Wirtschaftsrat warnt vor Massensterben von Krankenhäusern
Mit der von der Bundesregierung angekündigten Krankenhausreform verfolgt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach u.a. eine Neuordnung der Krankenhausfinanzierung. Ziel sei es, die Krankenhäuser zu retten und eine nachhaltige und gerechte Finanzierung sicherzustellen. Allerdings zeigt sich in der Realität ein beunruhigendes Bild.
Inmitten eines alarmierenden finanziellen Drucks in der deutschen Krankenhauslandschaft offenbaren aktuelle Statistiken eine besorgniserregende Entwicklung. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben in einem Zeitraum von knapp einem Jahr, beginnend im November 2022, 26 Träger mit insgesamt 34 Krankenhäusern einen Insolvenzantrag gestellt. Mehr als die Hälfte der 600 größten deutschen Kliniken schreibt rote Zahlen, so eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger vom Sommer dieses Jahres. Der Ausblick für das kommende Jahr ist noch düsterer.
Der Wirtschaftsrat schlägt angesichts des drohenden Krankenhaussterbens in Deutschland Alarm. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, warnt eindringlich davor, dass das fortschreitende Krankenhaussterben nicht nur eine unmittelbare Bedrohung für die Gesundheitsversorgung darstellt, sondern auch zu einer ernsthaften Gefahr für die demokratische Grundordnung in Deutschland werden kann. Steiger sieht in der Verletzung der Daseinsvorsorge gerade im Gesundheitsbereich ein potenzielles Einfallstor für antidemokratische Kräfte. In einer Stellungnahme erklärt er: „Das Krankenhaussterben wird zu einer Gefahr für die demokratische Grundordnung in Deutschland. Die Verletzung der Daseinsvorsorge der Menschen nützt nur undemokratischen Parteien“.
Eine gute Krankenhausreform kann nur im Schulterschluss von Krankenhäusern, Kostenträgern und Ländern gelingen. Die derzeitige Zusammensetzung der Expertenkommission der Bundesregierung wird vom Wirtschaftsrat scharf kritisiert. Sie ist realitätsfern und spiegelt nicht die Zusammensetzung des Gesundheitswesens wider.
Um dem Sterben entgegenzuwirken, fordert der Wirtschaftsrat die Bundesregierung auf, folgende Maßnahmen zu ergreifen:
- Eine Neubesetzung der Expertenkommission, die die Interessenlandschaft im Gesundheitswesen besser berücksichtigt
- Ein Vorschaltgesetz zur Übergangsfinanzierung. Ansonsten müsse man vermuten, dass das Sterben der Krankenhäuser gewollt und Absicht ist.
- Eine Abkehr von den Krankenhaus-Leveln. Diese sind in der jetzigen Form für eine Krankenhausstrukturreform nicht geeignet.
- Verzicht auf die Einführung von Vorhaltepauschalen. Vorhaltepauschalen bringen keine neue Liquidität in das Gesundheitssystem. Der Kuchen wird nur auf eine andere Art und Weise verteilt. Die Pauschalen setzen falsche Anreize für die Krankenhäuser und werden zu einer Verknappung des Leistungsangebots führen. Vorhaltepauschalen halten wir nur für den Bereich der Notfallversorgung für sinnvoll.
Wolfgang Steiger betont: "Es ist entscheidend, dass die politische Führung auf allen Ebenen ihrer Verantwortung gerecht wird und umgehend handelt, um die Strukturen unseres Gesundheitssystems zu stabilisieren. Derzeit werden bewährte Strukturen, die mit viel Aufwand und Geld aufgebaut wurden, zerstört. Eine umfassende Krankenhausreform ist dringend erforderlich, um die Gesundheitsversorgung für die Bürger sicherzustellen. Die Voraussetzung für eine gute Reform aber sind Gespräche mit allen betroffenen Gruppen. Dies geschieht derzeit nicht. Eine unüberlegte Reform droht daher zu einer Versorgungskrise zu führen."
Auch im Hinblick auf das Bund-Länder-Treffen am 23. November findet der Generalsekretär des Wirtschaftsrates klare Worte: „Es war richtig von den Ländern, im Vorfeld des Treffens einen Brandbrief an die Regierung zu schicken. Wenn es um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung geht, sollte nicht nach Parteibuch, sondern nach Vernunft entschieden werden“.
Nach der Haushaltskrise droht die Krankenhausreform zur zweiten großen Krise der Ampel-Koalition zu werden. Im Streit der Länder mit dem Bund könnte NRW eine Vorreiterrolle einnehmen. Die „Blaupause-NRW“ im Sinne einer Länderkoalition könnte die Schlagkraft haben, sinnvolle Impulse gegenüber dem Bund zu vertreten und durchzusetzen. Eine leistungsgruppenbezogene Krankenhausplanung kann eine gute Versorgung sicherstellen. Dabei sind jedoch die Besonderheiten und Strukturen vor Ort in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen. Daher halten wir einen Dialog mit den Ländern und einen Schulterschluss mit allen betroffenen Gruppen für unabdingbar.