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Bericht
08.04.2018
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Jamaika als Erfolgsmodell

Wer am Morgen des 20. November 2017 auf sein Smartphone schaute und die Breaking News der vergangenen Nacht las, musste zweimal hinschauen: Jamaika geplatzt, FDP bricht Verhandlungen ab! Trotz großer Vorbehalte wird Deutschland also doch wieder von einer „GroKo“ regiert. Nicht wenige erwarten vier verschenkte Jahre des politischen Stillstands.
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Den Wirtschaftsstandort Deutschland fit für die Zukunft machen: Diese Erwartung verbanden viele Unternehmen mit einer Koalition aus Union, FDP und Grünen. Auch der Wirtschaftsrat sprach sich deutlich für diese Regierungskonstellation aus. Zurecht, wie der Blick nach Schleswig-Holstein zeigt. Seit etwas weniger als einem Jahr wird Hamburgs Nachbar erfolgreich von Schwarz-Gelb-Grün regiert. Architekt dieses Bündnisses ist Ministerpräsident Daniel Günther. Beim Wirtschaftsrat gewährte er Einblick in die Koalitionsverhandlungen und die bisherige Regierungsarbeit.

 

„Vernunft, Vertrauen und gegenseitiger Respekt“ zwischen den Parteien: Diese Faktoren waren für Daniel Günther der Schlüssel zum Erfolg bei den Koalitionsverhandlungen. „Wir haben uns zusammengesetzt und in kleinen, vertraulichen Runden ausgelotet, wo unsere Schmerzgrenzen sind“, erläuterte er. Bei der Kompromissfindung hätten dann alle respektiert, dass jede Partei einige „ihrer“ Punkte im Koalitionsvertrag habe durchsetzen müssen, um den Willen der jeweils eigenen Wähler zufriedenzustellen.

 

Auf Bundesebene habe es diese vertraulichen Gesprächsrunden hingegen nie gegeben. Günther vermisste das angesprochene Vertrauen. „Wenn man das nicht miteinander bereden kann und man nach kleineren Runden auf Twitter liest, was man gesagt hat, fragt man sich schon, was für ein Verantwortungsgefühl manche Leute haben“, kritisierte er mit Verweis auf die Sondierungsgespräche.  

 

Der Großen Koalition warf er vor, sich zu sehr in Debatten zu verstricken und sich zu wenig damit zu beschäftigen, wie man real existierende Probleme in den Griff bekommen könne. „Ich glaube, dass wir uns in Deutschland schon seit Jahren auf einer sehr, sehr guten wirtschaftlichen Situation ausruhen“, sagte der Ministerpräsident. Man vertraue darauf, dass das in den nächsten Jahren so weitergehen würde. Dies sei ein Trugschluss. Themen wie der Fachkräftemangel oder eine geregelte Zuwanderung müssten auf Bundesebene schnellstmöglich angepackt werden.

 

Seine Regierung in Schleswig-Holstein habe die zentralen Themen direkt in Angriff genommen. So habe die Jamaika-Koalition endlich den Fokus auf die Verkehrsinfrastruktur gelegt und die Investitionsquote im ersten Haushalt von unter 7 Prozent auf 9,8 Prozent angehoben. Günther: „Wir investieren zum ersten Mal so viel Geld in Landesstraßen, wie wir brauchen, um wieder einen vernünftigen Zustand zu erreichen.“

Wichtig ist dem Regierungschef auch das Thema Bildung. Schleswig-Holstein sei nun wieder zum Abitur nach neun Jahren zurückgekehrt. Dabei gestand Günther ein, selbst eines Besseren belehrt worden zu sein: „Die alte Lehre, der auch ich gefolgt bin, dass man möglichst schnell zu den Abschlüssen kommt, ist etwas, das uns nicht allzu viel gebracht hat“, gab er unumwunden zu. Stattdessen sei es wichtig, dass junge Leute die Zeit hätten, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren und Mitgliedschaften in Vereinen oder Verbänden wahrzunehmen. Darüber hinaus sei es auch nicht notwendig, dass jeder Schüler die Hochschulreife mache. Im Jahr 2030 würden allein in Schleswig-Holstein 100.000 Fachkräfte fehlen. Lediglich 15 Prozent davon benötigten einen Hochschulabschluss.

 

Abschließend sprach sich Daniel Günther für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den norddeutschen Bundesländern aus. Hier im Norden habe man sich irgendwie damit abgefunden, dass der Süden eben stärker sei. Dafür gebe es aber überhaupt keinen Grund. „Wir arbeiten in Schleswig-Holstein hart dafür, dass wir ein starker Norden werden. Das können wir aber nur gemeinsam mit Hamburg und den anderen Ländern im Norden schaffen“, so der Ministerpräsident.

 

Dem Wirtschaftsrat 45 Jahre treu: Ehrung von Dr. Jürgen Westphal

Mit seiner Jamaika-Koalition ist Daniel Günther erfolgreich dabei, ein Stück politische Geschichte in Schleswig-Holstein zu schreiben. Jemand, der seinen verdienten Platz in den Geschichtsbüchern bereits gefunden hat, ist Dr. Jürgen Westphal. Als Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft (1966 bis 1973) und Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein (1973 bis 1985) prägte er die Politik zweier Bundesländer nachhaltig.

Im Rahmen der Veranstaltung wurde Jürgen Westphal nun für 45 Jahre Mitgliedschaft im Wirtschaftsrat geehrt. Der Landesvorsitzende Dr. Henneke  Lütgerath überreichte die Ehrenurkunde und würdigte Westphals Engagement im Wirtschaftsrat sowie seinen Einsatz für die Soziale Marktwirtschaft: „Vor Ihrer Lebensleistung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft habe ich allerhöchsten Respekt“, so Lütgerath. Wer Westphals Biografie mit dem Titel „In drei Gewalten“ lese, erhalte das Bild eines Mannes, der im besten Sinne des Wortes Bürger sei. Westphal sei seiner Heimat verbunden, historisch und kulturell interessiert und informiert, fachlich juristisch ausgebildet, bereit zum Engagement für Mitmenschen und Gesellschaft, politisch engagiert und durchsetzungsstark.