Cookie-Einstellungen

Bericht
12.07.2021
Drucken

Mein bester Fehler - Aus dem Erfahrungsschatz eines Bremerhavener Unternehmers

Im Gespräch mit dem Unternehmer und ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer.
©None

Aus Fehlern lernt man, aber dafür müssen es nicht immer die eigenen sein. Deshalb haben wir uns sehr gefreut, den ehemaligen Präsidenten der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und erfolgreichen Bremerhavener Unternehmer Ingo Kramer bei unserer Veranstaltung „Mein bester Fehler – Aus dem Erfahrungsschatz eines Bremerhavener Unternehmers“ vor jungen Nachwuchsführungskräften in den Räumen der Handelskammer Bremerhaven begrüßen zu dürfen.

 
Ingo Kramer berichtete über seinen Werdegang und wie er Anfang der 80er Jahre in das Unternehmen seiner Familie, die J. Heinr. Kramer Holding GmbH & Co. KG,  eingestiegen sei. Fehler seien natürlich, und er selbst habe jedes Jahr mindestens einen großen und viele kleine Fehler gemacht. Das Machen von Fehlern ließe sich kaum vermeiden, vor allem, wenn man sich immer auf neuem Terrain bewege. Da die Kramer Holding als Anlagenbauer individuelle Aufträge erfülle und sich daher bei jedem Auftrag auf unbekanntem Gebiet bewege, lägen Fehler in der Natur der Sache.


Ingo Kramer meinte, die Auswirkungen eines Fehlers spüre man als Unternehmer immer in der eigenen Tasche. Dabei hätten die Fehler nicht immer mit eigenem Unvermögen zu tun. Ingo Kramer sprach von schlitzohrigen Kunden, der Bereitschaft Einiger, sich nicht an Vereinbarungen zu halten, und über hanseatische Werte. Aus diesen Fehlern habe er gelernt und sein Geschäftsprozesse umgestellt, damit so etwas nicht noch einmal geschehen könne. Fehler ließen sich nicht verhindern, man könne sie aber meist eindämmen und dafür Sorge tragen, dass sie nicht noch einmal geschehen. Es sei in seinem Unternehmen auch vorgekommen, dass Mitarbeiter teure Fehler gemacht hätten, und diese hätte er dann trotzdem nicht entlassen. Jemand, der bereits einen Fehler gemacht habe, werde diesen voraussichtlich nicht wiederholen. Diese Fehlerkultur, die in den USA weit verbreitet sei, fehle ihm in der deutschen Mentalität.

 
Auch in Bezug auf Startups sei dies der Fall: Wer in Deutschland gründe und damit scheitere, sei immer noch stigmatisiert. Das sei in den USA doch sehr viel offener, zum Teil würden dort Gründer bevorzugt, die bereits einmal gescheitert seien, da diese Erfahrungen gesammelt und Fehler gemacht hätten, die sie dann nicht wiederholen würden. Die Amerikaner seien bereit, hohe Risiken einzugehen und dabei auch Geld zu verlieren. Die USA trauten sich, groß zu träumen. Diese Fähigkeit fehle sowohl den Gründern als auch den Investoren in Deutschland oft.

 
Es gebe immer Menschen, die einen überraschen, positiv wie negativ. Vor allem in der Politik sei dies so, es komme immer darauf an, ob man hinter den Kulissen mit den Menschen arbeiten könne oder nicht. Oft trüge da der Eindruck aus den Medien. Er habe schon mit Menschen vertrauensvoll zusammengearbeitet, von denen er es nicht gedacht hätte, und umgekehrt könne man auch nicht jedem vertrauen, der aus dem „eigenen Lager“ komme. Vertrauen sei in diesem Zusammenhang sehr wichtig, und das Bild der Medien sei da oft verzerrend. Da helfe nur, miteinander und nicht übereinander zu reden.


In der Frage der Nachfolgeregelung habe er sich Fünfjahrespläne gemacht. Mit 55 Jahren habe er beschlossen, dass er mit 60 einen großen Teil des operativen Geschäfts übertragen haben wollte. Das bedeute, die Unternehmensanteile an die nächste Generation zu übertragen und auch Verantwortung abzugeben. Das brauche großes Vertrauen, sei aber notwendig, wenn der Übergang gelingen solle. Mit 60 Jahren habe er dann beschlossen, dass er mit 65 Jahren komplett austeigen werde. Das habe er dann auch so durchgezogen. Es sei wichtig, einen Plan zu machen und sich auch daran zu halten, denn Gründe zu bleiben gebe es immer. Ob dieser Plan am Ende die richtige Entscheidung sei, sei im Vorhinein natürlich nicht feststellbar. Oft scheitere das Vorhaben aber daran, dass die Leute nicht loslassen könnten, wenn es einmal so weit sei aufzuhören. Da heiße es immer: Zwei Jahre gehe es doch noch. Damit der Ausstieg gelinge, müsse man am besten zehn Jahre vorher beginnen, sich ein Hobby oder eine neue Beschäftigung aufzubauen, die einen dann intellektuell weiter beschäftigten. Aber man müsse auch wissen, wann es Zeit sei, den Platz zu räumen und jemand Jüngeren ans Steuer zu lassen. Da ziehe auch das Argument der Erfahrung nur bedingt, denn demnach müsste der 90-jährige noch erfahrener sein als der 70-jährige und wäre in jedem Unternehmen unentbehrlich.

 
Keine Angst vor großen Entscheidungen mit großen Konsequenzen, so lautete Kramers Appell. Das Schlimmste, was man tun könne, sei, nicht zu entscheiden und alles einfach weiterlaufen zu lassen. Das gelte nicht nur für Unternehmen sondern auch für die Politik. Im Vorhinein wisse man auch hier nicht, ob die Entscheidung richtig sei. Man könne nur nach bestem Wissen und Gewissen zu diesem Zeitpunkt entscheiden. Das Problem der Politik sei allerdings, dass sie Fehler nicht ohne Gesichtsverlust korrigieren könne. Auch in der Politik müsse man den Menschen aber zugestehen, dass sie aus ihren Fehlern lernen. Dafür bräuchte es aber ein Klima, in dem nicht immer sofort nach einem Rücktritt verlangt werde, wenn jemand einen Fehler gemacht habe. Fehler korrigieren können Unternehmer wiederum sehr gut, aber die wenigsten Unternehmer gingen in die Politik; da müssen sich die Unternehmer auch an die eigene Nase fassen.