Aus den Ländern (Hamburg): Bericht aus der Hamburgischen Bürgerschaft
Online-Talk
Selten waren Bürgerschaft und Senat unter dermaßen herausfordernden Umständen in eine neue Legislaturperiode gestartet. Angesichts der ersten Corona-Welle, die durch Deutschland und Hamburg rollte, war in der Anfangszeit nicht an die übliche Regierungs- und Oppositionsarbeit zu denken. Es galt, über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg an einem Strang zu ziehen. Zwar hält die Corona-Pandemie Deutschland nach wie vor in Atem, doch hat sich die Parlamentsarbeit inzwischen weitgehend normalisiert. Bürgerschaft und Ausschüsse tagen im üblichen Rhythmus. Die Opposition kontrolliert den Senat mit Kleinen und Großen Anfragen.
So war ein knappes Jahr nach dem Wahltermin ein guter Zeitpunkt gekommen, um den Oppositionsführer Dennis Thering für eine erste Zwischenbilanz einzuladen. Er bewertete die Arbeit des Senats insgesamt kritisch. Während Thering im April vergangenen Jahres – ebenfalls bei einem Online-Talks des Wirtschaftsrates Hamburg – noch die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Senat gelobt hatte, bemängelte er dieses Mal, dass der Erste Bürgermeister den „Gesprächsfaden zu den Oppositionsparteien“ habe abreißen lassen. SPD und Grüne hätten eigene Konzepte entwickelt, wie man durch die Corona-Krise komme.
Seine eigene Partei konzentriere sich darauf, die Oppositionsarbeit konstruktiv zu gestalten und „nicht nur zu meckern“. Die Situation sei aber weiterhin ein besondere. Schließlich gebe es keine Blaupause für das Verhalten einer Fraktion in Pandemiezeiten. Auch sei es mit nur 15 Abgeordneten alles andere als leicht gegenüber einem Senat, der über eine verfassungsändernde Mehrheit verfüge. Gleichzeitig stellte Dennis Thering fest, dass „das reibungslose Regieren, was SPD und Grüne in der letzten Legislaturperiode wirklich sehr gut hinbekommen haben“, nun schrittweise zusammenbreche. Die erstarkte grüne Fraktion trete deutlich selbstbewusster auf. Die Reibungspunkte würden dementsprechend zunehmen.
Wenig Verständnis zeigte der Oppositionsführer für die Verkehrspolitik der Regierung angesichts der Pandemie. Zwar könne immer über einzelne verkehrsberuhigte Bereiche gesprochen werden, aber grundsätzlich müsse die Innenstadt weiterhin mit dem Auto erreichbar bleiben. Die derzeitige Diskussion sei „völlig kontraproduktiv“. Der geschlossene Einzelhandel kämpfe ums Überleben und „dem Senat fällt nichts Besseres ein, als den Jungfernstieg dichtzumachen und […] noch die letzten kaufkräftigen Hamburgerinnen und Hamburger aus der Innenstadt rauszuhalten“, so Thering. Es brauche vielmehr ein Konzept zur Attraktivitätssteigerung der City, in das die Gewerbetreibenden eingebunden seien.
Mit Blick auf die vielfältigen Herausforderungen der Corona-Krise – ob Impftermine, Schulunterricht oder Wirtschaftshilfen – warnte Dennis Thering davor, dass die Parteien schon in jetzt in den Wahlkampfmodus schalten und jeweils die Schuld beim anderen suchen. Damit sei niemandem geholfen. Es gehe in dieser Phase darum, möglichst viele Arbeitsplätze und Existenzen zu sichern. Es sei richtig, nicht gegen die Krise anzusparen und die Wirtschaft mit Hilfsprogrammen wieder zum Laufen zu bringen. Auch komme es darauf an, für die Unternehmen Perspektiven zu schaffen. Andererseits kritisierte er das einseitige Vorpreschen Schleswig-Holsteins. „Ich halte grundsätzlich nichts davon, dass jetzt alle Bundesländer einzeln irgendwelche Exitstrategien machen, ab welchem Inzidenzwert wir wann was wieder öffnen“, betonte Thering. Es brauche eine bundesweite Strategie für den Ausstieg und ein klares Signal an Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel.
Wenn es um die Zukunft Hamburgs geht, führt nach Ansicht von Dennis Thering kein Weg an der Wissenschaft vorbei. Er sprach sich dafür aus, den Wissenschaftsstandort an der Elbe deutlich auszubauen. Zu investieren sei vor allem in diejenigen Wissenschaftsbereiche, „die unseren Wohlstand von morgen sichern“, sagte der Oppositionspolitiker. Seine Partei werde sich dafür einsetzen, den Etat gerade der Technischen Universität Hamburg (TUHH) wesentlich zu erhöhen. „Die TU Hamburg wird eine ganz, ganz große Rolle dabei spielen. Wir wollen zu Städten wie Zürich, Dresden auch wieder aufschließen.“ Jeder Euro, der klug in das Wissenschaftssystem fließe, werde sich doppelt und dreifach auszahlen. Hier zu sparen, wäre das „komplett falsche“ Signal.
Im weiteren Verlauf des Online-Talks ergänzte der Bürgerschaftsabgeordnete Prof. Dr. Götz T. Wiese, der auch Vorsitzender des Landesfachkommission „Steuern, Haushalt & Finanzen“ im Wirtschaftsrat ist, den Impuls von Dennis Thering. Angesprochen wurden u.a. die Impfkampagne, die Corona-Hilfen auf Bundes- und Landesebene sowie das Für und Wider eines strengen Datenschutzes im Kontext der Corona-Pandemie.
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