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Bericht
29.03.2022
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Aus den Ländern (Bremen) - Die Zukunft der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen

Jens Böhlmann, Direktor des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, spricht über die Folgen des Ukraine-Krieges für die deutsche Wirtschaft
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Vor gut vier Wochen begann die russische Invasion in die Ukraine. Seitdem hält der Angriffskrieg mit zunehmender Härte an. Die NATO- und EU-Staaten beschlossen umfangreiche Sanktionen gegen Russland. In dieser Situation stellt sich die Frage: Wie können die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen künftig aussehen?

 

Hierzu bezogen in einer digitalen Veranstaltung des Wirtschaftsrates Bremen zwei Experten Stellung. Jens Böhlmann, Direktor der Kontaktstelle Mittelstand vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, sieht darin eine große Herausforderung für Deutschland. Denn der Handelsaustausch mit Osteuropa und den MOE-Staaten sei seit 1995 um das Fünffache angestiegen und im Jahr 2021 mit über 500 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen resultierten abwärts gerichtete Spiralbewegungen, die besonders die deutschen Wirtschaftsbeziehungen beeinträchtigten. Laut Umfragen des Ost-Ausschusses wirkten sich die Sanktionen besonders auf den Zahlungsverkehr, die Logistik und die Lieferketten aus. 

 

Auch Nachbarländer wie die GUS und die Visegrád-Staaten verzeichneten ambivalente ökonomische Auswirkungen. So durchlebe Kasachstan als GUS-Staat eine positive Entwicklung und überzeuge aus Russland abgewanderte Investoren davon, ihre Unternehmen nun auf kasachischen Boden anzusiedeln. Polen als Visegárd-Staat hingegen sei mit dem 1,33 Millionen starken ukrainischen Flüchtlingsstrom überfordert. Deutschland als russischer Handelspartner verzeichne auf kurze sowie auf lange Sicht signifikante wirtschaftliche Folgen, unter anderem ein zunehmendes Inflationsrisiko, einen extremen Anstieg der Energiepreise und deutlich teurere und knappere Rohstoffe.

 

Böhlmann betonte aber auch, man müsse die Reaktionen Russlands sehr genau betrachten. Die kürzlich angekündigte Enteignung westlicher Unternehmen, die sich aus dem Russlandgeschäft zurückgezogen hatten, habe keine entsprechende Gesetzesinitiative nach sich gezogen. Ein solches Vorgehen hätte einen erheblichen Reputationsschaden zur Folge, dessen sei sich Putin durchaus bewusst. Ebenso verwies er darauf, dass Verträge über Rohstofflieferungen nicht zwischen Staaten sondern zwischen Unternehmen geschlossen würden. Während der Laufzeit sei eine Änderung der Zahlungsbedingungen, beispielsweise ein Wechsel auf Rubelzahlung, rechtlich nicht möglich sondern erst nach Auslaufen des Vertrages. 

 

Auch Ronald Rose, Geschäftsführender Gesellschafter der Bremer Mineralölhandel GmbH, sieht die Effekte der steigenden Rohstoffe, insbesondere beim Rohöl-/Kraftstoffpreis, der aufgrund von künstlichen Verknappung mittel- bis langfristige Zeit nur leicht sinken werde. Mögliche Alternativen seien zwar vorhanden, momentan jedoch schwerlich umsetzbar. Eine Option sei der Ausbau der erneubaren Energien. Jedoch schritten der Ausbau der Wind- und Solarenergie aufgrund fehlender Bebauungsflächen und umfangreicher Genehmigungsverfahren eher schleppend voran. Zusätzlich mangele es an Speicherkapazitäten für nicht-fossile Energie, was Deutschland in seiner Energieautonomie vor immense Herausforderungen stelle. 

 

Ähnlich verhalte es sich mit BEV (Battery Electric Vehicle). Diese böten besonders im innerstädtischen Bereich viele Vorteile. Dennoch scheitere die Implementierung an den Grenzen der heutigen Batterien und der flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Somit sei es dringend erforderlich, die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben, um den Entwicklungsaufwand zu überwinden. Eine weitere Option seien synthetische Kraftstoffe, die den Ausstieg aus den fossilen Energien beschleunigten, denn das Produktionsverfahren sei nicht nur bekannt, sondern werde auch bereits angewandt. Somit sei die Herstellung keine technische Herausforderung mehr und in der gegenwärtigen Situation relativiere sich auch ihr hoher Produktionspreis. 

 

Summa summarum führe die Abkehr vom deutsch-russischen Ölhandel zu deutschen Wohlstandsverlusten und werde kurz- bis mittelfristig die Umweltbilanz enorm belasten, denn eine deutsche Energieautonomie sei nicht ohne weiteres umsetzbar und bedürfe weiterer Innovationen. Die Forschung in diesem Bereich sei unausweichlich, denn die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland würden auf ungewisse Zeit unter massivem Vertrauensverlust leiden.