Cookie-Einstellungen

Bericht
11.07.2023
Drucken

Gendergerechte Sprache – welchen Einfluss hat die Diskussion über das Gendern auf die Gesellschaft?

Diskussionsveranstaltung mit Johanna Henkel-Waidhofer und Dr. Daniel Deckers
©Wirtschaftsrat

Binnen-I, Doppelpunkt, Unterstrich oder mit Sternchen – dies sind nur einige der vielen Möglichkeiten, mit denen in den letzten Jahren der Versuch einer gendergerechten Sprache unternommen wurde. Um das Gendern ist eine gesellschaftliche Diskussion entbrannt, da Minderheiten laut Meinung der Befürworter immer noch zu wenig Sichtbarkeit im geschriebenen Wort haben. Das Netzwerk der Frauen im Wirtschaftsrat lud deshalb zu einer Podiumsdiskussion mit den beiden Journalisten Johanna Henkel-Waidhofer, Korrespondentin für Landespolitik Baden-Württemberg, und Dr. Daniel Deckers, Verantwortlicher Redakteur des Ressorts „Die Gegenwart“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in die Räumlichkeiten der Kanzlei Heuking Kühn Luer Wojtek in Stuttgart ein. Die Moderation übernahm Dr. Stefan Hofmann, Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Baden-Württemberg der Konrad-Adenauer-Stiftung.

2023_07_10 Gendern

Nach einer kurzen Begrüßung durch die Sprecherin des Netzwerks der Frauen, Dr. Anne de Boer, begann eine lebhafte Diskussion. Zu Beginn zeigten die beiden Journalisten ihren Standpunkt auf. Waidhofer erläuterte, dass die Sichtbarmachung von Minderheiten in der Sprache eine lange Geschichte vorzuweisen hat. Sie ist keine Freundin von verpflichtenden Regeln zum Gendern, aber die Gesellschaft sollte Möglichkeiten finden, dass in der deutschen Sprache eine Gleichberechtigung ermöglicht wird. Deckers hielt dagegen, dass die Sprache auch in ihrer schriftlichen Form eine Form der Verständigung untereinander ist. Der deutsche Rechtschreibrat hat dazu Regeln geschaffen, die die Grundlagen für das Erlernen bilden. Das Brechen der Regeln mit neuen Satzzeichen wird durch die Befürworter ausschließlich moralisch begründet und verkompliziert die Anwendung im schlimmsten Fall für alle.

Sprache hat immer eine emotionale Dimension und die Handhabung ist ein gesellschaftlicher Aufgabenbereich. Die Akzeptanz von sprachlichen Neuerungen ist ein wichtiger Baustein für deren Etablierung. Waidhofer plädiert deshalb dafür, den Menschen die Entscheidung für oder gegen Gendern im Alltag selbst zu überlassen. Sie sieht im Gendern auch ein sprachliches Innovationspotential. In staatlichen Institutionen sind jedoch die offiziellen Regeln der deutschen Sprache anzuwenden, da diese eine Vorbildwirkung für die Menschen haben. Deckers gibt zu bedenken, dass es gendergerechte Sprache für bspw. Migranten erschweren könnte, am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Sprache sollte deshalb immer für jeden verständlich, wiederholbar sowie reproduzierbar sein.

2023_07_10 Gendern

Aus dem Publikum kamen weitere Beiträge, die beide Sichtweisen abdeckten. Die sprachlichen Regeln sollen innerhalb der Gesellschaft ausgehandelt werden, da diese schlussendlich die Anwender sind. Es kam der Vorschlag zur Schaffung von Geschlechtergerechtigkeit eine Mischform in Texten zu verwenden, sodass sich die männliche und weibliche Form von Wörtern abwechseln. Frauen werden somit auch ohne Genderzeichen in der geschriebenen Sprache sichtbar gemacht. Die Verringerung der Diskriminierung von Minderheiten in der Sprache ist das finale Ziel, das es zu erreichen gilt.

Es kam der Einwand, dass in einigen Umfragen für eine Mehrheit der Befragten die Genderdebatte keine wichtige Rolle spielt. Die Frage wurde in den Raum geworfen, ob hier nur eine kleine Minderheit besonders laut in diesem Diskurs ist. Deckers griff dieses Argument auf und führte es weiter aus. Der Diskurs über das Gendern wird vor allem von einer Elite getragen und viele Menschen aus anderen Milieus finden keinen Zugang dazu bzw. haben fehlendes Verständnis für dieses Thema. Aktuell gibt es elementar wichtigere gesellschaftliche Themen, die für die Menschen eine entscheidendere Rolle spielen. Jedoch sollen laut Henkel-Waidhofer vermehrt Anstrengungen unternommen werden, diese Thematik in allen Milieus sichtbar zu machen und die Menschen dort zu erreichen.

2023_07_10 Gendern

Die Kontroverse der Argumente ist während der Veranstaltung deutlich geworden und diese Thematik eignet sich für gesellschaftlich kulturelle Diskussionen. Jedoch ist auch zum Schluss die offene Frage im Raum geblieben, ob diese Thematik für alle in der Gesellschaft einen wichtigen Platz einnimmt und hier nicht nur ein Diskurs der Bildungselite stattfindet.