„Der Investitionsstandort Deutschland ist geschliffen!“
Beim ersten Bremer Business Lunch des Jahres konnte Sektionssprecher Matthias Blümel mit Folker Hellmeyer einen langjährigen Wegbegleiter des Wirtschaftsrates begrüßen. Und der meinungsstarke Chefanalyst der Netfonds AG enttäuschte seine 40 Zuhörer nicht.
Angesichts der Horrorszenarien aus dem letzten Jahr sei die Aussicht, dass die Rezession nicht so heftig ausfallen werde, wie befürchtet, ja schon fast beruhigend. Daran habe das Rettungspaket in Höhe von 200 Milliarden Euro einen erheblichen Anteil. Er unterstütze dieses Paket ausdrücklich, auch wenn es rein konsumtive Zwecke erfülle, so Hellmeyer. Es dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kapitalstock der deutschen Volkswirtschaft massiv geschrumpft sei. Und klar sei auch: Deutschland war bereits vor dem Ukrainekrieg der teuerste Industriestandort weltweit, die Situation habe sich seither verschärft.
Deutschland hätte
sich daher lediglich Zeit gekauft. Denn: Die eigentlichen Probleme seien
natürlich nicht gelöst. Es gebe keine neue Normalität. Das Vertrauen der
Unternehmen in die deutsche Wirtschaftspolitik sei massiv erschüttert. Und
dieses Vertrauen müsse nun erst wieder verdient werden. Die Zeit müsse jetzt
genutzt werden, um Deutschland wieder konkurrenzfähig zu machen.
„Ohne Energie geht es nun mal nicht“, deklamierte Hellmeyer, „doch die aktuelle Strategie der Bundesregierung verursacht Gaspreise, die drei- bis viermal so hoch sind wie vor dem Krieg. Schon das Jahr 2022 hätte reale Einkommensverluste von 4,5 % gebracht; die Lohnsumme sei um einen dreistelligen Milliardenbetrag zurückgegangen. Der Analyst kam zum Ergebnis: „Der Investitionsstandort Deutschland ist geschliffen!“
Doch was passiere mit Europa, wenn Deutschland falle? Europa falle mit. Deutschland könne sich dann den teuren Sozialstaat der Gegenwart nicht mehr leisten. Es fänden Abschreibungen auf den Kapitalstock statt, die durch Ersatzinvestitionen in gleicher Höhe ersetzt werden müssten. Doch dies geschehe bei mangelndem Vertrauen nicht, was zu Wohlstandsverlusten führe. Dies wiederum gefährde die Stabilität der Gesellschaft als Ganzes. Er erinnerte damit an die Situation zu Beginn der 1930er Jahre und verband dies mit einem dringenden Appell an die Bundesregierung, insbesondere den Kanzler, den Wirtschaftsminister sowie die Außenministerin.
Ausdrücklich
betonte Hellmeyer, er unterstütze die grüne Transition, diese dürfe aber nicht
ideologiegetrieben sein. Die Grundlagen der Ökonomie dürften nicht außer Kraft
gesetzt werden.
Wohin die hohen
Energiepreise mittlerweile bereits geführt hätten, machte Hellmeyer
eindringlich deutlich: „Die USA werben mit ihren günstigen Energiepreisen, die
nur 20 % der hiesigen Kosten betragen, Unternehmen ab. Das führt letztendlich
auch zu einem Braindrain, wie an den jüngsten Investitionsentscheidungen von
BASF und Bosch zu sehen ist.“ Deutschland biete diesen Unternehmen keine
Möglichkeit, wettbewerbsfähig zu sein.
Wenn die Geschichte eines gelehrt hätte, dann sei dies: „Immer wenn Deutschland pragmatisch geführt wurde, hat es Deutschland und der Welt gut getan; wurde es ideologisch geführt, war dies zum Nachteil für Deutschland und die Welt.“
In Bezug auf den
Ukrainekrieg wagte Hellmeyer eine Prognose: Die Ostgebiete und die Krim würden
nicht bei der Ukraine verbleiben. Erforderlich sei Diplomatie mit dem besten
Personal. Doch aktuell sei er besorgt wie noch nie zuvor; nicht um sich, sondern um die aktuelle junge
Generation und die zukünftige. Dabei sei der Wille erforderlich, den Standort
wirtschaftlich zu reformieren. Da denke er insbesondere an die Bildungspolitik;
diese sei schließlich eine Investition in die Zukunft!
„Ohne ökonomische Zukunft keine Demokratie!“, schloss Hellmeyer. Doch er beobachte, dass die Jugendlichen in den aufstrebenden Ländern „hungriger“ seien und den Erfolg wollten. Und werde in Deutschland überhaupt noch investiert? Das sei die große Frage. Er sehe, dass Unternehmen gingen und Standorte in Deutschland und Europa aufgäben. Zudem finde im Land keine Würdigung von Leistungsträgern mehr statt. Das alles stimme ihn pessimistisch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.