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Bericht
24.03.2021
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Lieferkettengesetz - Bleibt das Geschäft auf der Strecke?

Online-Talk

Gesetz darf nicht zum Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen werden
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Zunächst stellte Christian Meyer zu Natrup das Lieferkettengesetz näher vor. Zu den Pflichten, die Unternehmen auferlegt würden, gehörten u.a. die regelmäßige Durchführung einer Sorgfaltsprüfung, die Einrichtung eines effektiven Beschwerdemanagements sowie die regelmäßige, öffentliche Rechenschaftslegung und Berichterstattung. Man erweitere so das non-financial reporting um Menschenrechtsverletzungen. „Aber Vorsicht“, mahnte Meyer zu Natrup, „der Begriff Menschenrechtsverletzungen ist extrem weit gefasst und wir wissen noch nicht, wie die Gerichte ihn auslegen werden.“

 

Bei Nichteinhaltung drohe ein juristisches Verfahren, welches auch von Nichtregierungsorganisationen in Zusammenarbeit mit geschädigten Individuen unterstützt werden könne und das am Umsatz orientierte Zahlungsstrafen sowie den Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren und Abhilfeverordnungen vorsehe. „Die meisten Nichtregierungsorganisationen, mit denen ich arbeite, wollen hier allerdings kooperativ vorgehen“, so Meyer zu Natrup.

 

Betroffenen Unternehmen riet er, ihr Compliance Management System deutlich zu erweitern, da die Sorgfaltspflichten auf die gesamten Lieferketten und in absehbarer Zeit auch auf die Wertschöpfungskette ausgedehnt würden. „Ein Compliance Management System, was ja viele Unternehmen schon haben, würde dann um diese soziale, menschenrechtliche Komponente erweitert werden“, erklärte er.

 

Abschließend prognostizierte er eine deutliche Verschärfung des Trends hin zur weiteren Regulierung, was auch darin liege, dass Ökonomen und Unternehmer diese Thematik nicht rechtzeitig auf dem Radar gehabt hätten. Daraus resultiere, dass einige Unternehmen eine Kontraposition zum Gesetzgeber oder den Nichtregierungsorganisationen einnähmen, was aber völlig unnötig sei: „Die meisten Unternehmen, die ich kenne, wollen eher kooperativ arbeiten und Verstöße gegen die Menschenrechte von vornherein ausschließen oder zumindest minimieren.“

 

In die anschließende Diskussion schaltete sich auch der Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries ein, der von sehr intensiven Reaktionen der Unternehmen in Deutschland auf das Lieferkettengesetz berichtete. Es bestehe die Sorge, dass den Unternehmen Pflichten aufgebürdet würden, die sie in der Praxis nicht umsetzen könnten. Er sei der Meinung, dass die Sorgfaltspflicht der Unternehmen auf die direkten Zulieferer beschränkt werden müsse, weil es nur dort vertraglich direkte Einblicks- und Eingriffsmöglichkeiten gebe. „Wir müssen aufpassen, dass wir keine Wettbewerbsverzerrung vornehmen (…) und keine Regelungen schaffen, die am Ende deutsche Unternehmen benachteiligen, obwohl sie in der Praxis schon deutlich ethischer und moralischer agieren als ihre Mitbewerber“, erklärte de Vries.

 

Rüdiger Kruse, ebenfalls Bundestagsabgeordneter aus Hamburg, ergänzte, dass vonseiten einiger Unternehmen ein Stopp des Lieferkettengesetzes gefordert werde. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den regionalen und branchenspezifischen Mindestlohn, der seinerzeit von einer schwarz-gelben Koalition verhindert worden sei. Einige Jahre später sei dann von der Großen Koalition ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt worden. „Wenn man gewisse Entwicklungen nicht mitgestaltet, dann gestalten andere und das endet meistens nicht so gut“, so Kruse und ergänzte: „Es muss so gestaltet sein, dass der Kaufmann nach bestem Wissen und Gewissen seinem Geschäft nachgehen kann, ohne die ganze Zeit Untersuchungen vornehmen zu müssen oder von jemandem, mit dem er noch nie zu tun gehabt hat, angezeigt werden zu können.“