Den Hamburger Hafen nicht abschreiben
Online-Talk
Antworten darauf lieferte in einem weiteren Online-Talk Gunther Bonz, Staatsrat a.D. und Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg. Als großes Problem identifizierte er zunächst die deutsche Steuergesetzgebung: In den Häfen Rotterdam und Antwerpen – den Hauptkonkurrenten Hamburgs – werde der Steuersatz der Tonnagesteuer auch auf Schiffsnebenleistungen angewandt. Zu diesen gehöre beispielsweise die Versorgung der Crew und an diesen beiden Hafenstandorten auch das Laden und Entladen der Container durch die Terminals. In Hamburg jedoch zahlten die Terminals den Standardsatz an Unternehmenssteuern. Dadurch habe sich seit 1996 ein Differenzbetrag von ca. 800 Millionen Euro ergeben, was sich auch an den teureren Preisen für Be- und Entladung in Hamburg bemerkbar mache. Aufgefallen sei diese Praxis erst kürzlich durch einer OECD-Studie.
Weitere Probleme ergeben sich durch deutsche Regelungen bei der Einfuhrumsatzsteuer auf Importe. Diese müsse in Deutschland sofort bei Einfuhr durch den Importeuer ausgelegt werden. In den Niederlanden und Belgien hingegen könne die Steuer bis zu zwei Monate nach Import direkt vom Abnehmer an den Staat entrichtet werden. Auf diese Weise ließen sich viel bürokratischer Aufwand und Kapitalbindung vermeiden, wodurch die Logistikkosten in diesen Häfen nochmals deutlich geringer seien. Über die Jahre hinweg habe der Hamburger Hafen so 25 Prozent Marktanteile an Antwerpen und Rotterdam verloren.
Ein weiterer Knackpunkt ist für Gunther Bonz die Elbvertiefung. Nach gut 20 Jahren sei die Fahrrinnenanpassung noch immer nicht abgeschlossen. Insbesondere die HPA nahm der Experte in die Pflicht: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zum Ausbau der Elbe und der geplanten Begegnungsbox hätte die Behörde erst vor kurzem mit den Ausschreibungen zum Bau begonnen. „Hier sind Hausaufgaben ganz klar nicht gemacht worden“, urteilte Bonz.
Zusätzlich habe auch der Senat es bislang versäumt, die nötige Befahrungsverordnung auf den Weg zu bringen. Da es sich bei der Gesetzgebung für die Befahrung von Wasserwegen um eine Bundeskompetenz handle, müsse die nötige Verordnung durch den Bundesrat in die Gesetzgebung eingebracht werden. Für den gesamten Prozess sei mit einer Dauer von noch einmal zwei Jahren zu rechnen.
Ein anderes Problem, das insbesondere die Terminbetreiber treffe: Die Liegeplätze an den Kaimauern versanden zunehmend. Für die Instandhaltung der Hafeninfrastruktur sei ebenfalls die HPA verantwortlich. Diese verfüge aktuell allerdings nicht über genügend Ablageorte für die Sedimente. Neue Flächen müssten erst gefunden und genehmigt werden. Bis dahin gehe den Terminals weiter Tiefgang und damit auch Wettbewerbsfähigkeit verloren.
Erschwerend komme hinzu, dass die Firmen im Hafen hohe Flächenmieten an die HPA zu entrichten hätten. Durchschnittlich zahle man in Hamburg fünf bis acht Millionen Euro mehr als in Antwerpen oder Rotterdam. Gunther Bonz wünschte sich von der Hamburger Politik ein klareres Bekenntnis zum Wirtschaftsfaktor Hafen.
Umso wichtiger erscheint ein solches Bekenntnis angesichts der großen Standort- bzw. Wettbewerbsvorteile des Hamburgs. So liege der Hafen tief im Binnenland und könne so auf einer längeren Strecke den auf den Tonnenkilometer gerechnet ökologischsten Verkehrsträger „Schiff“ nutzen. Nach dem Entladen der Container würden 30 Prozent aller Güter über die Hafenbahn und den Güterbahnhof Maschen bis nach Wien, Prag oder in die Südpolnischen Industriegebiete transportiert. Weltweit sei zudem die Hamburger Zuverlässigkeit bekannt, die auch daher rühre, dass der Hafen seit 30 Jahren streikfrei sei. Dies sei einer sehr guten Zusammenarbeit der Terminals mit ihren Betriebsräten und Mitarbeitern zu verdanken.
Und auch für die weitere Zukunft ist Hamburg gerüstet: Das Ein- und Ausfahrmanagement werde in Hamburg mit einer intelligenten Software durchgeführt. Das Hamburg Vessel Coordination Center bestimme schon weit im Voraus, welches Schiff wann auf der Flutwelle in den Hafen einlaufen und drehen könne – ohne dabei die Fahrt eines anderen Schiffs zu behindern. Dies spare Zeit und Treibstoff und somit auch Geld. Durch das Programm DAKOSY seien im Hafen alle Daten zu einem Schiff bekannt, sobald es den Sueskanal, spätestens aber Gibraltar passiere. „Wir sind in diesen Dingen schon Smart Port“, befand Gunther Bonz.
Die kürzlich gesenkten Umschlagsprognosen – von 27 Millionen TEU bis 2027 auf 13,5 Millionen TEU bis 2035 – sieht der Hafenexperte nicht in Stein gemeißelt. Wenn Hamburg seine Wettbewerbsvorteile voll nutze, könne man schnell wieder über dieser Prognose liegen.