„Bremen ist besser als wir es darstellen“
Nicht nur die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen, das kulturelle Angebot oder die Qualität der Schulen sind für die Attraktivität eines Standortes von Bedeutung. Auch weiche Faktoren wie ein einladendes Freizeitangebot oder eine gewachsene und abwechslungsreiche Club-, Gastro- und Restaurantszene tragen dazu bei, dass sich (junge) Fach- und Arbeitskräfte ansiedeln.
Wie es darum in
Bremen bestellt ist, wollte der Junge Wirtschafstrat Bremen bei einem Diskussionsabend
mit Vertretern der Branche und der Politik herausfinden. Miriam Benz stellte als Landesvorsitzende und Moderatorin des
Abends Staatsrat Jan Fries als Vertreter der Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und
Sport zu Beginn die Frage, welche Note er Bremen in dieser Hinsicht geben
würde.
Fries fand es
schwierig, hier mit einer Note zu antworten, räumte als gebürtiger Bremer aber
ein, dass die Club- und Gastroszene sicher nicht das Erste sei, das Menschen
mit Bremen in Verbindung brächten. Sicher gebe es hier noch Luft nach oben. Man
müsse sich fragen, was andere Städte hier anders machten.
Differenzierter fiel die Antwort von Tobias Meisner aus, Geschäftsführer des Eventveranstalters TEAM MEISNER GmbH. Der Clubszene gab er eine glatte Sechs. In der Gastroszene hingegen habe sich enorm viel getan. Als Beispiele nannte der das Q1, das Riva, das Chapeau la Vache oder die neuen Aktivitäten auf der Überseeinsel und im neuen Zech-Gebäude in der Überseestadt. Auch in der Barszene verzeichnete Meisner eine positive Entwicklung, kritisierte aber, dass oftmals bereits um 02:00 Uhr die „Last Order“ ausgerufen werde. Es gebe zudem eine vorzeigbare Subszene im elektronischen Bereich und After Work-Angebote, beispielsweise in der Meierei oder am Lankenauer Höft.
Theo Bührmann brach eine Lanze für seine Heimatstadt: „Bremen ist
besser als wir es darstellen“, sagte der Geschäftsführer der Bührmann Gruppe
GmbH. Es sei nun einmal keine Metropole wie Hamburg. Dafür gebe es hier aber
auch keine täglichen Staus in der Innenstadt und eine wirklich gute
Gastronomie. Viele Gäste seien begeistert von Bremen.
Dem pflichtete Paul-Alexander
Völcker bei. Bremen sei nicht
Frankfurt oder Berlin, wo er zuvor tätig gewesen sei. Der Geschäftsführer der
Q1 Gastronomie GmbH gab aber zu bedenken, dass selbst sein erfolgreiches Q1 zum
Großteil von innerstädtischen Gästen und von Besuchern aus dem Bremer Umland lebe,
weniger von Touristen. Er zeigte sich erstaunt über die schnelle positive
Entwicklung des „Justus“ im Tabakquartier, räumte aber ein, dass viele Dinge,
die in anderen Städten funktionierten, in Bremen nicht umsetzbar seien. Mit
Theo Bührmann sei er sich aber auch einig darin, dass man sich nicht ständig
mit Hamburg vergleichen dürfe.
Auf die Frage,
wohin junge Menschen heutzutage zum Tanzen gingen, gab Jan Fries zu bedenken,
wieso bei einer offensichtlich vorhandenen Nachfrage das Angebot an
entsprechenden Locations nicht in gleicher Weise steige. Müsse etwa der Staat,
ähnlich wie bei der Subvention von Theatertickets, auch die Clubszene
unterstützen? Er sah die staatliche Verantwortung eher in den Bereichen des Lärmschutzes
oder des Baurechts. Hier müsse es punktuelle Erleichterungen geben. Tobias
Meisner pflichtete dem bei und beklagte behördliche Auflagen für sanitäre
Anlagen. Er beobachte zudem, dass junge Leute vermehrt nach Oldenburg statt
nach Bremen fahren, wenn es um angesagte Clubs gehe.
Alle
Branchenvertreter beklagten den großen Einfluss von Familien-Clans mit
kurdischen Wurzeln oder aus dem Libanon auf die Club-Szene.
Schutzgeld-Forderungen habe es davor bereits durch die Hells Angels und die
Bandidos gegeben, nun aber gehe niemand mehr das Risiko ein, neue Clubs zu
eröffnen. Deshalb das begrenzte Angebot. Der Staat müsse daher die Sicherheit
gewähren, auch durch Präsenz. Jan Fries verwies in diesem Zusammenhang auf das
Beispiel Nordrhein-Westfalen und die dortige Politik von Innenminister Herbert
Reul und forderte zur Bekämpfung von Geldwäsche die Höhe der
Bargeldtransaktionen zu begrenzen.
Auch sei es für die
Club- und Restaurantbetreiber heute weitaus schwieriger, auf ihre Angebote
aufmerksam zu machen, da es kein gedrucktes „Zentralorgan“ für Veranstaltungen mehr
gebe. Stattdessen verlagere sich alles in den Online-Bereich, der aber stark
fragmentiert sei. Es fehle ein zentraler Online-Kalender. Aktuell müsse man in
allen Social Media-Kanälen präsent sein, um alle Alterszielgruppen zu
erreichen.
Alle Beteiligten
hoben schließlich hervor, dass es auch eine Holschuld der Kunden gebe. Sie
müssten ihren Kiez kennenlernen. Und es brauche eine stärkere Kultur des
Essengehens, es brauche Lust am Ausgehen. Dies sei aber auch eine Frage der
Lebensfreude. Und damit einher gehe auch ein gesteigertes Bewusstsein für die
Wertigkeit von Nahrungsmitteln. Dies beginne bereits, wenn Kita- und Schulessen
nur noch 2, 50 Euro kosten dürften und Ausschreibungen dann an den
Billigstbietenden vergeben würden. Auch hier könne der Staat durch die
Gestaltung der Ausschreibungen ein Zeichen setzen und einen Kulturwandel
einleiten.