Aus den Ländern (Bremen) - Elektrizität und/oder Wasserstoff? Was bringt die Mobilität der Zukunft?
Im Rahmen der Landesfachkommission Energie und Umwelt hatten die Mitglieder des Wirtschaftsrates Bremen die Gelegenheit, sich das zweitgrößte Werk von Mercedes-Benz aus nächster Nähe anzusehen. Teil der Veranstaltung war eine einstündige Führung durch das Presswerk, in dem die Rohbauteile hergestellt werden.
Der Standort Bremen ist der größte private Arbeitgeber in der Region und das Lead-Werk für die C-Klasse. Am Standort Bremen werden zehn Modelle und damit die meisten Varianten innerhalb der Produktionswerke von Mercedes-Benz Cars produziert. Auch die Produktion der rein elektrischen Fahrzeuge EQC und EQE wurde hier problemlos in die Produktion der herkömmlichen Modelle integriert. Damit deckt die Bremer Produktion zukünftig die gesamte Bandbreite an intelligenten Antriebstechnologien ab.
Die gesamte Fläche des Werkes beträgt 1,5 Millionen Quadratmeter. 13.000 Beschäftigte (davon 460 Auszubildende in 11 Berufszweigen) sorgen dafür, dass jährlich ca. 270.00 Fahrzeuge (Stand 2019) in Bremen produziert werden, 70 Prozent dieser produzierten Fahrzeuge sind Exportfahrzeuge.
Michael Frieß, Leiter der Produktion und Standortverantwortlicher, betonte in der anschließenden Diskussion, dass es bei Mercedes-Benz zu einem Wechsel der Prioritäten gekommen sei: Nach der bisheriger Vorgabe „Electric First“ werde bis Ende des Jahres 2022 die verschärfte Maßgabe „Electric Only“ umgesetzt. Dies erfordere eine grundlegend andere Bauweise und ein anderes Design der Fahrzeuge. Entscheidend für den Erfolg seien dabei Kenntnisse in der Batterietechnik und Kapazitäten für den Batteriebau. Daher sei Mercedes-Benz mit einem Drittel gleichberechtigter Anteilseigner an der Automotive Cells Company (ACC).
Ziel sei die CO2-Neutralität des gesamten Unternehmens. Daher gälten auch strengere Anforderungen an die Lieferanten, bis 2039 klimaneutral zu produzieren. Insbesondere betonte Frieß die Zertifizierung nach IRMA (Initiative for Responsible Mining Assurance). CO2-neutraler Stahl werde ab 2025 in verschiedenen Fahrzeugmodellen verbaut werden.
Der Standort Bremen werde ab dem 1.1.2022 CO2-neutral sein. Hauptsächlicher Energieträger sei Strom, der künftig Ökostrom sein werde. Hinzu kämen Fernwärme und die Umstellung der Öfen in der Lackiererei. Die verbleibende Differenz werde durch Umweltzertifikate ausgeglichen.
Frieß bekräftigte abeschließend: Mercedes-Benz setzt definitiv auf die Elektrifizierung seiner Flotte.
Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, bedauerte in seinen einleitenden Worten, dass die Bremer Politik nie verstanden habe, welche Perle sie mit dem Mercedes-Benz-Werk habe. Anstatt stolz auf diesen Standort zu sein, werde der Automobilbau in Bremen stiefmütterlich behandelt. In Niedersachsen hingegen sei die Politik viel stärker auf ihn ausgerichtet.
Der CDU-Politiker konstatierte anschließend einen Wertewandel bei den jungen Menschen, die andere Prioritäten hätten als früher, als man sich mit 18 Jahren Führerschein und Auto wünschte. Heute setzten viele eher auf Carsharing und habe ein starkes Umwelt- und Klimabewusstsein. Darauf müsse sich die Automobilindustrie einstellen. Auch müsse die Mobilität sich vom Erdöl lösen; bisher basiere sie zu 90 Prozent auf diesem Rohstoff.
Doch die CDU wolle den Menschen und der Wirtschaft nicht die Art der Mobilität vorschreiben. Neben dem Stromantrieb gebe es auch noch E-Fuels, Wasserstoff und LNG (speziell bei Schiffen). Hier setze man auf Technologieoffenheit und Wettbewerb. Wichtig sei, dass bei der Elektrifizierung nicht nur der Antrieb elektrisch sei, sondern auch der Strom klimaneutral produziert werde.
Der Staat fördere aktiv Elektromobilität und Wasserstoffantriebe, doch bei Wasserstoff existiere aktuell das Henne-Ei-Prinzip: Es gebe zu wenige Autos mit H2-Antrieb, daher auch zu wenige Wasserstofftankstellen. Aktuell seien es 100 Tankstellen, bis 2023 sollen es 400 Tankstellen sein.
Die große Frage sei: Wie erzeugen wir den Strom künftig? Deutschland sei aktuell ein Energieimportland (Öl und Gas) und werde dies auch bei den neuen Energieträgern bleiben. Großes Potential sieht Ferlemann aber bei der Offshore-Windenergie: Eine Kapazität von 40 bis 50 GW hält er allein in der Nordsee für möglich. Dabei könne dann direkt bei den Anlagen Wasserstoff erzeugt werden, der dann mit Schiffen an Land transportiert wird.