Cookie-Einstellungen

Bericht
30.06.2022
Drucken

„Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz“

Christian Dürr MdB erläuterte beim Sommerfest des Wirtschaftsrates Bremen die drei großen volkswirtschaftlichen Herausforderungen für Deutschland.
©Wirtschaftsrat Bremen
Am 30. Juni veranstaltete der Wirtschaftsrat Bremen sein jährliches Sommerfest in der Meierei im Bürgerpark. Der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates Bremen Jörg Müller-Arnecke begrüßte die einhundert Gäste und Mitglieder sowie den Ehrengast Christian Dürr MdB, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Des Weiteren bedankte er sich bei Markus Bauer, dem Leiter der Bremer Niederlassung von Mercedes Benz für die freundliche Unterstützung des Sommerfestes.

Anschließend resümierte Müller-Arnecke die Politik der Bremer Regierung in den vergangenen drei Jahren und gab eine kritische Bestandsaufnahme ab. Bremen habe zum Einem weiterhin ein unterdurchschnittliches Bildungsniveau und dadurch einen erheblich Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Zusätzlich gebe es ca. 30.000 Langzeitarbeitslose im Land. Dies sei nicht nur ein erhebliches soziales Problem, sondern auch ein elementarer Standortnachteil für die Wirtschaft. Denn die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften sei eine entscheidende Voraussetzung für einen prosperierenden Industriestandort mit Zukunftsperspektiven.

Statt diese Probleme zu lösen, plane der Senat jedoch eine Ausbildungsabgabe, die inzwischen für alle Betriebe vorgesehen sei, egal ob sie ausbilden oder nicht. Für Müller-Arnecke ist es jedoch vollkommen unverständlich, warum Unternehmen, die dringend nach Auszubildenden suchen, nun zusätzlich zur häufig ergebnislosen Suche zur Kasse gebeten werden sollen, um das Versagen der Bremer Schulpolitik mittels einer Abgabe im Nachhinein zu reparieren und zu finanzieren. Dies entspreche in keiner Weise dem Gedanken der Sozialen Marktwirtschaft.

Parallel dazu würden sich die verfügbaren Gewerbeflächen in Bremen immer weiter reduzieren. Von den 100 Hektar an Vorratsfläche, wie sie noch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, seien lediglich 75 Hektar ausgewiesen. Generell seien Gewerbeflächen aber entscheidend für das Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Einwohner- und Steuerwachstum in Bremen. Darüber hinaus würden sie zu einer Entwicklung eines starken und innovativen Wirtschaftsstandortes beitragen.

Passend zum Gesamterscheinungsbild führte Müller-Arnecke einen Bericht des Weser Kuriers an: Bremen sei ein Standort ohne Strahlkraft, lautete die Überschrift. Unter anderem habe eine Umfrage im Auftrag des Vereins „Unternehmen für Bremen“ ergeben, dass 70 Prozent der Befragten nicht wussten, dass Bremen einer der sechs größten Industriestandorte Deutschlands sei. Zudem erhalte Bremen schlechte Noten in den Bereichen Arbeit und Bildung, Einkaufsmöglichkeiten, Bus und Bahn.

30-06-2022 Sommerfest Geschenk

Bevor Christian Dürr auf die aus seiner Sicht drei zentralen Herausforderungen Deutschlands einging, widmete er sich dem Krieg in der Ukraine. Er stellte klar, dass die Ukraine für Freiheit und Demokratie kämpfe und es daher auch verdient hätte, Mitglied der EU zu werden. Generell habe der Krieg den Zusammenhalt innerhalb der EU gefestigt und die NATO gestärkt.

Nichtsdestotrotz habe der Krieg durch die steigenden Gaspreise aber natürlich dramatische Auswirkungen auf Deutschland. Dürr betonte in diesem Zusammenhang dennoch, dass im Bundeshaushalt nach der Sommerpause die Schuldenbremse wieder verankert werden solle. Dies sei entscheidend, um zu verhindern, dass der Staat durch zusätzliche Verschuldung selbst zum Inflationstreiber werde.

Anschließend erläuterte Dürr die drei großen volkswirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen Deutschland stehe und die jeweils im Koalitionsvertrag festgehalten worden seien:   

Zum einem die Dekarbonisierung der Volkswirtschaft, also die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen. Um dies zu gewährleisten solle der Staat die dafür nötigen Rahmenbedingungen schaffen, ohne dabei zu viele Vorgaben zu setzen.

Vor allem die Automobilindustrie als wichtiger Wirtschaftszweig und Erzeuger vieler Treibhausgasemissionen müsse zur Dekarbonisierung beitragen. Jedoch solle den Kunden und Herstellern selbst die Entscheidung überlassen werden, auf Elektro- oder Verbrennermotoren zu setzen. Darüber hinaus hätten viele Politiker oftmals nicht das nötige Fachwissen, um Entscheidungen über Technologien treffen zu können. Vielmehr solle man dies den Experten überlassen.

Die zweite große Herausforderung laut Dürr sei die Digitalisierung. Zwar hätten Unternehmen bereits digitale Prozesse eingeleitet, jedoch habe vor allem der Staat noch erheblichen Nachholbedarf. Entscheidend seien unter anderem der Ausbau der Glasfasertechnologie und die Digitalisierung und Synchronisation des Staates, um eine bessere Abstimmung und schnellere Bearbeitung zu gewährleisten. Daher habe sich die Ampel-Regierung zum Ziel gesetzt, die Planungs- und Genehmigungszeit zu halbieren.

Hierbei könne man insbesondere von den Nachbarländern lernen. Vor allem die skandinavischen Länder hätten gute Digitalisierungsstrategien, die auch erfolgreich umgesetzt würden, so Dürr. In Deutschland wiederum gebe es auch einige Digitalisierungsstrategien, die jedoch oftmals an der Umsetzung scheitern würden.

Da Deutschland nach Japan die zweitälteste Bevölkerung auf der Welt habe, nannte Dürr den demografischen Wandel als letzte große Herausforderung, um zukünftig den Wohlstand im Land ehrhalten zu können. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer würden in den kommenden Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Durch die nachfolgenden, weniger starken Geburtenjahrgänge gebe es jedoch erheblich weniger Personen im Erwerbsalter, die für die offenen Stellen zur Verfügung stehen würden. Infolge des Bevölkerungsrückgangs werde auch die Zahl hochqualifizierter Arbeitskräfte sinken, was einen Fachkräftemangel zur Folge hätte.

Um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken, müsste in Deutschland statistisch jede Familie sieben Kinder bekommen, um das Arbeitsplatzpotential aus der eigenen Bevölkerung aufzufangen. Dürr hält daher eine gezielte Einwanderung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels für notwendig. Deutschland habe jedoch in der Vergangenheit die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften in den Arbeitsmarkt verhindert. So sei es in der Vergangenheit paradoxerweise bereits vorgekommen, dass qualifizierte Arbeitskräfte mit guten Deutschkenntnissen nach Großbritannien gezogen seien, weil sie zu lange auf ihr Arbeitsvisum in Deutschland warten mussten. Deutschland müsse sich daher an einer Einwanderungspolitik wie der von Kanada oder Neuseeland orientieren.

Zusammenfassend sei er der Überzeugung, dass man mit genügend Engagement und Anstrengung jede dieser Herausforderung bewältigen könne. Auch das Bundesland Bremen könne aus eigener Kraft sehr erfolgreich sein. Denn „Bremen kann mehr!“, so Dürr.

30-06-2022 Sommerfest Meierei