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Positionspapier
02.04.2024
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Impulse für die Immobilien- und Baupolitik in Baden-Württemberg

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Galt die Bauindustrie lange Zeit als entscheidende Stütze der Konjunktur, hat sich die Branche mittlerweile zum Sorgenkind entwickelt. Zahlreiche Hemmfaktoren wie ein anhaltender Material- und vor allem Fachkräftemangel, gestiegene Energie- und Personalkosten sowie hohe Zinsen bedingen eine bisher beispiellose Bau- und Wohnungskrise, die das Bauhauptgewerbe stark belastet und zahlreiche Unternehmen an ihre Grenzen bringt.

Gleichwohl die Politik sich angesichts dieser Ausnahmesituation um Entlastungen bemühen sollte, senden immer umfangreichere bürokratische Anforderungen auf nationaler und europäischer Ebene wie etwa die schrittweise Einführung der sogenannten ESG-Kriterien eher ein gegensätzliches Signal. Infolgedessen rechnen zahlreiche Experten für 2024 sogar mit einem weiteren Rückgang der Bautätigkeiten, was insbesondere vor dem Hintergrund des akuten Wohnungsmangels in den Ballungsräumen über hohen gesellschaftlichen Zündstoff verfügt.

Infolgedessen hat die Landesfachkommission Immobilien- und Baupolitik des Wirtschaftsrats der CDU e.V. dieses Positionspapier erarbeitet, um einige zentrale Impulse an die Verantwortlichen in Land und Bund heranzutragen.

Unnötige Bürokratie und Überregulierungen vermeiden

Statt Aufträge zu akquirieren und zu verhandeln, Bauprojekte zu managen sowie das Personal zu führen, sind viele Bauunternehmer vornehmlich damit beschäftigt, die immer neuen gesetzgeberischen Anforderungen zu verinnerlichen und umzusetzen. Diese Bürokratieflut, die in komplett an der Praxis vorbeiführenden Regelungen wie etwa der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) gipfelt, gefährdet nicht nur Unternehmermut und Innovationsgeist, sondern treibt darüber hinaus die Kosten für Bauprojekte in die Höhe. Damit konterkariert sie unter anderem die Forderungen der Bundesregierung nach bezahlbarem Wohnraum und einer Erweiterung bestehender Infrastruktur.

Daher fordert die Landesfachkommission, Bauvorschriften und Baunormen zu reduzieren und wenn möglich einheitliche und real umsetzbare Standards zu schaffen. Besonderes Augenmerk ist in diesem Kontext zudem darauf zu richten, die Qualität der öffentlichen Verwaltung langfristig zu verbessern, da ineffiziente und langsame Behörden die negativen Auswirkungen des Hemmschuhs Bürokratie sogar noch weiter verschärfen.

Mehr Digitalisierung wagen

Wer Bürokratieabbau will, muss sich nahezu zwangsläufig auch mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen. So bietet der umfassende Einsatz digitaler Technologien in der öffentlichen Bauverwaltung zahlreiche Chancen, bisher langwierige Antragsverfahren erheblich zu beschleunigen und damit Unternehmer aus der Immobilien- und Baubranche nachhaltig zu entlasten. Gleichwohl hierbei mit einigen vielversprechenden Ansätzen wie etwa der testweisen Nutzung des Building Information Modelings (kurz BIM) bereits Schritte in die richtige Richtung unternommen wurden, steht der Digitalisierungsgrad im öffentlichen Dienst noch immer weit hinter anderen europäischen Partnerstaaten zurück.

Daher fordert die Landesfachkommission die Politik auf, die Digitalisierung in den Baubehörden endlich zu forcieren. Hierbei sollten vorerst einige ausgewählte Ämter eine umfassende finanzielle und technische Ausstattung erhalten, um in der Folge neue Ideen und Verfahren testen zu können. Anschließend können die aus diesen Pilotprojekten gewonnenen Erkenntnisse schablonenhaft herangezogen werden, um die Digitalisierung auch in den übrigen Baubehörden effektiv voranzutreiben. Darüber hinaus müssen die Verantwortlichen aus Bund und Land ihre bisher demonstrierte Zurückhaltung endgültig ablegen und sich zur Technologieoffenheit bekennen. Neuartige Verfahren wie Robotik und Künstliche Intelligenz (kurz KI) könnten nämlich nicht nur der Bauindustrie zu Gute kommen, sondern verfügen zusätzlich auch über das Potential, die Arbeitsbelastung für Behördenmitarbeiter in erheblichem Maße zu reduzieren.

Durchdachte Förderungsprogramme und wirksame Steuererleichterungen

Entgegen den Ratschlägen zahlreicher Experten und Fachleute setzen die Verantwortlichen in Bund und Land bisher vor allem auf die Schaffung zahlreicher, an komplizierte Anforderungen gebundener, Förderungsprogramme, um der Immobilien- und Baubranche, die mit ihren über 42.000 Beschäftigten einen der bedeutendsten Wirtschaftszweige im Ländle darstellt, unter die Arme zu greifen. Allerdings hat spätestens das Chaos rund um die Neubauförderung für KfW-40-Häuser, die nur drei Stunden nach ihrem Start im April 2022 wieder eingestellt werden musste, gezeigt, dass derartige Programme nicht einfach unüberlegt und überhastet aufgesetzt werden dürfen, sondern bezüglich ihrer Ausgestaltung und Zielsetzung genau bedacht werden müssen. Andernfalls droht nämlich die Gefahr, dass die Förderungen ungeachtet ihrer zweifellos hehren Ziele in der Bevölkerung und in der Wirtschaft für erhebliche Unruhe sorgen und vor allem das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Staates nachhaltig erschüttern.

Daher fordert die Landesfachkommission die Politik dazu auf, bei der Auswahl geeigneter Programme mehr Sorgsamkeit an den Tag zu legen und bei deren Verwirklichung primär darauf zu achten, dass die Förderungen einerseits Planungssicherheit für potentielle Bauherren garantieren und sich andererseits auch positiv auf die Auftragslage von Unternehmen auswirken. Sinnhaft erscheinen in diesem Kontext insbesondere auch Steuererleichterungen wie etwa eine zeitweise Aussetzung der Grunderwerbssteuer, da ein solcher Schritt dem Bausektor in diesen komplizierten Zeiten Luft verschaffen könnte.

Dem Fach- und Arbeitskräftemangel begegnen

Ähnlich wie etwa die Gastronomie oder auch die Pflege, leidet auch die Immobilien- und Bauwirtschaft unter der Problematik, dass viele freie Stellen nicht mehr besetzt werden können. Angesichts des voranschreitenden demographischen Wandels steht darüber hinaus außer Frage, dass diese unglückselige Entwicklung ohne kontrollierten Zuzug aus Ausland kaum aufzuhalten sein wird und sich im Gegenteil in Zukunft sogar noch verschlimmern dürfte.

Daher fordert die Landesfachkommission die Politik dazu auf, die Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland für ausländische Arbeitskräfte erhöhen, indem beispielsweise die Erteilung der Arbeitserlaubnis für qualifizierte Facharbeiter vereinfacht wird. Zudem sollten Arbeitswillige mit auslaufender Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr abgeschoben werden.

Die ESG-Kriterien - Keine Nachhaltigkeit ohne Wettbewerbsfähigkeit

Es steht angesichts einer immer weiter voranschreitenden Erderwärmung außer Frage, dass es weitreichender Maßnahmen zum Kampf gegen den Klimawandel bedarf. Insbesondere der Bau- und Immobilienbranche, die weltweit für circa 40% aller Co2-Emmissionen verantwortlich ist, steht in diesem Kontext besonders in der Verantwortung. Infolgedessen unterstützt die Landesfachkommission die Pläne der Bundesregierung zur Etablierung der sogenannten ESG-Kriterien (Akronym für Environmental, Social and Governance), die zweifelsohne einen bedeutsamen Schritt zu einer nachhaltigeren und umweltbewussteren Bauwirtschaft darstellen. Nichtsdestotrotz besteht hierbei die Gefahr, dass genannte Kriterien, die etwa durch Maßgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden sowohl Bestands- als auch Neubauten betreffen, durch eine zu strenge Auslegung in erster Linie nicht etwa zu einem besseren ökologischen Fußabdruck, sondern zu einer Mehrbelastung der Unternehmen führen.

Daher fordert die Landesfachkommission die Politik dazu auf, sich insbesondere auf der europäischen Ebene dafür einzusetzen, dass die im Kontext der ESG-Kriterien formulierten Anforderungen auch tatsächlich praktisch umsetzbar bleiben. Hierbei sollte eine systematische Standardisierung übertrieben detaillierten und kleinteiligen „Insellösungen“ vorgezogen werden. In diesem Kontext erscheint es außerdem von substantieller Bedeutung, den Unternehmen langfristige Zielkorridore zu setzen, die diese im Sinne der freien Marktwirtschaft individuell ausgestalten und erfüllen können. Ansonsten droht ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenzunternehmen aus dem nichteuropäischen Ausland.

Zusammenfassung

Angesichts der beispiellosen Krise, in der sich die heimische Immobilien- und Bauwirtschaft aktuell befindet, fordert die Landesfachkommission die Politik dazu auf, nicht länger untätig zu bleiben, sondern umfassende Maßnahmen zur Stabilisierung der Branche in die Wege zu leiten. So bedarf es insbesondere einem Abbau der überbordenden Bürokratie, verstärkter Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung, intelligenter Förderungsprogramme für Bauwillige, der Erhöhung der Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland sowie der Etablierung umsetzbarer ESG-Kriterien, die keine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Bausektors darstellen.

Der Wirtschaftsrat und die Landesfachkommission Immobilien- und Baupolitik in Baden-Württemberg

Der Wirtschaftsrat der CDU e. V. ist mit über 12.000 Mitgliedern der größte Unternehmerverband in Europa. Unsere Mitglieder sind Unternehmer und Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene. Der Landesverband Baden-Württemberg bildet mit seinen 2.700 Mitgliedern in 27 Sektionen den mit Abstand größten Landesverband in Deutschland.
Wir überzeugen aufgrund profunder inhaltlicher Arbeit in acht Fachkommissionen, sind mit über 300 Veranstaltungen im Jahr bestens vernetzt und setzen dank aktueller und innovativer Themen parteiübergreifend immer wieder Akzente in der wirtschaftspolitischen Entwicklung unseres Landes.

Das Mandat der Landesfachkommission liegt insbesondere in der Analyse und Bewertung von Auswirkungen der politischen Entscheidungen auf die Immobilien- und Baubranche in Baden-Württemberg sowie in der Entwicklung von Vorschlägen zur Positionierung des Sektors in Land und Bund. Dabei spielt die Förderung des Verständnisses über die Aufgaben und Funktionen sowie die Rahmenbedingungen, in welchen diese Unternehmen im Land operieren, eine zentrale Rolle. Vorsitzende der Kommission sind Dr. Albert Dürr, Geschäftsführender Gesellschafter der WOLFF & MÜLLER Holding GmbH & Co. KG sowie Christian Albrings, Vorstand der albrings + müller ag.