Ukrainekrieg, Energiekrise und Lieferkettenengpässe – wie kann Baden-Württemberg auf die aktuellen Krisen reagieren?
Ukrainekrieg, Energiekrise und Lieferkettenengpässe – nur selten stand die Bundesrepublik Deutschland und damit auch unsere Heimat Baden-Württemberg vor einer solchen Vielzahl ökonomischer, ökologischer und außenpolitischer Herausforderungen. Wohin steuert Baden-Württemberg in Anbetracht multipler Krisen? Welche politischen Weichenstellungen müssen jetzt getroffen werden, um diesen zu begegnen?
Eine Antwort auf diese Fragen erhielten die Mitglieder des Wirtschaftsrats bei einem digitalen Morning Briefing der Sektion Badisch-Franken. Aufgrund einer dringenden Sitzung der Haushaltskommission wurden die Fraktionsvorsitzenden der Grünen und der CDU, Andreas Schwarz MdL und Manuel Hagel MdL, durch die jeweiligen wirtschaftspolitischen Sprecher Tayfun Tok MdL und Winfried Mack MdL vertreten. Daneben waren auch die beiden Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch MdL (SPD) und Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL (FDP/DVP) zu Gast.
Nach einem Grußwort des Sektionssprechers Johannes Jakob,
begann Tayfun Tok MdL seinen Beitrag mit der Aussage, dass es die Globalisierung so
nicht mehr geben werde, denn unser Wohlstand beruhe maßgeblich auf günstiger Energie.
Zwar hätten wir beispielsweise gut ausgebildete Ingenieure, doch das
baden-württembergische Geschäftsmodell stoße an seine Grenzen. Dass aus
Russland kein günstiges Gas mehr komme, treffe vor allem energieintensive
Unternehmen. Des Weiteren stelle man fest, dass baden-württembergische
Vorzeigeunternehmen wie Porsche oder Mercedes-Benz zunehmend Konkurrenz aus dem
Ausland bekämen.
Bei der aktuellen Krise gehe es aber auch um die liberale Demokratie – es stehe in der Verantwortung aller Parteien, auch die Menschen mit kleinen Geldbeuteln zu unterstützen und so die Wahl von rechten Parteien zu verhindern. Aktuell verliefen die Haushaltsverhandlungen in Baden-Württemberg recht zäh. Das Entlastungspaket hänge wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen. Dennoch sei es richtig, weiter hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung zu tätigen. Neben der Energiekrise müssten auch Antworten auf den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel gefunden werden. „Uns geht’s zu gut“, stellte der Landtagsabgeordnete abschließend fest. Es müsse ein Wandel des Mindsets vonstattengehen, wenn wir weiter an der Spitze bleiben wollten. Dazu müssten Planungsprozesse beschleunigt und wirtschaftliche Akteure zu Investitionen ermutigt werden.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Winfried Mack MdL, stimmte seinem Kollegen Tayfun Tok MdL in der Einschätzung zu, dass man aktuell in einer sehr schwierigen Situation sei. Der russische Angriffskrieg werde nicht schnell vorbei sein. Es deute sich an, dass der übernächste Winter besonders schwer werden wird. Bei der aktuellen Krise handele es sich vor allem um eine Angebotskrise, die bewältigt werden müsse. Das Bürgergeld sei dabei der völlig falsche Impuls. Es gelte, weiterhin auf die internationale Zusammenarbeit zu setzen, um so den wirtschaftlichen Erfolg fortführen zu können, denn die Auftragsbücher der baden-württembergischen Firmen seien nach wie vor voll.
Als Lösung der Energiekrise sieht Mack weniger einen Gaspreisdeckel, sondern vielmehr eine Angebotserhöhung durch den Weiterbetrieb von AKW und Kohlekraftwerken. Aber auch die Energienachfrage müsse sinken, um den hohen Preisen begegnen zu können. Ein weiterer Mechanismus wäre, die Steuern auf Energie zu senken. Derzeit warte man noch auf eine Reaktion des Bundes, um dann auch landespolitische Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Vor allem die Inflationsbekämpfung müsse bei allem Vorrang haben. Daneben bestünden aber auch ehrgeizige Klimaziele. Der Weg zur Klimaneutralität werde unabhängig von der Politik von Unternehmen bereits beschritten. Die Politik müsse jedoch die richtigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen und beispielsweise den Einsatz von Wasserstoff ermöglichen. Die Planungsbeschleunigung, wie sie beim Ausbau der LNG-Terminals an den Tag gelegt werde, brauche es auch bei anderen Infrastrukturprojekten. Man müsse eine Kultur des Ermöglichens schaffen, beendete Mack seinen Impuls.
Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Andreas Stoch MdL, sieht Deutschland in einer extrem schwierigen Situation. Deshalb sei es angebracht, über parteipolitische Grenzen hinweg, gemeinsame Lösungen zu suchen. Wichtig sei dabei auch, wie die Bürgerinnen und Bürger die aktuelle Krisenbewältigung aufnehmen. Eine zu schlechte Stimmung und die damit verbundene Kaufzurückhaltung würden der Wirtschaft enorm schaden, jedoch sollte man die Lage selbstverständlich auch nicht beschönigen. Die Problematik der Transformation hin zur Klimaneutralität sei schon vor der aktuellen Krise bekannt gewesen. Auch der Fachkräftemangel sei unabhängig davon ein Problem. Man habe sich in Sachen Energie in eine zu starke Abhängigkeit von Russland begeben und von den günstigen Preisen profitiert. Nun sei die Situation eine völlig andere, denn Putin setze Energie als Waffe ein. Für Deutschland gelte daher, Alternativen zu suchen und sich resistenter und resilienter aufzustellen. In diesem Zuge habe die Debatte über die Kernkraft zu viel Raum eingenommen, denn AKW seien höchstens eine Back-up Lösung. Stoch erachtete zudem eine Deckelung der Preise für Unternehmen und Privatpersonen als nötig. Der Einsatz von Wasserstoff werde kurzfristig die Versorgungsproblematik auch nicht lösen können.
Neben der Energiekrise betonte der SPD-Abgeordnete, dass man auch andere Themen nicht vergessen dürfe. In der Vergangenheit seien Corona-Hilfen in Milliarden-Höhe innerhalb kürzester Zeit beschlossen worden, weshalb er kein Verständnis dafür habe, dass die Landesregierung mit ihren Maßnahmen auf den Bund wartete. Hinzu komme, dass das Land gerade enorme Mehreinnahme habe und somit genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden.
Auch der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL, kam zunächst auf das Energiethema zu sprechen. Er befürwortete den Weiterbetrieb der AKW – auch über den 15. April 2023 hinaus. Die Debatte um AKW werde auch mit diesem Datum nicht enden, denn es werde sich zeigen, dass wir auf diese Energiequelle kaum verzichten könnten. Die Kernenergie sei keinesfalls die Königslösung, doch habe man im Alleingang beschlossen, aus den fossilen Energien und der Kernkraft auszusteigen und dabei den Ausbau der Erneuerbaren zu positiv gesehen. Der Weg hin zu erneuerbaren Energien sei aber auf jeden Fall richtig.
Durch die aktuelle Energiekrise seien die Grundlagen des Wohlstands in Baden-Württemberg als rohstoffarmes Land massiv bedroht. Auch die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems habe in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Dr. Rülke kritisierte eine falsche Bildungspolitik und sprach sich für das Leistungsprinzip sowie ein gegliedertes Schulsystem aus. Auch er betonte, ähnlich wie sein Vorredner, dass das Land mit Hilfsmaßnahmen nicht auf den Bund warten solle – gerade nicht, wenn man über so viele finanzielle Ressourcen wie Baden-Württemberg verfüge. Er schlug daher vor, die Wirtschaft mit einem umgewidmeten Corona-Fond zu unterstützen und so Darlehen zur Überbrückung bereitzustellen.
Im Anschluss an die Impulse konnten die Mitglieder noch Fragen an die Referenten stellen.