Cookie-Einstellungen

Bericht
26.02.2018
Drucken

Hamburg: Stadt der kurzen Wege?

„Hamburg, Stadt der kurzen Wege“, heißt es oft, wenn die Freie und Hansestadt für sich wirbt. Wenn es allerdings um Genehmigungsverfahren und Behördenangelegenheiten geht, machen Unternehmen andere Erfahrungen. Es dauert und dauert.
©None

Vor diesem Hintergrund diskutierte die Landesfachkommission Industriepolitik über das nationale und europäische Umweltrecht, über das deutsche Prozessrecht und über das weitreichende Verbandsklagerecht (siehe hierzu auch das Positionspapier „Für eine starke parlamentarische Demokratie“). Eine wichtige Erkenntnis: Zu selten nutzt Deutschland den nationalen Ermessenspielraum bei der Auslegung von EU-Richtlinien und macht sich und seiner Industrie das Leben unnötig schwer.

 

Als wäre dies nicht genug, legt Hamburg im Rahmen seiner Länderkompetenz teilweise noch engere Schrauben an. So kamen bei der intensiven Diskussion zwei besonders, fast schon kuriose Beispiele zur Sprache: Aufgrund unterschiedlicher Messmethoden passiert es, dass ein und dasselbe Schiff in Hamburg und Rotterdam mit völlig unterschiedlichen Lärmwerten registriert ist. Während das Schiff in Rotterdam im grünen Bereich fährt, erreicht es in Hamburg die Messwerte eines Düsenjets. Die Folge: Um Strafzahlungen zu vermeiden, wird Rotterdam angesteuert. Ein weiteres Problem: Container mit Tischtennisbällen. Diese werden aufgrund besonders strenger Lagerungsvorschriften nicht mehr über Hamburg, sondern per Umweg über niederländische Häfen eingeführt.

Sehr besorgt zeigten sich die Kommissionsmitglieder angesichts der möglichen Einführung einer sogenannten „Technischen Anleitung Abstand“ (TA-Abstand), die für einen „angemessenen Sicherheitsabstand“ (600 oder 1000m) von Industrieanlagen zu benachbarten Schutzobjekten, wie z.B. Wohn- und Freizeitgebieten, sorgen soll. Würde diese TA-Abstand eingeführt, wären in Hamburg nahezu jede Industrieanlage und jedes Gewerbegebiet betroffen. Ausdehnungsmöglichkeiten hätten Unternehmen dann im Grunde nicht mehr – ein massiver Standortnachteil.

 

Kritisch beurteilten die Sitzungsteilnehmer auch das aktuelle Prozess- und das Verbandsrecht. Einzig das deutsche Verfahrensrecht sehe im Kontext der Verbandsklage eine umfassende materiellrechtliche Überprüfung durch die (Verwaltungs-)Gerichte vor, was z.B. Umweltverbänden weitreichende Möglichkeiten eröffne und Verfahren in die Länge ziehe. Im Ausland finde dagegen nur eine Prüfung der ordnungsgemäßen Beteiligung von Verbänden statt.

 

Das Fazit der Sitzung: Deutschland macht es seiner Wirtschaft und Industrie teilweise unnötig schwer, weil EU-Vorgaben einerseits besonders konsequent umgesetzt und andererseits nationale Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft werden. Ein Problem, mit dem die Kommission sich in diesem Jahr ausführlich beschäftigen wird.