Die Wirtschaft in der Corona-Falle: Zwischen Aufbruch, Rekordverschuldung und Haftungsunion
Online-Talk
Dass eine gemeinsame Schuldenaufnahme – allen voran für Deutschland – die denkbar schlechteste „Lösung“ wäre, daran ließ Simon Steinbrück in einem weiteren Online-Talk keinen Zweifel. Der Ökonom ist Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsrates und verantwortet die Bereiche Internationale Wirtschaftspolitik sowie Europäische Finanz- und Währungspolitik.
Steinbrück räumte mit dem immer noch verbreiteten Trugschluss auf, die Wirtschaft werde sich nach dem steilen Absturz ebenso schnell wieder erholen. Von einem V-förmigen Rezessionsverlauf auszugehen, sei eine „vollkommen unsinnige Erwartungshaltung“. Den Schalter einfach wieder auf Normalbetrieb umzustellen, funktioniere nicht. Die Wiedereröffnungsphase sei von sichtbarer Verunsicherung auf der Verbraucherseite begleitet. Und auch die Volatilität an den Märkten werde hoch bleiben.
In den vergangenen Wochen habe es einen „beispiellosen wirtschaftlichen Absturz gegeben“. Mit der Konsequenz, dass die Konsolidierungserfolge der letzten Dekade, etwa die Annäherung an die Maastricht-Kriterien – nach denen die Gesamtverschuldung maximal 60 Prozent des BIP betragen darf – wieder verpufft sind. Deutschland steuere wieder auf eine Quote von über 80 Prozent zu. Rund 10 Millionen Beschäftigte befinden sich in Kurzarbeit. International sieht es nicht besser aus: Die amerikanische Arbeitslosenquote nähert sich der 20 Prozentmarke. Die Auto-Neuzulassungen in Spanien sind im April um 97 Prozent eingebrochen. „Das ist kein Rückgang von wirtschaftlicher Aktivität. Es ist ein kompletter Einbruch von Angebot und Nachfrage in fast allen Sektoren“, machte Simon Steinbrück deutlich.
Den katastrophalen wirtschaftlichen Daten stehen auf der anderen Seite staatliche und Notenbank finanzierte Rettungsprogramme gegenüber, „wie es sie ebenfalls in dieser Dimension noch nicht gegeben hat“, so der Ökonom. Die Interventionen seien sicherlich notwendig gewesen, aber das „Feuern aus allen Rohren“ sieht Steinbrück auch kritisch und warnte vor weitreichenden Folgen. „Wenn Regierungen und Notenbanken gleich zu Beginn einer Krise […] massive Stimuli abfeuern, ist das im Grunde eine Wette auf eine schnelle Erholung.“ Wenn man mit einer zweiten Welle rechnet oder die Befürchtung hat, die Liquiditätskrise werde zu einer Insolvenzkrise, könnte dies zum Bumerang werden. Besorgt zeigte sich Simon Steinbrück auch über die Rhetorik, mit der über die Krise gesprochen wird. Sie ähnele der von 2008. Damals habe es den Inter-Bankenmarkt getroffen, heute aber die Realwirtschaft. Das erfordere andere Maßnahmen als bloße Liquiditätsbereitstellung.
Im Weiteren ging Steinbrück der Frage nach, wie die Welt nach der akute Krisenzeit aussehen könnte. Zudem wandte er sich dem deutsch-französischen Wiederaufbau-Plan zu, erläuterte die besonders prekäre Rolle Italiens und äußerte sich zur Geldpolitik der EZB.
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