Die politische und wirtschaftliche Situation in Russland, Kasachstan und der Ukraine
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In Russland seien Krisen häufig Ausgangspunkt für positive Entwicklungen gewesen. Die Corona-Pandemie sei „deswegen ein guter Zeitpunkt, um auf Russland zu schauen“, erläuterte Christopher Weafer. Generell befinde sich Russland derzeit aufgrund der milden US-Sanktionen und des aktuellen OPEC Plus-Abkommens in einer guten finanziellen Lage und biete somit Chancen für deutsche Unternehmen mit Expansionswunsch ins Ausland.
Der vorherrschende innenpolitische Tenor in Russland sei es, die Wirtschaft anzukurbeln. Zwar sehe man in nationalen Projekten die hauptsächlichen Katalysatoren, um den ersten Teil des Erholungs- und Wachstumsprogramms zu finanzieren, jedoch sei der Regierung durchaus bewusst, dass man längerfristig auch auf ausländische Investitionen und Know-how setzen müsse. Hinzu komme, dass Moskau jede Aussicht auf eine Beziehung zu Brüssel aufgegeben habe. Vielmehr konzentriere man sich nun auf die Verbesserung der bilateralen Beziehungen mit Deutschland und anderen Schlüsselländern der EU. Umfragen zeigten zudem eine positive Einstellung einer großen Mehrheit der Menschen in Russland gegenüber Deutschland und deutschen Unternehmen.
Die politische Situation beeinträchtige darüber hinaus in Russland die wirtschaftliche Lage, was mit einem gesellschaftlichen Vertrauensverlust in die Regierung einhergehe. Letztlich resultiere diese Entwicklung darin, dass der Kreml die Unzufriedenheit nur mit einer verbesserten Wirtschaftslage zurückhalten könne. Dafür brauche es mehr Investitionen, auch aus dem Ausland. „Die Wirtschaft ist wichtiger denn je“, bilanzierte Weafer.
Auch in Kasachstan erhole sich die Wirtschaft und profitiere vom Anstieg der Öl- und Gaspreise sowie von der Erhöhung der Staatsausgaben. Die Regierung habe einen neuen Sechs-Punkte-Plan zur Erholung und Entwicklung der Wirtschaft angekündigt. Die politische Instabilität werde aber aller Voraussicht nach zunehmen, da es ein größeres Maß an politischem Aktivismus sowie eine besser finanzierte Opposition gebe. Wirtschaftlich von besonderem Interesse seien der Transport- und Logistiksektor, der Chemiesektor sowie die Landwirtschaft und die Lebensmittelverarbeitung.
Die Ukraine stellte für Christopher Weafer ein hochkomplexes Thema dar. Der Internationale Währungsfond (IWF) habe erklärt, dass die Ukraine die Voraussetzungen für die Auszahlungen der zweiten Tranche des Standby-Arrangements noch nicht erfüllt habe – knapp 3 Mrd. US-Dollar stünden noch aus. Zu erwarten sei, dass Kiew weiterhin versuchen werde, die Forderungen des IWF zu erfüllen. Eine Landreform sowie andere Wirtschaftsreformen seien in diesem Kontext wahrscheinlicher als eine Reform der Versorgungspreise. Durch die Landreform, die mehr Bauland in der Nähe von Industriegebieten und Städten schaffen solle, werde die Bauwirtschaft wachsen. Kiew sei generell auf gute Wirtschaftsbeziehungen zu Europa angewiesen, da die EU einen wichtigen Markt für den ukrainischen Lebensmittelsektor bilde.