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Bericht
06.04.2020
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Bericht aus dem Bundestag: Corona-Schutzschild für Deutschland

Online-Talk

Hamburger Bundestagsabgeordneter Christoph de Vries im Gespräch
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Christoph de Vries ging zunächst auf die Grundrechtseinschränkungen und deren rechtliche Basis ein. Entscheidend für alle getroffenen Maßnahmen sei das Infektionsschutzgesetz. Die Kontaktverbote, die Ausgangsbeschränkungen sowie die Schließung von Unternehmen und Geschäften bedeuteten für die Bevölkerung schwerwiegende Einschränkungen zentraler Grundrechte. „In einer Form, wie wir das in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht erlebt haben. Was auch nicht einfach zu vermitteln ist in einer Gesellschaft, die sehr freiheitsliebend ist und die aus gutem Grund einen zu starken Staat kritisch sieht“, so der Bundestagsabgeordnete.

 

Einschränkungen wie die der Religionsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Freiheit des Berufs, des Eigentums, der allgemeinen Bewegungsfreiheit und der Freizügigkeit bezeichnete de Vries als „Grundrechtskosten, die wir zu zahlen haben, um die Corona-Krise zu bekämpfen.“ Der Experte für Innenpolitik machte aber auch deutlich, dass die Zulässigkeit von Grundrechtsbeschränkungen immer dem Gebot der Verhältnismäßigkeit unterliege. „Das heißt, diese Maßnahmen müssen nicht nur ein legitimes Ziel verfolgen, […] sondern sie müssen auch zur Erreichung dieses Ziels erforderlich, geeignet und angemessen sein.“ Dies impliziere wiederum eine Verpflichtung des Staates, diese Maßnahmen ständig auf ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen.

 

Der Bundestagsabgeordnete ging im Weiteren auf die Hilfsmaßnahmen der Regierung und im Besonderen auf den zu erwartenden volkswirtschaftlichen Schaden der Corona-Krise ein. Dabei verwies er auf verschiedene Szenarien des ifo Instituts. Bei einem wirtschaftlichen Shutdown von vier Wochen liege der Rückgang der Wirtschaftsleistung je nach Modellrechnung zwischen je 4,3 und 7,5 Prozentpunkten. Dies entspreche 150 bis 260 Milliarden Euro. Bei der Finanzkrise 2009 sei das BIP um 5,6 Prozentpunkte gesunken. „Das zeigt, dass wir uns nicht nur in der Corona-Krise befinden, sondern auch zusteuern auf die schwerste Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik Deutschland“, so de Vries. Mit jeder weiteren Shutdown-Woche reduziere sich das BIP um 0,7 bis 1,6 Prozentpunkte. Bei einer Shutdown-Dauer von drei Monaten erreichten die Kosten zwischen 354 bis 729 Milliarden Euro, was 10 bis 20,6 Prozentpunkte Wachstumsverlust bedeute.

 

Auch auf die sozialen und psychologischen Folgen der Corona-Krise kam Christoph de Vries zu sprechen. Je länger der Zustand anhalte, desto prekärer werde die Situation. Dies gelte insbesondere für Familien mit Kindern, für Alleinlebende, Kranke und psychisch labile Menschen.

 

In diesem Kontext warnte der Abgeordnete vor einer Debatte zwischen Extremen: „Die Entgegensetzung von medizinischem Schutz einerseits und wirtschaftlicher Wertschöpfung andererseits ist falsch und irreführend.“ Eine positive Wirtschaftsentwicklung sei bei einer ungebremsten Ausbreitung des Virus überhaupt nicht denkbar. Schon allein diese Tatsache verlange es, Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen. Gleichzeitig sei auch klar, dass unser Gesundheitssystem – was sich im internationalen Vergleich als sehr leistungsfähig und belastbar bewähre – nur auf Grundlage einer prosperierenden Volkswirtschaft bestehen und funktionieren könne. Insofern gehe es darum, die ökonomische Basis zu sichern und die Folgen abzumildern, die sowohl ein andauernder Stillstand als auch eine Pandemie mit hunderttausenden Erkrankten und Toten hätte.

 

Laut de Vries empfehlen Experten den schrittweisen Übergang zu einer jeweils am aktuellen Risiko orientierten Strategie, die eine Lockerung von Beschränkungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld verbindet mit einem weiterhin effektiven Gesundheitsschutz. Der Innenpolitiker betonte aber zugleich: „Es wird kurzfristig keine vollständige Aufhebung der bestehenden Einschränkungen geben.“ Dies würde in einer weitgehend noch nicht immunisierten Bevölkerung dazu führen, dass sich das Virus wieder rasch ausbreite. Gegenwärtiges Ziel sei das Abflachen der Infektionskurve und das Vermeiden der Überlastung des Gesundheitssystems.

Ein schrittweiser Übergang bedeute, dass zunächst Sektoren mit niedriger Ansteckungsgefahr, Einrichtungen mit weniger vulnerablen Gruppen (Kitas, Schulen) und Branchen mit hoher Wertschöpfung (z.B. verarbeitendes Gewerbe) wieder geöffnet würden.

 

Einige Voraussetzungen müssten für das Umschwenken auf eine risikoadaptierte Strategie gegeben sein: u.a. ein weiterhin wirksamer Schutz für Risikogruppen, eine hohe Kapazität von Testungen, ein verbesserter Schutz von Neuinfektionen, eine schnelle und möglichst vollständige Erfassung von Infizierten, eine massive Produktionssteigerung von Schutzkleidung, gesicherte Produktionskapazitäten für Impfstoffe und Medikamente sowie eine regionale und überregionale Koordination der Beatmungskapazitäten.

 

Christoph de Vries fasste schließlich zusammen: „Die Regierung tut alles, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und der Wirtschaft gleichzeitig unter die Arme zu greifen.“ Sowohl die international betrachtet relativ geringe Todesrate als auch die steigenden Zustimmungswerte für die Regierung in der Bevölkerung bestätigten, dass die getroffenen Entscheidungen richtig seien. So schwer die Situation auch sei: Es gebe kaum ein anderes Land auf der Welt, „was über so gute Voraussetzungen und über so viele Ressourcen verfügt wie Deutschland, um am Ende die Corona-Pandemie erfolgreich bestehen zu können. Es wird die Aufgabe der Bundesregierung sein, eine Kommunikation zu fahren, die Risiken nicht verharmlost, aber auch nicht übertreibt.“