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Bericht
13.05.2020
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Covid-19: Die Deutschen sind "positiv enttäuscht"

Junger Wirtschaftsrat | Online-Talk

Krisenberater Marcus Ewald: Staat kann nicht beliebig oft durch Corona-Wellen helfen
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Marcus Ewald warnte angesichts der aktuellen öffentlichen Debatte in Deutschland vor dem Trugschluss, die Krise sei vorbei. Weltweit seien sich Experten einig, dass die Bewältigung der Corona-Krise erst zu einem Zehntel geschafft sei. Eine verlässliche Prognose, wann es ein Heilmittel gibt? Derzeit unmöglich. Bis der Stoff gefunden ist „werden wir mit der Krankheit leben müssen. Weltweit und mit unterschiedlichsten Lösungsansätzen“, untermauerte der Experte.

 

Kritisch sieht Ewald die Tatsache, dass es Deutschland nicht gelungen sei, die Corona-Patienten von den Nicht-Corona-Patienten zu trennen. Das aber sei essenziell. Seine Empfehlung für die Bundesregierung: „Alle Reha-Kliniken, die wir haben – die ohne Zweifel wichtig sind, aber in der Pandemie nicht mehr so relevant – […] müssen in der Lage sein, Pandemie-Kliniken zu werden […] und ausschließlich Pandemie-Patienten aufzunehmen.“ Bisher würden Infektionen in ganzen Kliniken riskiert. Als weiteres großes Problem machte der Krisenberater die „extrem byzantinischen Abstimmungsprozesse“ innerhalb eines Bundeslandes, zwischen den Bundesländern und innerhalb des Bundes aus.

 

Trotzdem habe Deutschland es geschafft, die Welle zu brechen, bevor sie über die Krankenhäuser schwappte. „Hätten wir die Quarantäne drei Tage später begonnen, dann wären unsere Intensivkapazitäten mehr als überlastet gewesen. Und die Konsequenz daraus wäre gewesen, natürlich eine höhere Sterblichkeit, aber auch eine höhere Erkrankungsquote des medizinischen Personals. […] Es war sehr knapp“, betonte der Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates und appellierte mit Blick auf die Krankenversorgung: „Dezentralisieren, wo es geht“.

 

Im Weiteren wandte sich Marcus Ewald der weltweiten Corona-Situation zu. Anders als andere Krankheiten folge die Pandemie keiner Saisonalität und breite sich zeitversetzt auf der Welt aus. Während die Welle in Westeuropa abebbe, nehme sie z.B. in Brasilien, Indien und Afrika gerade erst Fahrt auf. Der afrikanische Kontinent etwa befinde jetzt in der Phase, die Europa Mitte März erlebte. Dort bahne sich eine große Katastrophe an. Aber auch „im Zentrum der USA“ erwartet der Krisenberater aufgrund spezifischer Gegebenheiten „ein gigantisches Problem“.

 

Die Tatsache, dass die durch Corona ausgelöste Übersterblichkeit in Deutschland im internationalen Vergleich nur gering ausfällt, führe hierzulande zu einer kommunikativen Zwickmühle. „Wir sind positiv enttäuscht. Wir haben mit einer großen Katastrophe gerechnet und passiert ist nichts. Und dieses Erfolgsdilemma ist jetzt das, was uns in der Debatte begleitet“, stellte Ewald fest und machte deutlich, dass die getroffenen Maßnahmen dennoch alle richtig gewesen seien. Einfach aus dem Umstand heraus, dass niemand den Verlauf vorhersehen konnte.

 

„Jetzt aber wissen wir, dass es eigentlich ausreichen würde, wenn alle Masken tragen“, sagte der Bundesvorsitzende und formulierte daraus eine zweite Empfehlung in Richtung Politik: Maskenpflicht für alle und dafür alle anderen Maßnahmen zurücknehmen. Denn die ökonomischen Folgen der Einschränkungen seien katastrophal. Dass die Steuereinnahmen des Bundes im Vergleich zu 2019 um 81 Milliarden Euro sinken, führte Marcus Ewald zu einer klaren Schlussfolgerung: Der Staat könne nicht beliebig oft durch eine Corona-Welle helfen, vielleicht vier- oder fünfmal. „Das bedeutet also, hier Hilfen zu machen, die nicht nachhaltig wirken – also nur Notkredite […] – das reicht nicht. Entweder man macht es nachhaltig oder man lässt es halt ganz. Hier bin ich von der Kreativität der Politik ziemlich enttäuscht“, befand der Mainzer Krisenberater. 

 

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