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Bericht
03.06.2021
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Talk am Mittag - Einflaggung und Arbeitsrecht auf See

Austausch des Wirtschaftsrates Bremen zum Thema deutsche Flagge und Arbeitsbedingungen auf See.
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Deutsche Schiffe unter Deutscher Flagge sind selten anzutreffen: Nur 9 Prozent der deutschen Handelsflotte fahren auch unter schwarz-rot-goldenem Banner. Woran liegt das? Dieser Frage hat sich der deutsche Wirtschaftsrat Bremen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Talk am Mittag“ gewidmet.

 
Dr. Claudia Schilling, Bremer Senatorin für Wissenschaft und Häfen, sprach von der Wichtigkeit der Seefahrt im Allgemeinen und für das Bundesland Bremen im Speziellen. In einer globalisierten Welt, mit Lieferketten, die den ganzen Erdball umspannen, sei der reibungslose Transport nur durch Schiffe zu gewährleisten. Im Welthandel würden 90 Prozent aller Waren mit dem Schiff transportiert, die Seefahrt sei somit die mit Abstand wichtigste Transportart der Weltwirtschaft.


Im Jahr 2020 bildeten knapp 56.000 Seeschiffe das Rückgrat des Welthandels, auf diesen Schiffen arbeiteten 1,3 Millionen Menschen. Diese Seefahrer, die mit ihrer Arbeit die Weltwirtschaft am Laufen hielten, seien, so Dr. Schilling, bei ihrer Arbeit schweren physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Dabei sei es nicht leicht, internationale Standards für die Arbeiter auf See durchzusetzen. Das Inkrafttreten des Seearbeitsübereinkommens (Maritime Labour Convention, 2006) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sei ein wichtiger, erster Schritt für bessere Arbeitsbedingungen auf See und in den Häfen.


Der Grundgesetzartikel § 27 besagt: „Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.“ Diese deutsche Handelsflotte umfasse laut der Hafensenatorin aktuell (30.04.2021) 1.804 Schiffe, davon führen nur 287 unter Deutscher Flagge. Dabei habe die Deutsche Flagge einiges zu bieten. Sie genieße international hohes Ansehen. Die Gewährleistung der Arbeits- und Schiffsicherheit sorge für weniger Ausfälle im laufenden Betrieb und weniger Festhaltungen bei Hafenkontrollen, was Liegezeiten verkürze und Geld spare. Die Ausbildung von deutschen Seeleuten finde ausschließlich auf Schiffen unter Deutscher Flagge statt. Diese werde staatlich bezuschusst und stelle die Versorgung der Branche mit den benötigten Fachkräften sicher. Neben den guten Bedingungen für Ausbildung und Arbeit der Seeleute sei die Deutsche Flagge – dank Subventionen – preislich konkurrenzfähig. Zwar werde der Deutschen Flagge eine überbordende Bürokratie nachgesagt, diese sei in den vergangenen Jahren aber immer weiter abgebaut worden.

 
Christian Bubenzer ist bei der Dienststelle Schiffssicherheit bei der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) für die Einflaggung und das Seearbeitsrecht zuständig. Er setzt sich als Einflaggungs-Manager für die Deutsche Flagge und die Rückkehr deutscher Handelsschiffe unter die Deutsche Flagge ein. Bubenzer erklärte, dass die Gründe für das Ausflagge vielschichtig seien. Zum einen sei da das Image der Deutschen Flagge, sie gelte als bürokratielastig und habe ein etwas angestaubtes Image. Seine Aufgabe sei es auch dieses Image zu verbessern, damit die Deutsche Flagge nicht weiter mit dem Ruf leben müsse, sie sei zu teuer. Bubenzer führte weiterhin an, dass es nicht immer die freie Entscheidung der Reeder sei, unter welcher Flagge sie ihr Schiff führen. Oft seien die Geldgeber der Schiffsfinanzierung ausschlaggebend, wenn es darum geht, unter welcher Flagge das Schiff geführt werden soll. Da sich die deutschen Banken weitestgehend aus dem Schiffkreditgeschäft zurückgezogen hätten, würden viele deutsche Schiffe von ausländischen Banken/Finanzgebern finanziert.

 
Aus dem Kreis der Teilnehmer kam die Anmerkung, um die Deutsche Flagge attraktiver zu gestalten, seien bessere Erreichbarkeit und unkomplizierte, lösungsorientierte Abläufe der Behörden für die Reeder sehr wichtig. Die Zusammenlegung der verschiedenen Behörden zu einer zentralen Anlaufstelle würde Bürokratie abbauen und die Deutsche Flagge ebenfalls attraktiver machen. Ein weiterer problematischer Punkt für die Deutsche Flagge sei die Versicherungssteuer von 19 Prozent, die im Reedereigeschäft auf abzuschließende Versicherungen anfällt. In anderen Staaten bewege sich diese Steuer im Bereich zwischen 0 und 4 Prozent, was die Attraktivität dieser Flaggen deutlich steigere.

 
Für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Bremen als maritimes Bundesland mit einer langen Handelstradition sei die Steigerung der Attraktivität der Deutschen Flagge ein Herzensanliegen. Die Rückkehr deutscher Schiffe unter die Deutsche Flagge habe nicht nur symbolischen Wert, so Bubenzer; es zeige auch, dass die Deutsche Flagge den Reedern die Bedingungen bieten könne, die sie brauchen, um international zu bestehen. Daher sollte die Deutsche Flagge – unter Einbeziehung der Reeder und Seefahrer – weiter verbessert und attraktiver werden, um allen Seefahrern und Reedern eine gute Heimat unter Deutscher Flagge bieten zu können.