäuser ihre Investitionen aus den allgemeinen Betriebskosten, also aus den DRG-Fallpauschalen, finanzieren müssen. Dies belastet die GKV zusätzlich und treibt die Kosten weiter in die Höhe.
Eine grundlegende Reform ist überfällig
Die Belastung der Beitragszahler durch versicherungsfremde Leistungen hat ein inakzeptables Ausmaß erreicht. Dabei geht es nicht nur um den Wirtschaftsstandort Deutschland, der durch die Erhöhungen der Sozialabgaben bedroht wird, sondern um eine grundsätzliche Frage: Welche Aufgaben fallen in den Verantwortungsbereich der Krankenkassen und welche nicht? Wichtig sind eine grundlegende Reform des Sozialstaates und eine klare Abgrenzung der Aufgaben der Krankenkassen.
Perspektiven für eine nachhaltige Finanzierung der GKV
Um die finanzielle Stabilität der GKV langfristig zu sichern, wäre eine differenzierte Prüfung und Neuordnung der Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig. Einerseits könnten bestimmte versicherungsfremde Leistungen wie die Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Empfängern künftig direkt vom Staat über Steuergelder getragen werden, um die Beitragszahler zu entlasten. Dabei sollte die Zahl der Bürgergeld-Empfänger durch eine Stärkung der Arbeitsanreize drastisch reduziert werden. Andererseits sollten die Bundesländer ihre gesetzlichen Verpflichtungen zur Finanzierung der Investitionskosten im Krankenhausbereich stärker wahrnehmen. Und schließlich sollte die Eigenverantwortung wieder in den Fokus rücken, insbesondere bei Gesundheitsleistungen, die sich durch private Vorsorge gut abdecken lassen.