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Bericht
21.06.2020
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"Einen solchen Wirtschaftseinbruch hat es noch nicht gegeben"

Online-Talk

Hamburger Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock über die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt
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Noch im Februar 2020, so schilderte Sönke Fock, sei er – basierend auf den Erfahrungen der Finanzkrise  von 2008 – von 13.500 bis 15.000 Anzeigen für Kurzarbeit bei einer coronabedingten Wirtschaftskrise ausgegangen. Im Mai lagen der Hamburger Arbeitsagentur aber schon 23.000 Anzeigen vor. Hinter diesen stünden rund 350.000 Arbeitnehmer – also ein Drittel der zu Beginn 2020 in Hamburg gemeldeten 1.015.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass in Hamburg große Konzernzentralen ansässig seien, die für ihre Mitarbeiter hier Kurzarbeit beantragen würden, obwohl die Arbeitskräfte selbst nicht unbedingt in Hamburg tätig seien.

 

Die Welle an Anträgen für Kurzarbeit überrollte die Arbeitsagentur. Innerhalb kurzer Zeit wurde die zuständige Abteilung von regulär 20 auf 600 Sachbearbeiter aufgestockt, davon alleine 300 in der telefonischen Beratung. Einen solchen Wirtschaftseinbruch habe es bisher noch nicht gegeben, konstatierte Fock. Beziehe man die erste Juni-Hälfte mit ein, habe Hamburg ca. 320 Millionen Euro an Kurzarbeitergeld und Sozialbeiträgen bezahlt. Im Gegensatz zu 2008 seien dieses Mal auch Branchen betroffen, für die Kurzarbeit normalerweise kein Thema darstelle: Gastronomie und Hotellerie, Tourismus und Kulturwirtschaft. Es gebe die Befürchtung, dass nach der Kurzarbeit für Viele die Arbeitslosigkeit folgen könnte. Die Arbeitslosenzahl sei in Hamburg von 65.000 auf 85.000 gesprungen.

 

Auf der anderen gebe es Branchen, die fast schon überlastet seien. Gerade die Lebensmittelbranche nehme  gerade quasi jeden Bewerber. Auch die Pflege- und IT-Branche suche weiterhin nach Kräften. In der Pflegebranche deute sich ein Imagewandel an. Junge Leute wären aktuell verstärkt an Ausbildungen zur Pflegekraft interessiert.

 

Von der Krise besonders betroffen sind laut Sönke Fock Arbeiternehmer unter 25 Jahren, solche die un- oder nur angelernt seien und/oder sprachliche Barrieren hätten. Diese Beschäftigten erhielten oftmals nur Zeitverträge, die von den Arbeitgebern meist zuerst aufgelöst würden. Für diese Gruppe bereite die Agentur für Arbeit nun spezielle Weiterbildungen vor. Mit Blick auf den Ausbildungsmarkt berichtete Fock, dass bislang keine vermehrten Ausbildungsabbrüche zu verzeichnen seien. Dies sei auch ein großer Verdienst der Handwerks- und Handelskammern, die beständig auf geltende Sonderregelungen für Auszubildende hinwiesen. Für diese Unterstützung sei man außerordentlich dankbar.

Zusätzlich sollen in Kürze Ausbildungsboni auf den Weg gebracht werden. Ausbildungsbetriebe bis 250 Mitarbeiter, die weiter auf bisherigem Niveau ausbildeten und in finanzielle Not gerieten, sollen 2000 Euro pro Auszubildendem erhalten. Werde das bisherige Niveau sogar überschritten, werden bis zu 3000 Euro pro zusätzlichem Ausbildungsplatz gezahlt. Ziel sei es, mit diesen Anreizen die Zahl abgebrochener Ausbildungen auf niedrigem Niveau zu halten.

 

Zur internen Aufstellung und Besetzung der Abteilungen der Agentur für Arbeit Hamburg erklärte Sönke Fock, dass man die Abläufe wesentlich verbessert habe und man über eine ausreichende Personalstärke verfüge. Ein positiver Nebeneffekt der Corona-Krise sei für die Behörde das Anschieben der Digitalisierung. Ohne den Zwang, hätte es vermutlich noch Jahre gebraucht, um die digitalen Wege in solcher Tiefe zu nutzen. „Ich möchte mir es nicht vorstellen, wie man ohne diese digitalen Möglichkeiten, allen die nötigen Informationen hätte zukommen lassen können“, resümierte Fock.