„Der Justiz in Bremen fehlen Köpfe“
Beim jüngsten Business Lunch in Bremen ging es um das Justizsystem im Bundesland. Für einen Einblick konnte der stellvertretende Sektionsvorsitzende Florian Würzburg den Vorsitzenden des Bremischen Richterbundes Benjamin Bünemann begrüßen.
Bünemann hat das Amt des Vorsitzenden seit Herbst 2022 inne. Der Bremische Richterbund ist ein neutraler Verein mit mittlerweile 260 Mitgliedern und damit der mit Abstand größte Berufsverband der Richter und Staatsanwälte in Bremen. Besonders in den letzten zehn Jahren hat der Verein an Bedeutung gewonnen, betonte der Gastredner.
Auftrag des Verbunds seien die Sicherung und der Ausbau des freiheitlichen und sozialen Rechtsstaats. Themen im Bundesverband seien teilweise auch politische Entscheidungen. Als Beispiel nannte Bünemann die geplante Legalisierung von Cannabis, die natürlich auch rechtliche Änderungen mit sich bringe. Ein weiteres Anliegen des bremischen Richterbunds sei die angemessene Besoldung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Bünemann sagte, dass eine gute Justiz ein Faktor für Unternehmen sein könne, sich für oder gegen den Standort Bremen zu entscheiden.
In Bezug auf die Bremer Justiz betonte Bünemann, dass „nicht alles schlecht sei“. Ein großes Problem sei allerdings der Personalmangel. Dadurch würden sich viele Vorgänge verlängern. Bünemann verwies in diesem Zusammenhang auf die EncroChat-Prozesse. Der verschlüsselte Chat war vor allem von der organisierten Kriminalität zur Kommunikation genutzt worden. Frankreich und den Niederlanden war es 2020 gemeinsam gelungen, dieses System zu knacken, wodurch bei der Planung und der Absprache der kriminellen Organisationen mitgehört und gelesen werden konnte. Dies führte zur Aufdeckung von etlichen Straftaten. In Bremen kam es im Zuge dessen zu über 60 Verurteilungen, wobei die Angeklagten im Durchschnitt etwa sechs Jahre ins Gefängnis mussten. Es handle sich also nicht um Kleinigkeiten, betonte Bünemann. Um diese Flut an großen Verfahren bewältigen zu können, brauche es jedoch deutlich mehr Personal.
Ein weiteres Problem, mit dem die bremische Justiz zu kämpfen habe, seien die sogenannten Massenverfahren. Dabei handle es sich um von Klagen, die in Kanzleien gesammelt und angefertigt würden. Beispiel hierfür seien Klagen mit Bezug zum Abgasskandal. Es handle sich um ein spezialisiertes Massenverfahren, das teilweise bereits mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeite. In Bremen werde KI noch nicht angewendet. Damit werde man sich aber in Zukunft auseinandersetzen müssen.
„Der Justiz in Bremen fehlen Köpfe, um diese Herausforderungen vernünftig bewältigen zu können“, so Bünemann. Er wies auf ein System zur Personalbedarfsberechnung für die deutschen Justizbehörden namens „PEBB§Y“ hin. Dort werde geprüft, wie viel Zeit eine bestimmte Tätigkeit im Justizablauf in etwa benötigt. Auf dieser Basis werde dann der tatsächliche Personalbedarf berechnet. In Bremen liege die Personalstärke bei lediglich 75 % dieses berechneten Bedarfs. Im aktuellen Koalitionsvertrag sei als Ziel festgelegt worden, den von PEBB§Y berechneten Personalbedarf zu 100 % zu decken. Bünemann meinte jedoch, um dieses Ziel zu erreichen, fehlten in Bremen aktuell 80 Personen. Für die offenen Stellen aber würden nicht genügend Bewerber gefunden. Den Grund dafür sieht Bünemann auch bei der Besoldung. Deutlich mehr Juristen würden sich für die freie Wirtschaft entscheiden. Die Bremer Justiz könne aber natürlich nicht mit den Großkanzleien mithalten; der Abstand der Gehälter sei zu groß. Die Frage sei daher, wie in Zukunft junge Nachwuchskräfte angeworben werden könnten. Bünemann meinte, die Aussichten für die Zukunft in diesem Bereich sähen derzeit schlecht aus.
Positiv wollte Bünemann aber ausdrücklich betonen, dass es in Bremen und allgemein in Deutschland keinerlei Probleme mit Korruption gebe. Deutsche Richter seien nicht korrupt. Bünemann hob hervor, dass das Arbeitsethos hoch und die Richter motiviert seien. Insgesamt sei die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen zwar gut, doch durch den Personalmangel und die neuen Herausforderungen (siehe Massenverfahren) verlängerten sich die Verfahrensdauern, und es entstehe Frustration.