Quantencomputing – die IBM Perspektive
„Wir müssen wirklich hart an der Arbeit bleiben […], denn der Rest der Welt schläft gerade in diesem Bereich nicht“, formulierte Angela Merkel bei der Einweihung des Quantencomputers in der IBM Niederlassung Ehningen am 15. Juni 2021. Die Arbeit mit dieser Technologie, wobei es sich hier um den ersten Quantencomputer in ganz Europa handelt, hat zweifellos große Bedeutung für die Zukunft von Baden-Württemberg, Deutschland und Europa. Denn dort, wo klassische Computer und sogar Supercomputer versagen, beginnt erst das Einsatzfeld der Quantencomputer. Gänzlich ersetzt werden klassische Computer zwar nicht, dies macht das Quantencomputing als Zukunftstechnologie dennoch nicht weniger relevant.
Den Einstieg machte Joachim A. Langmack als Vorstandsmitglied der Sektion Böblingen/Sindelfingen/Leonberg mit einer kurzen Erzählung über seine Beschäftigung als Werkstudent bei IBM und die damit verbundene verstärkte Kommerzialisierung der Computertechnologie. Zu dieser Zeit wurde von IBM das System/360 gebaut, welches in seinen Augen einer der größten Meilensteine in der Computerentwicklung darstellt.
Anschließend präsentierte Dr. Daniel Unkelhäuser, IBM Niederlassungsleiter von Ehningen, unseren Mitgliedern einige Fakten über den Standort und das Unternehmen. So ist IBM für verschiedene bahnbrechende Erfindungen wie den Magnetstreifen auf Kreditkarten sowie für ihre Innovationen in Gebieten wie KI oder Cloud Computing bekannt. Auch ging er auf das stete Wachstum des IBM Standorts Ehningen ein, auf dem aktuell ein neuer Campus gebaut wird und wohin das Forschungslabor von Böblingen aus verlagert werden soll. Am wichtigsten in der jüngsten Entwicklungsgeschichte der Niederlassung ist allerdings der Import von geistigem Eigentum aus den USA in Form des Quantencomputers, den man vor nunmehr etwa einem Jahr in Ehningen aufgebaut hat. Dr. Unkelhäuser sprach auch die Wichtigkeit des „groß Denkens“ und der Schaffung eines Ökosystems an, bei dem Kontakte zwischen dem Standort und namenhaften Universitäten, Firmen, Start-Ups, Forschungseinrichtungen sowie Politikern aufgebaut werden sollen. Als wichtigsten aktuellen Teil dieses Ökosystems benannte er dabei das sogenannte „Quantum Village Ehningen“. Dabei handelt es sich um eine Kooperation von IBM Ehningen mit der Fraunhofer-Gesellschaft, welche Zugang zum Ehninger Quantencomputer erhält und eines der Gebäude als Quantum & AI Experience Center mietet. Insgesamt stimmte Dr. Unkelhäuser der Ansicht von Angela Merkel zu, dass sich mit der Ansiedlung von Quantentechnologie in Baden-Württemberg eine enorme Chance für die Region, Deutschland wie auch Europa auftut, die aber auch tatsächlich genutzt werden muss, weshalb weitere Kooperationen für den Fortbestand dieser Zukunftstechnologie in Deutschland elementar sind.
Im Anschluss daran gab Konstantin Konson, Quantum Ambassador, einen tieferen Einblick in die dem Quantencomputer zugrundeliegende Technologie. Er begann damit, dass bei der Konzeption von Quantencomputern das Simulieren der Welt als Ziel bestimmt wurde. Das Problem dabei war allerdings, dass die Welt klassisch, eine Simulation allerdings Quantum-bezogen ist. Daher lassen sich solche Simulationen, wie zum Beispiel Wettervorhersagen, nicht von klassischen Computern in annehmbarer Zeit lösen, nicht einmal von Supercomputern. Dies macht den Bau von Quantencomputern notwendig, welche an vergleichbaren Aufgaben nicht scheitern. Probleme in der Routenoptimierung von Transportfahrzeugen zur Fahrzeit- und Treibstoffsenkung kann beispielsweise kein herkömmlicher Computer lösen, bevor es bereits viel zu spät ist. Weitere exponentielle Probleme wie Kryptographie oder das Simulieren von Molekülen zur Materialforschung, lassen sich ebenfalls nicht von klassischen Computern simulieren, ohne dafür Unmengen an Zeit zu brauchen. Ein Quantencomputer ist diesen Herausforderungen allerdings gewachsen, was in der Natur der jeweiligen Computer begründet ist: Ein klassischer Computer arbeitet mit Bits, also Einheiten, deren Zustand entweder 0 oder 1 sein kann. Ein Quantencomputer dagegen basiert auf Quantenbits oder Qubits, die man sich wie die Erdoberfläche vorstellen kann. Die beiden Pole stellen dabei 0 und 1 dar, und ähnlich, wie man an verschiedenen Orten auf der Erde sein kann, hat ein Qubit unendlich viele Zustände, die alle eine Mischung aus 0 und 1 sind. Ein Quantencomputer besitzt mehrere sogenannte Bit Gates, bei der mehrmals hintereinander die „entweder 0 oder 1“-Frage gestellt wird. Für jedes Bit Gate steigt die Anzahl der Dinge, die der Computer maximal simulieren kann. Der Quantencomputer in Ehningen besitzt 127 solcher Qubits – 279 wären nötig, um alle Atome im Universum abzubilden und damit theoretisch das gesamte Universum simulieren zu können. Was Quantencomputer letztendlich produzieren, sind somit Wahrscheinlichkeiten. Dies ist großartig für Simulationen, wodurch klar wird, dass Quantencomputer und klassische Computer verschiedene Einsatzbereiche haben.
Zum Abschluss wurde unseren Mitgliedern eine Besichtigung des viel benannten Quantencomputers ermöglicht, wobei es sich – laienhaft formuliert – um einen etwa menschengroßen Zylinder mit einem Innenleben aus Leitungen und Kühltechnik handelt. Sein Kernstück ist dabei der sogenannte Eagle Chip am Fuße des kronleuchterartigen Gebildes. Dieser hat in etwa die Größe einer 2-Euro-Münze und beinhaltet die 127 Qubits. Unter Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und im Vakuum können so mithilfe dieses kleinen Chips komplexe Simulationen innerhalb von Minuten ausgeführt werden, für die selbst Supercomputer Jahrhunderte benötigen würden.