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Bericht
03.07.2018
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Innovationshauptstadt Hamburg: Wo stehen wir, wo wollen wir hin?

„Innovationen, Mut, Kreativität und Gründergeist sichern den Erfolg eines Wirtschaftsstandortes. In Hamburg haben wir viel davon“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch anlässlich des Hamburg Innovation Summit. Eine andere Wahrnehmung vermitteln das EXIST-Förderprogramm und das Gründungsradar 2016: In nahezu allen Rankings liegt Hamburg auf den hinteren Plätzen oder findet gar keine Berücksichtigung. Wie steht es also wirklich um die Innovationsfähigkeit in der Stadt und die Gründerkultur an den Hochschulen?
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Zu dieser Frage veranstaltete die Landesfachkommission Wachstum & Innovation eine Podiumsdiskussion in den Räumlichkeiten von PricewaterhouseCoopers am Alsterufer 1. Mit dabei waren Carsten Ovens MdHB, Fachsprecher der CDU-Fraktion für Wissenschaft und für Digitale Wirtschaft, Dr. Joachim Seeler MdHB, Fachsprecher der SPD-Fraktion für Industrie, Hafen, Handel, Handwerk und Finanzwirtschaft sowie Michael Pachmajer, Director Digital Transformation Middle Market Europe bei PwC Germany. Dr. Hubert Baltes, Vorsitzender der Kommission und Mitglied des Landesvorstands, moderierte die Runde.

 

Joachim Seeler erklärte, dass jede Innovationsstrategie langfristig angelegt sein müsse. Gleichzeitig gestand er ein, dass es gerade Politik und Verwaltung aber oft schwerfalle, mit der Geschwindigkeit von Veränderungen Schritt zu halten.

 

Konkret skizzierte Seeler im Weiteren drei Gestaltungsräume, wie Hamburg als Bundesland innovationsstrategisch tätig werden könne: Auf der ersten Ebene, im Bereich der Gesetzgebungsarbeit des Landes, könne nur recht wenig bewegt werden, da man hier schnell mit Bundes- oder Europarecht kollidiere. Die zweite Möglichkeit bestehe darin, attraktive Rahmenbedingungen und Infrastruktur für Unternehmen, Wissenschaft und Hochschulen zu schaffen. Dies ziele hauptsächlich darauf ab, Fördermittel bereitzustellen und die Netzwerkbildung zu unterstützen. Drittens agiere Hamburg mit rund 450 Unternehmensbeteiligungen selbst als Marktteilnehmer und könne so als „Nachfrager“ innovative Prozesse in Gang bringen.

 

Mit Blick auf Patentanmeldungen sei Hamburg nach Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen das viertstärkste Bundesland und müsse sich auch bei den Gründungen nicht verstecken. „Wir haben im neuen Gründungsmonitor mit Berlin bundesweit den Spitzenplatz mit über 200 Gründungen pro 10.000 Beschäftigten und haben eine gute Basis, um das weiter zu entwickeln“, sagte Seeler.  

 

Deutlich kritischer bewertete Carsten Ovens die Situation: „Gerade was die Gründerszene in Hamburg angeht, reicht es eben nicht, die Statistiken so zu lesen, dass sie möglichst positiv klingen. Mich interessiert eher der absolute und nicht der relative Vergleich, damit wir sehen können, wie stark Hamburg in Wirklichkeit ist und wie weit wir möglicherweise abgeschlagen sind.“ Hamburg sei nicht so aufgestellt, wie es nötig sei, um auch in zehn Jahren noch dieselbe Wirtschafts- und Wissenschaftskraft zu haben wie bisher. In den Bereichen künstliche Intelligenz, Blockchain, unbemannte Systeme und Internet der Dinge müsse die Hansestadt deutlich stärker werden.

Vieles könne Hamburg als Stadtstaat sehr wohl unabhängig von der gesetzgeberischen Lage selbst in die Hand nehmen. So müsse die Vermarktung dahingehend verbessert werden, dass die Stadt stärker als High-Tech-Standort wahrgenommen werde. Beispielsweise könne in Israel, der „High-Tech-Nation Nummer Eins“, so etwas wie ein Hamburg-Ambassador oder ein Liaison-Office geschaffen werden.

 

Weiterhin sprach sich Ovens dafür aus, das Augenmerk auf eine bessere internationale Vernetzung der zahlreichen privatwirtschaftlichen Accelerators und Coworking Spaces in der Stadt zu legen. Schließlich müsse auch Hamburgs eigener Venture-Capital-Fonds zur Förderung der Start-up-Szene deutlich schneller starten. Sein Resümee: „Ziel muss es sein, Geschwindigkeit aufzunehmen, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam voranzubringen und damit die entscheidenden Weichen für Hamburgs Zukunft zu stellen." 

 

Michael Pachmajer riet dazu, mit den Vergleichen aufzuhören und sich mehr auf die Erfolgsfaktoren zu konzentrieren, die in den USA das Entstehen von Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook ermöglicht hätten.

„Der erste Faktor ist das Ökosystem“, sagte Pachmajer und verwies auf das Silicon Valley. Von dort könne man ableiten, was es für uns hieße, ein Ökosystem aus Universitäten, Wissenschaft, Tech-Unternehmen, Start-ups und Leuten mit sehr hoher Risikobereitschaft zu haben. Eben dieses Ökosystem bilde ein Umfeld, das eine sehr starke geographische Sogwirkung auf all diejenigen habe, die bereit seien, neue Ideen mit Mut und Risikobereitschaft zu realisieren.  

 

Ein zweiter Erfolgsfaktor sei die Kultur, einerseits Risiken bewusst einzugehen und andererseits auch dann gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten, wenn etwas nicht sofort funktioniere. In Deutschland tue man sich mit einer Kultur des Scheiterns immer noch sehr schwer. „Dementsprechend müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir diese Anerkennungskultur dahin umdrehen, dass wir auch die anerkennen, die mehrmals gescheitert sind und es trotzdem immer wieder versuchen.“

 

Als dritten Faktor nannte Michael Pachmajer Regulation und Protektionismus. So entstünden beispielsweise in China gerade drei große Plattformen, die geschützt vor jeder ausländischen Konkurrenz agieren könnten. „Das sind Spielregeln, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen und ich glaube, eine einzelne Stadt wird dieses Spiel nicht gewinnen, wenn wir nicht ein gesamtgesellschaftliches Konzept haben, wie wir in dieser Plattformökonomie leben, wirtschaften und arbeiten wollen“, schlussfolgerte Pachmajer.

 

Nach der Diskussion auf dem Podium folgte eine ausgedehnte Fragerunde mit dem Publikum. Bei herrlicher Aussicht über die Binnenalster und bestem Sommerwetter lud PricewaterhouseCoopers abschließend zum Get-together ein.

 

Foto: Wirtschaftsrat/Christian Ströder