Aus den Ländern (Hamburg) - Der Einzelhandel muss sich neu aufstellen
Online-Talk
Die Corona-Krise hat den deutschen Einzelhandel schwer getroffen: Laut Statistischem Bundesamt sind die Umsätze zu Beginn dieses Jahres massiv eingebrochen – real setzten die Unternehmen im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat noch einmal knapp neun Prozent weniger um. Für Hamburg warnte das „Bündnis für die Innenstadt“ bereits vor einem Niedergang der City. Vor diesem Hintergrund sprach Andreas Bartmann, Geschäftsführer der Globetrotter Ausrüstung GmbH und Präsident des Handelsverbandes Nord, im Online-Talk des Wirtschaftsrates Hamburg über die Auswirkungen der Krise und die Zukunft des Einzelhandels.
Andreas Bartmann wies zum Einstieg auf die enormen Belastungen und Veränderungen hin, denen sich große Teile des Einzelhandels in den letzten 15 Monaten stellen mussten. Zwar habe der Handel insgesamt ein Plus von rund fünf Prozent verzeichnen können, jedoch sei die Differenzierung eine ganz andere geworden. Während rund ein Drittel des gesamten Handelsumsatzes im Rahmen des Lebensmittelkonsums erwirtschaftet worden sei und auch Baumärkte sowie Möbel- oder Fahrradhandel während der Pandemie geboomt hätten, sei ein anderer Teil des Einzelhandels existenziell in Schieflage geraten. Insbesondere in den Bereichen Textilien, Schuhe und Schmuck habe es Umsatzrückgänge um die 20 Prozent gegeben. „Plötzlich muss man zwischen verschiedenen Handelssektoren mit einer Differenzierungsbandbreite von plus 20 bis minus 20 Prozent umgehen. Das bringt ganz neue Herausforderungen mit sich“, betonte der Globetrotter-Chef.
Der Online-Handel sei im Jahr 2020 in ganz neue Dimensionen vorgestoßen und habe einen Umsatzanteil von rund 23 Prozent erwirtschaftet, was in etwa 73 Milliarden Euro entspreche. Das daraus resultierende Wachstum von gut 14 Milliarden Euro sei jedoch trügerisch, da es nicht zusätzlich entstanden, sondern aus anderen Bereichen abgezogen worden sei. „Das, was der Online-Handel sich an Umsatz aus dem stationären Handel geholt hat, wird auch nach Ende der Pandemie nicht mehr dorthin zurückwandern“, erklärte Bartmann und konstatierte: „Es wird kein Zurück mehr zum Alten geben, der zukünftige Einzelhandel muss und wird anders sein.“
Die Pandemie habe nicht nur in der Digitalisierung, sondern auch im Einzelhandel als Katalysator für Strukturveränderungen fungiert. Man sei nun an einem Punkt angelangt, den man erst in einigen Jahren erwartet hätte. Dennoch hätten die letzten Monate besonders für Hamburg gezeigt, dass es aufgrund der polyzentrischen Struktur eine gute Basis für die Umstrukturierung gebe. „Einkaufen mit allen Sinnen“ sei dabei die große Chance des stationären Handels, denn die Pandemie habe insbesondere die Sehnsüchte nach Kontakten, Einkaufengehen und Kulturerlebnissen bewusst gemacht. Für den Einzelhandel bedeute dies: Entertainment und Aufenthaltswunsch zugleich bieten. Dafür gelte es, alle Stakeholder der Stadt gleichermaßen miteinzubeziehen und die eigene Straße durch eine Kombination aus Gastronomie, Handel, Kultur und Wohnen attraktiv zu gestalten. Internetpräsenz und Anpassungsfähigkeit seien dabei unabdingbar. „Es kommen spannende Zeiten auf uns zu, in denen nicht mehr der Große den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen schlagen wird.“