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Bericht
19.03.2018
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Mehr als die schönste Nebensache der Welt

Wirtschaftsrat und Millerntor: Passt das zusammen? Sogar sehr gut, wie eine Veranstaltung im urigen Clubheim des FC St. Pauli bewies. Dort sprach der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Reinhard Grindel über die ökonomische Bedeutung und die integrative Kraft des Fußballs.
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Der Fußball ist für viele Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt die schönste Nebensache der Welt. Und doch ist er mehr als nur ein Spiel. „Der Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer Zeit. Er ist das wirkliche Opium des Volkes“, mutmaßte der Philosoph Umberto Ecco.

 

Weniger skeptisch, aber genauso überzeugt vom starken, gesellschaftlichen Einfluss des Fußballs zeigte sich Reinhard Grindel: „In einer zunehmend von Digitalisierung und Individualisierung geprägten Welt ist der Fußball heute so etwas wie das Lagerfeuer, um das sich alle Teile der Gesellschaft versammeln“, sagte er und verwies auf die steigenden Mitgliederzahlen in den Fußballvereinen und die hohen TV-Einschaltquoten. „Die Bedeutung unserer Fußballnationalmannschaft ist so groß, dass die Menschen in Umfragen sogar einen Zusammenhang sehen zwischen sportlichem Erfolg unserer DFB-Elf und guter wirtschaftlicher Entwicklung in unserem Land“, so der Präsident weiter.  


Fußball verbinde Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, er führe zum Dialog zwischen Alt und Jung und zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Das Spiel vermittle essentielle Werte wie Teamgeist, Fairplay und Respekt. Den großen Chancen und der Verantwortung, die sich aus dieser Integrationskraft ergebe, müsse sich der Fußball heute stellen. Als Beispiele hob Grindel die Arbeit der DFB-Stiftungen und die gemeinsame Teilnahme der deutschen und russischen U18-Nationalmannschaften an den Gedenkfeierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad hervor, die im Mai 2018 in Wolgograd stattfinden.  Mit der Gründung eigener Stiftungen gingen außerdem aktuelle Nationalspieler mit gutem Beispiel voran.

 

Die soziale Kraft des Fußballs zeige sich auch in der Arbeit der Robert-Enke-Stiftung. „Ihre nachhaltige Arbeit leistet einen Beitrag zur Enttabuisierung der Volkskrankheit Depression und trägt dazu bei, dass immer mehr betroffene Hilfsangebote nutzen“, erklärte der DFB-Präsident. Lobende Worte fand er in diesem Zusammenhang auch für Per Mertesacker, der kurz zuvor offen über extreme Drucksituationen im Profifußball gesprochen hatte: „Der große Wert seines Interviews ist, dass Menschen, die Hilfe brauchen, sich öffnen und den Mut fassen, sich Hilfe zu holen, wenn ein so bedeutender Weltmeister wie Per Mertesacker sich zu seinen eigenen Schwächen bekennt.“

 

Im Weiteren wandte sich Reinhard Grindel der Bedeutung der Amateurvereine und des Ehrenamtes zu. Das Fundament des DFB seien seine 25.000 Vereine und die Hundertausenden von ehrenamtlich Engagierten. „Ich finde, dass die Vereine die wahren sozialen Netzwerke in unserem Land sind und dass es darauf ankommt, persönliche Kommunikation, direkte Kontakte und Freundschaften in einem Verein zu erleben“, bekräftigte er.

Für Kinder und Jugendliche seien Teamgeist, Durchhaltevermögen, Pünktlichkeit oder auch Kritikfähigkeit wichtige Eigenschaften, die ihnen das Vereinsleben vermitteln könne. Der DFB-Chef appellierte daher, den Wert des Ehrenamtes mehr zu würdigen: „Stärken Sie unseren Ehrenamtlichen den Rücken. Lassen Sie sie spüren, dass ihr Engagement wünschenswert ist, weil es unserem Gemeinwesen insgesamt zugutekommt und wir alle an einem lebendigen Gemeinwesen ein starkes Interesse haben sollten.“

 

Schließlich ging Reinhard Grindel der Kommerzialisierung des Fußballs ein. Er könne natürlich nachvollziehen, dass angesichts der teilweise astronomischen Gelder, die im Profifußball bewegt würden, der Vorsitzende eines kleinen Amateurvereins mit Unverständnis auf seinen renovierungsbedürftigen Fußballplatz schaue. Allerdings, so der DFB-Präsident, sei die Situation von heute – Stichwort soziale Medien – mit der vor 20 oder 30 Jahren nicht mehr zu vergleichen. Spieler wie Ronaldo, Messi oder Neymar hätten auf entsprechenden Plattformen über 100 Millionen Follower. „Sie müssen sich vorstellen, was für eine wirtschaftliche Kraft diese Namen haben.“ Mit einigen Posts bei solchen Spielern könnten Sportartikelhersteller genau die richtigen Zielgruppen und Zielmärkte ansprechen. Denselben Effekt über Anzeigen und Werbespots zu erzielen, sei gar nicht zu bezahlen. Auch sorgten Spieler mit diesem Format für ein so großes Zuschauerinteresse, dass sich mit den TV-Geldern höhere Einnahmen erzielen ließen. 

 

Der deutsche Fußball stehe trotzdem ökonomisch gut da. „Nicht nur, dass der Umsatz der Bundesliga auf deutlich über drei Milliarden Euro gewachsen ist. Er speist sich, anders als in den anderen europäischen Ligen, aus mehr Erlösquellen als nur aus der TV-Rechtevermarktung“, erläuterte Grindel. So basiere der Gesamtumsatz nur zu etwa einem Drittel auf der medialen Verwertung. Weitere wichtige Einnahmequellen seien Werbung, Sponsoring und die Spieltagserträge.

 

Mit Blick auf die anhaltenden Fanproteste gegen zersplitterte Spieltage und mehr Fußball im Bezahlfernsehen sagte der Präsident: „Es sind nicht die Verbände DFB und DFL, die in erster Linie die Verantwortung tragen für auseinandergezogene Spieltage oder mehr Fußball im Pay-TV. Es sind die Vereine, die entscheiden müssen, welchen Weg sie gehen.“ Die Fans sollten daher weniger auf die Verbände schauen, sondern verstärkt den Dialog im Verein führen und dort mit den Präsidenten und Verständen sprechen.

 

In der abschließenden Diskussionsrunde hatten die Mitglieder Gelegenheit, sich zu Wort zu melden. Insbesondere die umstrittene 50+1-Regelgung sorgte für Diskussionsstoff. Oke Göttlich, als Präsident des FC St. Pauli Hausherr und Gastgeber des Abends, sprach sich vehement für die Beibehaltung der Regel aus. 

 

Fotos: Wirtschaftsrat/Christian Ströder