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Bericht
17.11.2021
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Aus den Ländern (Hamburg) - Innovationsforum 2021 - Benötigt die Soziale Marktwirtschaft einen Neuanstrich?

Prof. Dr. Thomas Straubhaar im Dialog mit Digitalisierungsexperten
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„Ich meine, dass der Markt an sich sozial ist, nicht dass er sozial gemacht werden muss“, sagte Ludwig Erhard einst zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. In Zeiten zunehmender Umverteilungsszenarien und genereller Unternehmerkritik, was Nachhaltigkeit und ‚Shared Value‘ betrifft, wird dieses Prinzip aber aktuell immer öfter in Frage gestellt. Bedarf es also neuer Leitlinien für innovatives, unternehmerisches Handeln?

 

Zur Diskussion dieser Frage lud die Landesfachkommission Wachstum & Innovation zum Innovationsforum in die Räumlichkeiten von PricewaterhouseCoopers am Alsterufer 1. Mit dabei waren Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften | Universität Hamburg, und Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow, Präsident | HafenCity Universität Hamburg als Impulsgeber. Die anschließende Diskussion komplettierten Sanja Stankovic, u.a. Gründerin der Plattform Hamburg Startups, sowie Jan Willer, Senior Account Manager DACH | TIPLU GmbH, von unternehmerischer Seite. Dr. Hubert Baltes, Vorsitzender der Kommission, moderierte die Runde.

Thomas Straubhaar mahnte Innovationen zur Lösung anstehender Herausforderungen an. Es gelte eine Menge neuer Antworten auf neue Fragen zu finden: „Das ist auch mein Hauptvorwurf, wenn ich mir die aktuelle politische Situation anschaue. Da wird noch sehr stark und zu oft versucht, eine neue Welt so zu regulieren, dass sie einem alten System gerecht wird. Wir müssen aber das genaue Gegenteil tun. Wir müssen das alte System so anpassen, dass es einer neuen Welt gerecht wird.“

Als Lösungsansatz präsentierte der Professor einen Dreiklang aus Digitalisierung, Datenökonomik und Dezentralisierung. Alte Bürokratie müsse entfernt und alte Regulierungen der neuen Situation angepasst werden: „Das beginnt bei A wie Arbeitsmarkt, der einer Regulierung unterliegt, die einem Industriezeitalter entspricht und einem digitalen Zeitalter in keiner Weise gerecht wird und endet irgendwo ganz weit hinten im Alphabet bei Verkehr, bei Wasserwirtschaft und bei zentral verwalteten Organisationen, bei denen entsprechende Deregulierungen notwendig werden.“ Datenökonomik werde dabei helfen, Best-Practice zu erkennen, um bei innovativen Prozessen immer schauen zu können, wo welche Lösungen schon in anderen Regionen der Welt Erfolg haben. Auf diese Weise könne man Prozesse optimieren, standardisieren und skalieren. Daraus resultierten schließlich dezentrale Lösungen, die man benötigen werde, um in dieser digitalen datenökonomischen Welt Erfolg zu haben.

Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow forderte beim Thema Innovationen mehr Mut dazu „zu machen“. In Deutschland habe man diesen Mut verlernt und mache leider nicht das, was mit den hiesigen Inventionen, hochleistungsfähigen akademischen Einrichtungen und Technologien möglich wäre.

Wenn man sich die Kette der Digitalinnovationen der letzten 50 Jahre anschaue, fänden Deutschland und Europa in der Wahrnehmung nicht statt. Im Unterschied zu Nationen, die mit digitalen Innovationen in den letzten 30 bis 40 Jahren nach oben gekommen seien, habe man sich in Deutschland zu wenig darum gekümmert. Stattdessen sei China in den letzten 50 Jahren vom Kopierweltmeister zum Innovationstreiber aufgestiegen, von dem Deutschland heute lernen müsse: „Wir müssen wieder anfangen unternehmerischer zu denken, wenn es um Innovationen geht auch bereit sein von anderen zu lernen, und nicht meinen, wir können das alles schon.“ Es brauche mehr Umsetzung und weniger Regulierung.

Sanja Stankovic sprach über die Situation der Startups in Hamburg. Sie zeigte sich grundsätzlich zufrieden und wies darauf hin, dass Hamburg nach wie vor zu den TOP 3 Standorten in Deutschland gehöre: „Wir haben inzwischen über 80 Coworking-Spaces in Hamburg, diverse Hubs, auch internationale Startups kommen hierher, Next Media Accelerator hat sich ganz erfolgreich entwickelt und mit Plug and Play haben wir eine weitere Logistikinitiative am Wirtschaftsstandort Hamburg.“ Sie sprach sich dafür aus, Entrepreneurship verstärkt an Schulen und Universitäten zu unterrichten und jungen Menschen unternehmerisches Denken näherzubringen.

Als ein gutes Beispiel für erfolgreich eingesetzte KI in Unternehmen gab TIPLU GmbH-Mitbegründer Jan Willer einen Einblick in das Gesundheitswesen. Der dort herrschende Fachkräftemangel böte ein großes Automatisierungspotential im Zuge der Digitalisierung. Außerdem würde man sich oft mehr Klarheit in der Gesetzeslage wünschen: „Datenschutz ist total wichtig im Gesundheitswesen und das ist in vielen Bereichen ein Graubereich. Wir brauchen klare Grenzen, um einfach zu wissen, was wir dürfen und was wir nicht dürfen.“

Nach der Diskussion auf dem Podium folgte eine ausgedehnte Fragerunde mit dem Publikum.