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Bericht
26.05.2021
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Aus den Ländern (Bremen) - Österreich: Der unbekannte Nachbar

Tagung des Wirtschaftsrates Bremen zu Außenhandelsbeziehungen mit Österreich.
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Die geografische Nähe und Gleichsprachigkeit machen Österreich zu einem beliebten privat-touristischen Ziel für viele Deutsche. Österreich lockt mit einer reichen Kultur und wundervollen Natur- und Städtelandschaften. Es ist aber auch ein Land, das hochinteressante Handelsbedingungen für deutsche Unternehmer bietet. Wichtig ist, die örtlichen Geschäftsgebaren, Gepflogenheiten und rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und zu beachten, um in Österreich überhaupt ins Geschäft kommen zu können. Andernfalls kann es herausfordernd sein, in unserem Nachbarland unternehmerisch Fuß zu fassen. Die Veranstaltung „Österreich: Der unbekannte Nachbar“ befasste sich deswegen mit genau diesen Themen und gab wichtige Einblicke in die Gemütslage der Österreicher und praktische Tipps für Unternehmer, damit Missverständnisse mit österreichischen Geschäftspartnern von vorn herein vermieden werden.


Nach einleitenden Worten von Arnulf Gressel, Handelsattaché bei der Österreichischen Botschaft Berlin,  gab Thomas Gindele, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich (AHK Österreich), wichtige Einblicke in die wirtschaftliche Verfassung des Landes. Christian Leopold und Werner Pöser, beide Geschäftsführer der CHS Container Handel GmbH in Bremen, teilten ihre praktischen Erfahrungen, die sie mit Firmengründungen in Österreich gesammelt haben.

 
Thomas Gindele startete seinen Vortrag mit wirtschaftlichen Fakten zu Österreich. Das Land sei im Außenhandel eng an Deutschland gebunden. Deutschland allein nehme Österreich etwa ein Drittel seiner Exporte ab. Kaum ein österreichisches Unternehmen könne es sich daher leisten, mit Deutschland keinen Handel zu betreiben. Die Deutschen seien seit jeher mit den Österreichern im Handel verbunden, die wirtschaftlichen Beziehungen exzellent. Deutschland betreibe mit dem südlichen Nachbarland mehr Handel, als mit Russland und Indien zusammen. Die enormen Investitionen, die Deutschland in Österreich getätigt hat, seien hiervon noch ausgenommen. 20 Prozent der Beschäftigten in Österreich sind im Automobil- und Pharmabereich beschäftigt. Österreich sei dafür mit 10 Prozent am deutschen Handelsbilanzüberschuss beteiligt. Die Industrielandschaft sei vielfältig und stark vom Mittelstand geprägt. Das müsse man bei geschäftlichen Kontakten mit Österreich zu beachten.


Die Situation sei vergleichbar mit unseren südlichsten Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern. Österreich sei ein hoch-innovatives Land, jedoch kein Billiglohnland. Die Arbeitskosten seien  vorgegeben, die Qualität der Waren dafür hervorragend. Es gebe viele akademisch gebildete Arbeitnehmer, und das berufliche Ausbildungssystem sei, wie das deutsche, dual und ausgezeichnet. Das Land sei rohstoffarm und weise bei der CO2-Reduktion ähnlichen Werte auf wie Deutschland, setze hierbei jedoch eher auf Wasserkraft. Ein wichtiger Unterschied zu Deutschland liege allerdings in seiner deutlich zentralistischen Organisation. 


Beachtenswert scheinen zudem deutliche sozio-kulturelle und rechtliche Unterschiede. Insbesondere im Arbeits- und Sozialrecht herrsche keine Gleichheit. Wer mit Österreichern in Kontakt treten und mit ihnen zusammenarbeiten wolle, müsse den anderen institutionellen Rahmen berücksichtigen. Den Österreichern sei es zudem äußerst wichtig, nicht als ident zu Deutschland wahrgenommen zu werden oder gar als 17. Bundesland. In Deutschland neige man eher zur Direktheit, in Österreich sei man dagegen unverbindlicher. Es lohne sich, sprachlich etwas weicher zu sein. Man solle daher unter keinen Umständen besserwisserisch oder mit technologischem Dominanzgebaren auftreten. Der richtige Kontakt sei sehr wertvoll, und es sei äußerst wichtig, sich zu vernetzen. Das gemeinsame Essengehen sollte dabei als Selbstverständlichkeit der österreichischen Geschäftskultur verstanden werden. Es sei wichtig, hierbei höflich und diplomatisch vorzugehen, nicht anzugreifen und sich auch einfach mal zurückzunehmen, um dem Kontakt den Vortritt zu geben. Niemals sollte man sich als überlegen darstellen. 


Sich zukünftig mit Österreich auseinanderzusetzen lohne sich. Es gebe in Gesamtdeutschland noch sehr viel Potenzial für die Zusammenarbeit. Im Augenblick seien 40 % der deutsch-österreichischen Handelsbeziehungen durch Baden-Württemberg und Bayern verursacht. Das Land habe zudem die Pandemie mit 10 % Außenhandelseinbruch wirtschaftlich etwas schwieriger durchlebt als Deutschland, was auch durch Konflikte, wie etwa Grenzschließungen, verursacht war.

 
Werner Poeser und Christian Leopold konnten diese Einschätzungen bestätigen. Sie teilten ihre Erfahrungen über ihre unternehmerische Expansion nach Österreich. Diese sei in zwei Phasen verlaufen. Die arrivierten Bremer Unternehmer hätten hierbei wichtige Erfahrungen im passenden Umgang mit den Österreichern gesammelt. Die CS Container GmbH sei 1978 gegründet worden, als Reparaturunternehmen für See- und Frachtcontainer. Heute beschäftige das Unternehmen  weltweit ca. 300 Mitarbeiter, 180 davon in Bremen. Es entwickelte sich von einem reinen Reparaturunternehmen zu einem weltweit operierenden Containerhandelsunternehmen, das auch Bauelemente für Kitas und Flüchtlinge zur Verfügung stelle, mit Produktion auch in Asien und Süd-Amerika. Die Expansion nach Österreich sei schwierig verlaufen, weil es einige relevante Unterschiede zu beachten galt. Aktuell sei dies aber gelungen, mit einer Gründung im April dieses Jahres.


Der Markt sei aufgrund der Flexibilität vieler Mittelständer und einer großartigen Anbindung an Ost- und Südosteuropa sehr interessant.. Wien  als überragender Logistikstandort, Österreich zudem sehr exportorientiert, weshalb der Bedarf an Seecontainern sehr hoch sei. Wien sei aber auch sehr speziell und anspruchsvoll. Der erste Versuch, dem dortigen Markt beizutreten, sei erfolgreich aus der Ferne aus Salzburg verlaufen. In 2012 sei die Firma aber wieder abgegeben worden. Österreich habe eine anspruchsvolle Verwaltung, man könne sich aber auf ein Wort verlassen, und habe man erst einmal die unternehmerische Kugel ins Rollen gebracht, dann funktioniere die weitere Kooperation einwandfrei.


Die Kunden seien  vielversprechend, die Akquisition aber schwierig, da die Österreicher zunächst gerne unter sich blieben. Die umsatzsteuerliche Registrierung und das Umsatzsteuerrecht gelten zudem als komplex. Praktische Erfahrungen und persönliche Beziehungen seien sehr wichtig. Es lohne sich, hier etwas Zeit zu investieren. Auch sei es hilfreich, einige örtliche Redewendungen zu kennen und anzuwenden. Die Sprache biete einige Unterschiede. Diese gekonnt in Meetings einzusetzen, sei stets freundschaftlich aufgenommen worden. Es sei nicht falsch, sich ein kleines Lexikon mit österreichischen Redensarten anzulegen um diesbezüglich etwas Versiertheit zu erlangen. 


Zu beachten sei unbedingt die Lohngestaltung, die in Österreich rechtlich anders geregelt ist. Es müsse mit 14 Monatsgehältern gerechnet werden, die der Arbeitgeber zu entrichten habe. Eine weitere Besonderheit, die Pflicht, einen Gesellschaftsvertrag nur bei einem österreichischen Notar unterschreiben lassen zu können, damit eine Firmengründung durchgeführt werden könne. Es scheint es sinnvoll sich einen Berater zu holen, die Deutsche Handelskammer sei hier zu empfehlen.