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Bericht
25.06.2020
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First in, last out: Kultur- und Kreativszene in der Corona-Klemme

Online-Talk

Senator Dr. Carsten Brosda zur Situation der Hamburger Kreativwirtschaft
©None

Kunst und Kultur bedeuten nicht nur Unterhaltung, sondern schaffen auch wichtige Reibungsflächen und fordern uns als Gesellschaft zur Reflexion heraus. Nun stellt die Corona-Pandemie mit all ihren (notwendigen) Einschränkungen gerade diese Szene vor massive Herausforderungen. Institutionen mussten schließen, Publikum und Gagen bleiben immer noch nahezu aus. Wie reagieren Kulturszene und -politik? Und welche Weichen gilt es heute für morgen zu stellen?

 

Dr. Carsten Brosda, Senator der Behörde für Kultur und Medien, gab im Online-Talk mit dem Wirtschaftsrat Antworten. Er betonte, der Senat werde „alles, was man verantworten kann, auch veranstaltungstechnisch möglich machen“. Die Branche sei von allen besonders hart getroffen, da für sie das Prinzip gelte „first in, last out“: Die Kultur- und Kreativwirtschaft war die erste, die auf breiter Front von den Einschränkungen zur Pandemieeindämmung getroffen wurde und wird die letzte sein, die ihren Betrieb wieder vollständig aufnehmen kann.

 

Die Branche werde auch in den nächsten Wochen und Monaten unter starken Einschränkungen und finanziellen Einbußen leiden, da die erforderlichen Abstandsregeln nur eine Teilnutzung der eigentlichen Kapazitäten zuließen. Beispielsweise könnten im Großen Saal der Elbphilharmonie nur 600 Plätze besetzt werden, im Thalia-Theater lediglich 300. Schon unter Normalbedingungen sei es in der Kreativwirtschaft nicht einfach, Gewinn zu erwirtschaften. Mit den Einschränkungen sei es noch viel schwerer. Prekär stelle sich die Situation auch bei privaten Veranstaltern dar, die in Hamburg häufig in Vereinsstrukturen organisiert seien und am Monatsende eine meist nur ausgeglichene Bilanz vorweisen könnten.

 

In puncto Corona Soforthilfe gehe Hamburg bewusst einen Sonderweg. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern dürften die Mittel hier auch für Lebenshaltungskosten eingesetzt werden. Zwei Drittel der Anträge auf Soforthilfe kämen von Soloselbstständigen und unter diesen zu einem Großteil aus der Kultur- und Kreativwirtschaft. Zusätzlich verschärfend zur finanziellen Situation der kreativen Soloselbstständigen wirke sich ihr oftmals geringes Durchschnittseinkommen aus. Der Verdienst liege hier bei lediglich 18.000 bis 25.000 Euro pro Jahr. Bei einem so geringen Verdienst könne ein Einnahmeausfall nicht lange kompensiert werden. Dies sei kaum leistbar, so Brosda, da auch der Zweitjob – in vielen Kulturbereichen üblich – häufig ein Arbeitsplatz in der Gastronomie oder der Tourismusbranche sei (z.B. Stadtführer). Bereiche, die bekanntermaßen ebenfalls hart von der Krise betroffen sind.

 

Mit Blick auf den eigentlich bevorstehenden Festivalsommer bekräftigte Senator Brosda die Absicht der Stadt, das Reeperbahn-Festival stattfinden zu lassen. Es handle sich hierbei nicht um eine große Veranstaltung, bei der sich zehntausende Menschen zeitgleich an einem Ort aufhielten, sondern um eine Sammlung vieler kleiner Events. Die Zahl der Besucher ließe sich so besser kontrollieren. Aktuell sei geplant, die Zuschauer beim Zugang zu einer Veranstaltungsfläche mit einem Sensorarmband auszustatten: Betrete der Zuschauer den Saal, passiere er sog. „Beacons“ wie man sie auch aus Einzelhandelsgeschäften kenne. Dabei würden Kontaktdaten und  die genaue Eintritts- und Austrittszeit erfasst. Dies erspare das handschriftliche Ausfüllen von Kontaktformularen und erleichtere die Nachverfolgung möglicher Infektionsketten.

 

Über die Stadtgrenzen Hamburgs hinaus, so erläuterte Brosda während der abschließenden Diskussionsrunde, dränge sich die Frage auf, wie lange Kommunen die Kreativwirtschaft noch stützen können. Kultur sei in den Kommunen keine Pflichtleistung und bekomme somit nur die finanziellen Mittel, die nach Erfüllung der Pflichtleistungen noch verfügbar seien. Ähnlich kritisch sieht der Senator auch den kostenlosen Zugang zu Kultur im Internet, z.B. in Form von Konzerten. Er warnte davor, dass der Kulturwirtschaft ein ähnliches Schicksal drohe wie der Medienwirtschaft. Gewöhne sich das Publikum an den kostenlosen Zugriff, sinke die Bereitschaft, künftig für kulturelle Angebote zu zahlen. Es müssten Antworten auf die Frage gefunden werden, wie sich der Onlinebereich als Raum für kulturelle Geschäftsmodelle nutzen lässt.

 

Exklusiv für Mitglieder: Schauen Sie sich hier unter Multimedia den kompletten Impulsvortrag im Video an.