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Pressemitteilung 06.02.2018
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Umfassendes Fazit des Wirtschaftsrates zum Koalitionsvertrag: Union und SPD setzen wirtschaftspolitische Zukunft Deutschlands aufs Spiel

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder des Wirtschaftsrates,

der Koalitionsvertrag von Union und SPD stellt eine große Belastung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Zukunft Europas dar. Auch wenn sich viele Punkte wiederfinden, für die sich der Wirtschaftsrat eingesetzt hat, können wir dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen: Die entscheidenden Weichen wurden bisher nicht gestellt. Mit den im Europakapitel vorgesehenen Maßnahmen droht der weitere Weg in die Transferunion, in der deutsche Sparer für die Schulden anderer Länder haften. Die renten- und arbeitsmarktpolitischen Pläne sind teuer und gefährden Arbeitsplätze. Es fehlt eine spürbare steuerliche Entlastung der mittelständischen Unternehmen. Alles in allem setzt die Koalition die Umverteilungspolitik der letzten vier Jahre fort, und versäumt, Deutschland fit für die Zukunft zu machen. Umso mehr kommt es auf den Wirtschaftsrat und auf seine Mitglieder an, dass die falschen Entscheidungen von heute einigermaßen erträglich umgesetzt werden und anstehende grundlegende Weichenstellungen in die richtige Richtung gehen.

Die Ressortverteilung spiegelt in keiner Weise das Wahlergebnis wider. Mit den Ressorts für Arbeit und Soziales sowie für Familien, Frauen, Senioren und Jugend gehen die ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD. Dadurch, dass die SPD zudem das Schlüsselressort Finanzen erhält, winkt ein Ende solider Haushaltspolitik. Mit den für die Europapolitik zentralen Ressorts Finanzen und Außen für die SPD sowie den unklaren Formulierungen im Europakapitel des Vertrages droht eine Abkehr von den Prinzipien der deutschen Politik, welche die Union bisher besonders geprägt hat.

Der Wirtschaftsrat hat als Erster vor der Großen Koalition und ihren möglichen Folgen gewarnt. Unsere gemeinsame Arbeit in Bund und Land, in jeder einzelnen Sektion der Bundesrepublik, ist heute wichtiger denn je. Als Vertreter der Wirtschaft kennen wir keine Resignation und werden ab sofort mit Ihrer Hilfe noch vehementer unsere Stimme  für die Soziale Marktwirtschaft  erheben. Wir brauchen in dieser Stunde eines mit Sicherheit schweren und auch langwierigen Weges jedes Mitglied. Sie ganz persönlich. Lassen Sie uns gemeinsam kämpfen!

Mit besten Grüßen
Wolfgang Steiger

 

Zu den wichtigsten Punkten im Einzelnen:

Steuerrechtliche Verschärfungen und Tariferhöhungen verhindert – Entlastung der Leistungsträger verpasst

 

Der steuerpolitische Teil des Koalitionsvertrags spiegelt die schwierige Kompromissfindung zwischen Union und SPD wider. Auf der einen Seite konnten Tariferhöhungen des Spitzen- und Reichensteuersatzes, Verschärfungen der Erbschaftsteuer und die Abschaffung der Kapitalertragsteuer für Dividenden verhindert werden. Auf der anderen Seite ist die dringend gebotene Entlastung der Leistungsträger der Gesellschaft durch die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die Korrektur des Einkommensteuertarifs und vor allem eine umfangreiche Unternehmenssteuerreform an der SPD gescheitert.

 

 

Europapolitik bleibt widersprüchlich: Stabilitätskurs darf nicht aufgegeben werden

 

Im Koalitionsvertrag heißt es, dass die neue Bundesregierung ein geschlossenes Auftreten gegenüber den europäischen Partnern sicherstellen wird, um die deutschen Interessen bestmöglich auf europäischer Ebene durchzusetzen. Mit diesem Ziel bricht die neue GroKo schon vor dem Start. Im Koalitionsvertrag werden Solidarität und Stabilität gleichermaßen zu Leitmotiven erhoben. Das passt zu den widersprüchlichen Aussagen, dass Martin Schulz die Spar- und Reformpolitik für beendet erklärt, die Bundeskanzlerin der CDU/CSU-Fraktion, Angela Merkel, aber gleichzeitig beteuert, an einem konsequenten Stabilitätskurs festzuhalten. Einen Januskopf in der Europapolitik kann und darf sich Deutschland in diesen verstörend unsicheren Zeiten nicht leisten. Es wäre dringend notwendig, die unkontrollierte Ausweitung der Haftung für andere Staaten sowie die demokratisch fragwürdigen Feuerwehreinsätze der EZB zu hinterfragen. Der Koalitionsvertrag ignoriert diese Chance und nimmt stattdessen Kurs in Richtung vermehrter Umverteilung und Solidarhaftung.

 

 

Positive Ansätze bei Bildung, Forschung und Digitalisierung

 

Zahlreiche Anliegen des Wirtschaftsrates, wie die Einführung einer steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung, zum Bürokratieabbau und zum Ausbau der digitalen Infrastruktur (5G), finden sich im Koalitionsvertrag wieder. Auch die Forderung des Wirtschaftsrates, dass Deutschland jährlich 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung (FuE) ausgeben sollte, wurde übernommen. Entscheidend bleibt allerdings, wie sich dieser Mitteleinsatz in konkreten Innovationen und nachhaltigen Produkten und Produktionsverfahren niederschlägt. Deutschland braucht darüber hinaus einen Masterplan für Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0. Dies ist nicht weniger als die Schicksalsfrage unserer Industrie.  

 

 

Maximalforderungen der SPD zur Verriegelung des Arbeitsmarktes abgewehrt

 

In der Arbeitsmarktpolitik war mit der SPD der erforderliche Durchbruch für mehr Flexibilität als Voraussetzung für Arbeit 4.0 nicht zu erwarten, und leider hat er auch nicht stattgefunden. Stattdessen bringt das Rückkehrrecht von Teilzeit- in Vollzeitarbeit zusätzliche Belastungen für die Unternehmen, wurde jedoch an Bedingungen für mehr Planungssicherheit der Betriebe geknüpft.

 

Die Einschränkungen bei der sachgrundlosen Befristung nehmen Unternehmen eines der verbliebenen Mittel zum flexiblen Einsatz von Arbeitskräften. Dabei sind es vor allem öffentliche Institutionen, die mit Befristungen arbeiten, und nicht private Unternehmen. Auch hier hat die Union der SPD zu viel nachgegeben.

 

 

Soziale Sicherungssysteme zulasten der jungen Generation ausgeweitet

 

Eine Koalition mit der SPD war offenbar nur um den Preis neuer Sozialprojekte möglich. Gemessen an den Forderungen, die im Raum standen, konnten wirksame Kostenbremsen verankert werden, beispielsweise die Bedürftigkeitsprüfung bei der Mindestrente, die Festschreibung des Rentenniveaus nur bis 2025 statt bis 2030 und die Beschränkung der erhöhten Mütterrente auf Kinderreiche. Auch auf Anregung des Wirtschaftsrates wurde das Ziel von mehr Transparenz in der Altersvorsorge durch ein säulenübergreifendes Renten-Informationssystem aufgenommen.

 

 

Zuwanderung über ein transparentes Gesetz gesteuert, Asylbewerberstrom gedrosselt

 

Wie vom Wirtschaftsrat seit langem vehement eingefordert, soll künftig ein einheitliches, transparentes Einwanderungsgesetz den Zuzug von Fachkräften nach Deutschland erleichtern und steuern. Bei der Beschränkung des Flüchtlingszustroms stehen die entscheidenden Vereinbarungen unter dem Vorbehalt einer Einigung auf EU-Ebene. Harte konkrete Maßnahmen auf nationaler Ebene fehlen.

 

 

Hilfreiche Ansätze bei der Energie- und Umweltpolitik, weitere Schritte müssen folgen

 

Der Koalitionsvertrag verankert Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit als gleichrangige Ziele neben Klimaschutz und nimmt Abstand von dem unrealistischen CO2-Einsparziel 2020 und einer ineffizienten nationalen CO2-Bepreisung. Die einseitige Anhebung des Erneuerbaren-Ausbauziels erhöht jedoch den Handlungsdruck bei der Markt- und Systemintegration von Erneuerbaren und der dringend notwendigen Synchronisierung mit dem Netzausbau, um die Kosten der Energiewende einzudämmen.

 

 

Verkehrsinfrastruktur profitiert von Verstetigung der Investitionsmittel und Planungs-/Baubeschleunigung

 

Die Koalitionsvereinbarungen für die Bereiche Verkehr und Infrastruktur stimmen optimistisch. Besonders hervorzuheben sind: die Weiterführung der Investitionslinie für die Bundesverkehrswege, die Aufstockung der Mittel für den ÖPNV, die Verstetigung des Mobilitätsfonds und vor allem auch die Ankündigung, endlich eine Straffung des ausufernden deutschen Planungsrechts anzupacken. Kritisch ist vor allem die unzureichende Öffnung für Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) zu sehen. Hier hatte sich die Union dafür stark gemacht, ÖPP als Beschaffungsalternative mindestens im bisherigen Umfang beizubehalten, die SPD für ein Auslaufen plädiert. Herausgekommen ist nun ein Kompromiss, der lediglich das Weiterführen noch nicht fertiggestellter Projekte gestattet.

 

 

Staatliche Gängelung des Wohnungsbaus verhindert Investitionen

 

Positiv ist, dass im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, etwa durch verstärkte Baulandmobilisierung. Aber dennoch gilt: Steigende Mieten bekämpft man nicht mit einer Mietpreisbremse, den Neubau fördert man nicht mit überholtem Baurecht und Personalabbau in den Ämtern, und den Klimaschutz forciert man nicht, in dem man notwendige Anreize wie eine steuerliche Abschreibung auf Jahre verschiebt.

 

 

Fehlender verlässlicher Rahmen für außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen

 

Im Koalitionsvertrag fehlt es an einem klaren Bekenntnis für eine nachhaltige Finanzplanung, die insbesondere die Interdependenz zwischen Personal und Material bei der Bundeswehr berücksichtigt. Hier sind vor allem vorausschauende und verlässliche politische Rahmenbedingungen sowie konkrete Ziele für die Industrie unabdingbar.  Darüber hinaus steht eine europäisch nicht abgestimmte Verschärfung der Exportbestimmungen aus dem Jahr 2000 dem erklärten politischen Willen einer Fähigkeits- und Rüstungskooperation innerhalb Europas entgegen.

 

 

Neue Zwänge für Handel, Ernährung und Verbraucherpolitik, aber Einbeziehung der Wirtschaft

 

Die Einführung eines Tierwohllabels, die Erarbeitung von verbindlichen Reduktionszielen für Zucker, Fett und Salz für Fertigprodukte und die angekündigte Überarbeitung des Nährwertkennzeichnungssystems mit der möglichen Einführung einer Nährwertampel sorgen für eine politische Bevormundung des Verbrauchers. Diese Überregulierung schadet sowohl der Ernährungswirtschaft als auch dem Lebensmitteleinzelhandel und schränkt die unternehmerische Freiheit ein. Deshalb ist die angesagte Einbeziehung der Wirtschaft in Entscheidungsprozesse notwendig.

 

 

Licht und Schatten für den Mittelstand: Neuer Anlauf im Bürokratieabbau bei gleichzeitiger Kriminalisierung von Unternehmen

 

Zu begrüßen ist eindeutig das Ansinnen, durch weniger Regeln und Pflichten und mehr E-Government Aufwand und damit Kosten der Wirtschaft zu reduzieren. So den Bekenntnissen tatsächlich Taten folgen, wird dies insbesondere den unternehmerischen Mittelstand und damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft entlasten. Im Gegensatz dazu stehen jedoch das Vorhaben sowohl der Einführung eines Unternehmensstrafrechtes als auch die Ermöglichung von Massenklageverfahren. Solche Gesetzesinitiativen stellen Unternehmen unter Generalverdacht, sind Arbeitsbeschaffungsprogramme für die Anwaltsindustrie und hervorragend dafür geeignet, die Entfremdung von Wirtschaft und Gesellschaft weiter zu befeuern.