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Bericht
15.06.2021
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Aus den Ländern (Bremen) - Wohin mit dem Klärschlamm? Lösungen für die Zukunft

Wirtschaftsrat Bremen vor Ort
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Klärschlamm ist ein Thema, mit dem der Durchschnittsbürger wenig Kontakt hat und den er im Zweifel auch selten sucht. Als Abfallprodukt der Klärwerke sind wir aber alle an seiner Produktion beteiligt. Zu einem bewussten Leben gehört auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Müll. Deshalb hat sich der Wirtschaftsrat Bremen der Thematik angenommen, um zu sehen, wie eine nachhaltige, klimafreundliche und Ressourcen-schonende Weiterverwendung unseres Klärschlamms aussehen kann.


Hierzu fanden sich die Teilnehmer der Veranstaltung auf dem Gelände der Klärschlammentsorgung Nordwestdeutschland (KENOW) ein, auf der gerade eine Klärschlammverbrennungsanlage für den Raum Bremen entsteht. Dirk Briese, Vorsitzender der LFK Energie und Umwelt und geschäftsführender Gesellschafter trend:research GmbH Institut für Trend- und Marktforschung Bremen, leitete in die Veranstaltung ein und berichtete von großen Projekten der Klärschlammverbrennung und neuen Technologien, die zum Einsatz kämen, um die weitere Verwertung des Klärschlammes möglichst energieeffizient und klimafreundlich  zu gestalten.


Im Rahmen des European Green Deal der Europäischen Union und den Bestrebung der Bundesregierung hin zu Klimaneutralität und einer Ressourcen-schonenden Kreislaufwirtschaft sei die Ausbringung von Klärschlamm in der Landwirtschaft bis 2029 verboten worden. Die Betreiber von Kläranlagen seien angehalten, die im Klärschlamm befindlichen Rohstoffe zurückzugewinnen. Zukünftig solle aus dem Klärschlamm der wertvolle Rohstoff Phosphat wiedergewonnen werden.


Die von der hanseWasser betriebene Kläranlage in Seehausen gehöre zu den größten in Deutschland und plane, ihren Klärschlamm zukünftig in einer Klärschlammmonoverbrennungsanlage am Standort Oslebshausen thermisch zu entsorgen. Die derzeit in Bau befindliche Anlage soll in 1,5 Jahren ihren Betrieb aufnehmen und Haushalte mit Strom und Fernwärme versorgen.

 
Die Landesfachkommission Energie und Umwelt befasste sich bei diesem Vor-Ort-Termin also mit der Schnittstelle von Versorgung und Entsorgung. Dabei ging es um den Beitrag der Anlage zum Klimaschutz, die Frage, wie technische Prozesse in der Anlage ablaufen sollen, und mit welchen Herausforderungen der Betreiber bisher konfrontiert war.


Die Führung über das Baustellengelände übernahmen Sascha Deylig, technischer Projektleiter hanseWasser Bremen GmbH und Mareike Demel, Projektingenieurin PMO KENOW bei hanseWasser GmbH.


An der KENOW GmbH & Co. KG sind vier Firmen beteiligt, die HVE, Hansewasser Ver- und Entsorgungs-GmbH, die OOWV, Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband, die EWE, EWE WASSER GmbH, und die swb, genauer die swb Erzeugung AG & Co. KG. Bis auf die swb sind alle Beteiligten auch Zulieferer von Klärschlamm, die beteiligten Unternehmen alleine sollen 70 Prozent der jährlich zu verbrennenden Klärschlammmasse liefern. Die swb stellt das Grundstück für die Anlage zur Verfügung.


Die Anlage in Oslebshausen soll 2023 in Betrieb genommen werden und ist auf dem neuesten Stand der Technik. Nach der Inbetriebnahme ist sie dann in der Lage, jede Sekunde 2,5 kg Klärschlamm zu verbrennen. Um die Gerüche zu minimieren, wird die Abladung des Klärschlammes mit einem Schleusensystem so abgedichtet, dass keine Gerüche nach außen dringen. Es sei später möglich, die ganze Anlage von nur einer Person steuern zu lassen. So werden die Kräne, die die verschiedenen Klärschlämme vor der Verbrennung durchmischen, vollautomatisiert arbeiten. Herzstück der Anlage wird der Wirbelschichtofen werden, in dem der getrocknete Klärschlamm verbrannt werden soll.


Die eigentliche Rohstoffgewinnung geschieht erst aus den Rauchgasen heraus, die bei der Verbrennung entstehen. Diese 950 Grad heißen Gase werden zunächst durch einen Abhitze-Kessel geleitet, in dem ein Teil der Wärmeenergie in Wasserdampf verwandelt wird. Dieser Wasserdampf treibt eine Dampfturbine an, die das Kraftwerk und ca. 1.600 Haushalte mit Strom versorgen soll. Außerdem wird die Wärme genutzt, um die Luft für den Wirbelschichtofen auf die benötigte Temperatur von 400 Grad zu erhitzen. Das etwas abgekühlte Rauchgas wird dann in die Rauchgasreinigungsanlage eingespeist, wo die wichtige Phosphorgewinnung stattfinden soll. Die Gase durchlaufen zunächst einen Elektrofilter, der Aschepartikel aus dem Rauchgas filtert. So wird etwa 1 Kilogramm Asche pro Sekunde gewonnen; aus 5 Kilogramm dieser Asche kann ein 1 Kilogramm Phosphor gewonnen werden. Die Rauchgase durchlaufen noch drei weitere Filter, bevor sie gewaschen werden und die Anlage sauber und geruchsfrei mit einer Temperatur von etwa 70 Grad verlassen. Die Anlage wird ebenfalls an das Fernwärmenetz West angeschlossen werden und versorgt so Haushalte mit klimaneutraler Wärme.


Die EU hat Phosphor zu einem von 20 kritischen Rohstoffen auf dem Planeten erklärt, er sei auf der Erde essenziell, und die Vorkommen gingen zur Neige. Die Rückgewinnung von Phosphor sei daher dringend notwendig. Auch in dem Bestreben, stärkere  Kreislaufprozesse in der Wirtschaft zu etablieren, sind Rückgewinnungsanlagen wie diese ein guter Schritt in Richtung klimaneutrale Wirtschaft. Der bisherige Umgang mit dem Klärschlamm beinhaltete die Ausbringung in der Landwirtschaft. Diese Praktik belastet Böden, Natur und das Trinkwasser. Daher ist die Anlage in Oslebshausen ein großer Schritt in die richtige Richtung. Sie kann den für die Landwirtschaft benötigten Phosphor gewinnen, ohne die Böden, Natur und Grundwasser zu belasten. Dabei erzeugt sie genug Strom, um sich selbst zu tragen und 1.600 Vier-Personen-Haushalte mit Strom zu versorgen. Außerdem wird die Abwärme genutzt und dadurch werden über das Fernwärmenetzt Haushalte in der Umgebung mit klimafreundlicher Wärme versorgen.

 
Trotz der vielen positiven Seiten der Anlage äußerten Anwohner Bedenken und gründeten eine Bürgerinitiative gegen den Bau. Diese war bisher jedoch nicht erfolgreich. Am Ende muss abgewogen werde, ob der Mehrwert der Anlage für Klima, Natur und Boden die Nachteile für die Nachbarn der Anlage überwiegt oder nicht. Die bisherigen Gerichtsentscheide sehen den Mehrwert der Anlage, und so wird die Klärschlammverbrennungsanlage in Oslebshausen wohl Anfang 2023 in Betrieb gehen.