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Bericht
23.05.2022
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Aus den Ländern (Bremen) - Das Imageproblem der Bremer Sicherheitspolitik

Podiumsdiskussion mit Ulrich Mäurer, Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen, über die Herausforderungen des Standorts
©©Wirtschaftsrat
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v.l.n.r. Florian Wellmann, Dr. Christoph B. Klosterkemper, Ulrich Mäurer, Daniela Schmidt, Daniel Günther und Florian Würzburg

Zu den zentralen Standortfaktoren zählen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Ressourcen, die Qualität der Infrastruktur, Rechtssicherheit und deren Durchsetzung, Marktnähe, aber auch ein attraktives Steuer- und Abgabensystem. Die Verbesserung der Standortqualität ist somit ein probates Mittel, bereits angesiedelte Unternehmen zum Verbleib zu motivieren sowie auswärtige Unternehmen und Gründer von einer Ansiedlung zu überzeugen.

Aber auch der Sicherheitsaspekt besitzt für viele Unternehmen, ihre Inhaber und Geschäftsführer nicht erst seit dem Ukraine-Krieg eine große Relevanz: So ergab beispielsweise eine Standortumfrage der Handelskammer Bremen im Jahr 2019, an der 800 Unternehmen teilgenommen haben, dass die Befragten vor allem beim Thema Sicherheit in Bremen und Bremerhaven einen besonders großen Handlungsbedarf sehen.

Der Anschlag auf die OHB-Firmenzentrale in der vergangen Silvesternacht, die wiederholten Attacken auf alteingesessene Bremer Bauunternehmen, die diffuse Situation auf dem Bahnhofsvorplatz sowie eine in Teilen militante linke Szene werfen Fragen nach der Unternehmerfreundlichkeit des Standortes Bremen auf. Ist ein solches Umfeld schädlich für die Ansiedlung von Unternehmen? Welche Maßnahmen können und müssen dem entgegengestellt werden? Was kann die Landesregierung tun, um Bremen unter diesen Gesichtspunkten attraktiver zu machen?

Diese Fragen stellte der Wirtschaftsrat Bremen im Rahmen einer Podiumsdiskussion Ulrich Mäurer, dem Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen. Zu den Diskussionsteilnehmern gehörten Daniela Schmidt, Mitglied des Vorstandes OHB SE, Dr. Christoph B. Klosterkemper, geschäftsführender Gesellschafter der Atermann König & Pavenstedt GmbH & Co. KG, sowie Florian Wellmann, Geschäftsführer Wellmann Immobilien GmbH & Co. KG. Moderiert wurde die Veranstaltung von Daniel Günther von DIALOG Public Relations.

In seinem einleitenden Statement verdeutlichte Ulrich Mäurer, dass das Thema innere Sicherheit seit langem sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Unternehmen relevant und wichtig sei. Die Gäste bekräftigten daraufhin, dass sie sich in Bremen grundsätzlich sicher fühlten. Nichtsdestotrotz sei das Thema Sicherheit ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen, und Bremen stehe vor einigen sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Zum einen stellte Mäurer dar, dass Bremen neben Hamburg und Berlin in der Kriminalstatistik der Bundesländer bei den Straftaten pro 100.000 Einwohner regelmäßig am schlechtesten abschneiden würde. Dies lasse sich jedoch dadurch erklären,  dass die Zahl in den Stadtstaaten bzw. Großstädten generell höher sei als in Flächenländern.

Darüber hinaus gehöre Bremen neben Hamburg zu den größten Drogenumschlagsplätzen Europas.  Allein in Bremerhaven komme es jährlich durch den Schiffsverkehr zu Lieferungen von mehreren Tonnen illegaler Drogen im Wert von mehreren Milliarden Euro. Mäurer wies jedoch darauf hin, dass es in letzter Zeit gelungen sei, erfolgreich mehrere Urteile mit langen, mehrjährigen Haftstrafen gegen Drogenhändler vollstrecken zu können.

Die Drogenkriminalität lasse sich ebenfalls an einer problematischen Alkohol- und Drogenszene am Bremer Hauptbahnhof beobachten. Insbesondere die Crackszene würde für viel negatives Aufsehen und Unruhe am Bahnhof sorgen und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig belasten. Um dieser Situation entgegenzuwirken würden Drogenkonsumräume abseits des Bahnhofes geschaffen.

Die hohe Anzahl an Körperverletzungen und Raubüberfällen am Hauptbahnhof sei ebenfalls auf die Alkohol- und Drogenszene zurückzuführen. Jedoch verdeutlichte Mäurer, dass diese Tätigkeiten zumeist unter den Drogenabhängigen selbst stattfänden.

Aus diesem Anlass wurden 80 hochauflösende Kameras installiert, die rund um die Uhr das gesamte Geschehen am Bahnhof überwachen. Dadurch sei es möglich, präventiv vor Gewaltverbrechen abzuschrecken oder erfolgreich zur Aufklärung beizutragen. Zusätzlich dazu sei die Präsenz der Polizei am Eingang des Bahnhofs erhöht worden.

Generell stellte Mäurer dar, dass die Kriminalitätsrate seit Jahren eher rückläufig sei. Dies würde jedoch nicht mit dem Sicherheitsempfinden innerhalb der Bevölkerung übereinstimmen. So seien viele Bürgerinnen und Bürger der Überzeugung, dass insbesondere die Zahl der Tötungsdelikte signifikant höher sei und sich die Lage in den letzen Jahren eher verschlechtert als verbessert habe.

Tatsächlich gebe es in Bremen jährlich lediglich 5 Tote durch Gewaltverbrechen, so Mäurer.  Daher sei die Wahrscheinlichkeit, selbst Opfer eines solchen Tötungsdelikts zu werden, äußerst gering. Außerdem läge die Aufklärungsquote bei annähernd 100%.

Dafür sei die Aufklärungsrate bei Wohnungseinbrüchen sehr gering. Dies würde insbesondere potentielle Kaufinteressenten in bestimmten Stadteilen abschrecken und somit ein Problem für die die Immobilienbranche darstellen, so Florian Wellmann.

Darüber hinaus habe sich Bremen neben Hamburg, Berlin und Leipzig zu einem Schwerpunkt der linksextremen Szene entwickelt, die regelmäßig für Anschläge verantwortlich sei.

Mit Daniela Schmidt und Florian Wellmann waren zwei Gäste anwesend, die mit ihren Unternehmen unmittelbar Opfer solcher Anschläge waren. Für Schmidt sei der Anschlag auf die OHB-Zentrale in der Silvesternacht ein großer Schock gewesen und habe dazu geführt, dass das Unternehmen sein Sicherheitskonzept ausgebaut und erweitert habe.

Mäurer verdeutlichte, dass die Personen in der linksextremen Szene durchaus bekannt seien. Jedoch sei nur eine kleine Gruppe für die Anschläge verantwortlich, die bei ihren Taten hoch professionell vorgehen würde. Darüber hinaus sei niemand in der Szene bereit, Informationen preiszugeben oder andere zu verraten.

Daher sei es schwierig, präventiv Anschläge zu vereiteln oder Täter zu identifizieren. Mäurer beschrieb die Situation daher als ein regelmäßiges „Katz und Maus-Spiel“ zwischen den Linksextremen und der Polizei. Nichtsdestotrotz betonte er, dass es sich bei den Anschlägen hauptsächlich um Sachbeschädigungen handeln würde und somit die aktuelle Lage nicht mit RAF-Zeiten zu vergleichen sei.

Die anwesenden Gäste bemängelten, dass sich die Bremer Politik in Bezug auf Rechtsextremismus regelmäßig eindeutig positionieren würde, bei Linksextremismus jedoch zu häufig wegsehen und keine klare Stellung beziehen würde.  
„Man dürfe auf dem linken Auge nicht blind sein“, so Dr. Klosterkemper. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es laut einem Bericht des Verfassungsschutzes in Bremen ca. 240 gewaltbereite Linke im Vergleich zu 90 gewaltbereiten Rechten gebe.

Mäurer entgegnete, dass die Politik durch Anschläge auf die Polizei selbst direkt betroffen sei und dadurch auch ein hohes Eigeninteresse habe, die Linksextremisten zu identifizieren und zu verfolgen.

Die Gäste kritisierten ebenfalls, dass nicht genügend Personal in der Justiz und bei der Polizei vorhanden sei, um jede Straftat ausreichend zu verfolgen. Aus diesem Grund könnte es hilfreich sein, externes Sicherheitspersonal zur Unterstützung der Polizei bereitzustellen.

Mäurer erklärte daraufhin, dass es in den letzten Jahren möglich war, die Zahl der Polizeianwärter erheblich aufzustocken und die Ausbildung voranzubringen. Als zentrale Herausforderungen für eine schlagkräftige Truppe nannte Mäurer Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Überlegenheit.

Insbesondere die Notwendigkeit zur Zuverlässigkeit würde erklären, warum von ungefähr 1.500 Bewerbern nur 300 die Aufnahmeprüfung bestehen würden. Nichtsdestotrotz sei es entscheidend, am bisherigen  Bewerbungsverfahren  festzuhalten, um geeignete, qualifizierte Nachwuchskräfte auszubilden.

Public Private Partnership werde laut Mäurer ebenfalls in vielen Bereichen umgesetzt, um die Sicherheit gewährleisten zu können. Beispielsweise würden in Stadien private Sicherheitskräfte in Kooperation mit der Polizei eingesetzt.
 
Abschließend verdeutlichte Dr. Klosterkemper, dass die Cybersicherheit ebenfalls ein relevanter Bereich sei und verbessert und geschützt werden müsse. Beispielsweise seien 49 % der Unternehmen mindestens einmal jährlich Opfer eines Cyberangriffs geworden. Für Mäurer spielt das Thema Cybersicherheit ebenfalls eine wichtige Rolle. Er stellte jedoch klar, dass der Staat nicht in der Lage sei, die Systeme von Unternehmen zu schützen. Daher müsse jedes Unternehmen selbst investieren.

Zusammenfassend stehe Bremen somit vor einigen sicherheitspolitischen Herausforderungen, für die Mäurer bereits einige Lösungskonzepte aufzeigte. Daher waren auch die Gäste der Meinung, dass Bremen nicht als unternehmerfeindlich angesehen werden könne. Nichtsdestotrotz hatten die Gäste noch einige Wünsche an die Politik:

Zum einem sei es sinnvoll, Präventions- und Beratungsangebote anzubieten und die Umstellung von Sicherheitsmaßnahmen in Hinblick auf die Bauordnungen unbürokratischer zu gestalten. Außerdem sollte sich die Politik beim Thema Linksextremismus klarer bekennen und Lösungskonzepte zur Identifikation und Überwachung von Linksextremismus erarbeiten.

Ebenfalls könne es sinnvoll sein, andere Standorte in den Blick zu nehmen und positive Erfahrungen von dort zu übernehmen und davon zu lernen.

Des Weiteren sollten mehr Geld in den Verfassungsschutz investiert werden, der Justiz mehr Beamte zur Verfügung gestellt und eine schlagkräftige Truppe für mehr Cybersicherheit aufgestellt werden.