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Bericht
28.01.2018
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Die Soziale Marktwirtschaft ist der Motor unseres Erfolgs

Rund 600 Mitglieder, Gäste und Freunde waren der Einladung des Wirtschaftsrates in den Börsensaal der Handelskammer Hamburg gefolgt und erlebten mit Julia Klöckner einen bestens aufgelegten Ehrengast.
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Mehrfach unterbrach Applaus die Eröffnungsrede des Landesvorsitzenden Dr. Henneke Lütgerath. Mit scharfen Worten verurteilte er die Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel. Die Gewalttaten seien kriminell und kein legitimer Protest gewesen. Er warnte davor, sie zu relativieren. „Das gilt nicht nur für die Täter selbst, sondern auch für manchen Hamburger Rechtsanwalt oder Politiker“, stellte Lütgerath klar.

 

Bezugnehmend auf die von Umweltsenator Jens Kerstan angestoßene „Weltstadt“-Debatte wandte sich der Landesvorsitzende der Frage nach Hamburgs Wachstum zu. Er mahnte, sich nicht mit Mittelmaß zufriedenzugeben. Kerstan sehe die Sache völlig falsch. Wachstum sei schon immer die Grundlage für Hamburgs Wirtschaftskraft und Wohlstand gewesen. Die Frage sei nicht, ob die Stadt wachsen solle, sondern wie. Dafür brauche es endlich wieder eine lebendige Zukunftsvision. Lütgerath forderte auch einen Strukturwandel: „Nicht im Güterhandel, sondern in Dienstleistungen und im Datenhandel liegt die Zukunft der Weltwirtschaft.“

 

Im letzten Teil seiner Rede ging Henneke Lütgerath auf die aktuelle Bundespolitik und die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ein. „Der Wirtschaftsrat ist mit der Fortsetzung der Großen Koalition nicht uneingeschränkt glücklich. Wir befürchten nämlich, dass es teuer werden wird mit der SPD“, so Lütgerath und verwies auf die Empfehlung des Unternehmerverbandes für eine Minderheitsregierung.

 

„Kämpfen Sie für Ihre Position“

„Wirtschaftspolitisch steht Deutschland glänzend da“, begann Julia Klöckner ihre Rede. Sie verwies u.a. auf den hohen Staatsüberschuss und das anhaltend kräftige Wachstum der deutschen Wirtschaft. Gleichzeitig warnte sie vor Selbstzufriedenheit. Die Konkurrenz schlafe nicht. „Die vermeintliche wirtschaftliche Sorgenlosigkeit darf nicht zu politischer Sorgenlosigkeit führen“, sagte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und wandte sich mit einem flammenden Plädoyer an die anwesenden Unternehmer.

 

Manche Wirtschaftsvertreter hätten das Verständnis für politische Entscheidungsprozesse verloren und kämpften bei der Politik nicht nachdrücklich genug für ihre eigenen Interessen. Manchmal gewinne sie den Eindruck, eine möglichst konfliktfreie, behagliche Atmosphäre habe einen höheren Wert als das Eintreten für die unternehmerischen Interessen. „Benennen Sie Ihre Probleme, kämpfen Sie für Ihre Position!“, forderte Klöckner und fuhr fort: „Ich weiß, Sie sind auf Kunden angewiesen, die unterschiedliche parteipolitische Präferenzen haben. Aber wenn Sie wollen, dass wir Politiker auch in Ihrem Interesse kämpfen, dann wünschen wir uns auch Ihre laute Stimme mit Ihrem Gesicht und Ihrem Namen.“

 

Als Vertreterin der politischen Zunft zeigte sich die Rheinland-Pfälzerin andererseits selbstkritisch. Zu vielen ihrer Kollegen fehle das Verständnis dafür, was es heute bedeute, ein Unternehmen mit all seinen Risiken, angesichts internationalen Wettbewerbs und strengergesetzlicher Vorschriften, zu führen. „Wir müssen verstehen, wer was auf der anderen Seite tut“, resümierte Julia Klöckner.

Große Koalition oder Minderheitsregierung?

Damit wandte sich die Politikerin dem Thema Regierungsbildung zu. Sie stellte klar: „Minderheitsregierungen sind nicht verlässlich.“ Angesichts der angespannten weltpolitischen Situation könne sich Deutschland als große Volkswirtschaft dieses Experiment nicht erlauben. Sollte es dazu kommen, werde es ohnehin nur der Übergang zur Neuwahl sein.

 

Es sei wichtig, vom Ende her darüber nachzudenken, was eine Minderheitsregierung bedeute. Für Julia Klöckner wäre es „ein Dauerzustand von Sondierung, ein ständiges Dealen und Verhandeln“. Die Regierung müsse immer aufs Neue Mehrheiten im Parlament organisieren. Die Annahme, eine Minderheitsregierung würde den Parlamentarismus wiederbeleben, sei daher ein Irrglaube, der koste: „Sie brauchen die Zustimmung im Bundestag für jede Entscheidung. Sie müssen immer etwas geben, wenn sie etwas haben wollen – meist zu einem höheren Preis“, erläuterte sie. Die Dauer bis zur Entscheidung sei doppelt so lang, der Preis doppelt so hoch. „Lieber habe ich Verlässlichkeit für vier Jahre und weiß, worauf ich mich einlasse“, schlussfolgerte Klöckner mit Blick auf eine wahrscheinliche Neuauflage der Großen Koalition.

 

Viel Soziale Marktwirtschaft im Sondierungspapier

Damit ging die Politikerin im letzten Teil ihrer Rede auf das Sondierungspapier von Union und SPD ein. In Richtung der Genossen machte sie deutlich: „Wir können vertikal aussondieren, aber nicht mehr horizontal das Gebilde neu aufziehen.“ Sie fasste die wesentlichen Eckpunkte des Papiers zusammen. Dank der Union stecke viel vom Geist Ludwig Erhards darin. „Die Soziale Marktwirtschaft ist der Motor, der unser Land wirtschaftlich nach vorne gebracht hat“, zitierte Klöckner aus dem Papier. Gestützt auf ihre Prinzipien wolle die (neue) Große Koalition Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung sicherstellen. Vom Wirtschaftsrat wünsche sie sich, dabei mitzuhelfen, die Soziale Marktwirtschaft im und für das Zeitalter der Digitalisierung neu zu deklinieren, zu definieren und weiterzuentwickeln.

 

Beim Thema Zuwanderung und Integration vertrat Julia Klöckner eine klare Haltung. Sie warnte davor, die Asylpolitik – wie die Grünen es gerne täten – mit einem Einwanderungsgesetz zu vermischen. Das Asylrecht stehe nicht im Zusammenhang mit der Qualifikation des Asylbewerbers. Es bekomme nicht deshalb jemand Bleiberecht, weil er so einen guten Abschluss habe. „Ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz hat damit zu tun, dass wir uns aussuchen, wen wir auf unserem Arbeitsmarkt brauchen. Ich finde, dieses Recht müssen wir haben“, so der Ehrengast. Schon zu Beginn hatte sie das Thema Integration kurz angesprochen und deutlich gemacht: „Es ist wichtig, neben dem Blick auf die Wirtschaft, auch immer die Frage nach der gesellschaftlichen Stabilität zu stellen.“ Toleranz dürfe nicht mit Ignoranz verwechselt werden.

Positives Unternehmerbild fördern, auf Subsidiarität setzen

Abschließend betonte Julia Klöckner, wie wichtig für Deutschland ein wirtschaftsfreundliches Klima und ein positives Unternehmerbild seien. Es gelte, sich auf das zu besinnen, was den Erfolg unseres Landes ausmache: den Mut zur Beharrlichkeit, eine lange Ausdauer und den Willen, an der Spitze von Forschung und Entwicklung zu stehen. Viel stärker und positiver müsse über die Soziale Marktwirtschaft gesprochen werden – nicht zuletzt in den Schulen.

 

Die Politik müsse zusehen, dass „nicht mehr Theorie in die Praxis, sondern mehr Praxis in die Theorie“ komme. Wir müssten nicht alles regeln. Unternehmerische Freiheit bringe Neues hervor, so Klöckner und plädierte dafür, Subsidiarität walten zu lassen. Mit einem Zwinkern resümierte sie: „Nach der Gaußschen Normalverteilung liegt die höchste Intelligenz nicht nur bei den Regierenden.“

 

Dass die Rheinland-Pfälzerin den Nerv der Hamburger getroffen hatte, bewies der laute und anhaltende Beifall für ihre Rede. „Wir haben auf offene und ehrliche Worte gehofft und ich glaube, diese Erwartung haben Sie mehr als erfüllt“, sagte Friederike Hagenbeck, die das Schlusswort des Abends übernahm. Nahezu nahtlos schloss die junge Unternehmerin an die Worte von Julia Klöckner an und forderte politisches Engagement: „Ich bin überzeugt davon, dass Unternehmer nicht nur politisch sein dürfen, sondern es auch sein müssen. Wenn die Politik die für uns falschen Prioritäten setzt, müssen wir uns einschalten.“ Es sei Zeit, dass Familienunternehmer und Mittelständler in Deutschland wieder ein positives Image bekämen. Die Mitglieder des Wirtschaftsrates rief Hagenbeck, die den Vorsitz des Beirats Next Generation im Wirtschaftsrat innehat, dazu auf, sich aktiv im Verband, z.B. in den Landesfachkommissionen, einzubringen.

 

Beim Get-together mit kulinarischen Spezialitäten aus der regionalen, rheinland-pfälzischen Küche fand der Neujahrsempfang 2018 seinen Abschluss. Julia Klöckner ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen und suchte das persönliche Gespräch mit vielen Gästen.