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Bericht
28.07.2020
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"Minus 15 Prozent fühlen sich fast normal an"

Online-Talk

City Managerin Brigitte Engler zur Situation des Hamburger Einzelhandels
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Die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Hamburger Mönckebergstraße steht für Shoppinglust pur – eigentlich. Das Gesicht der beliebten Einkaufs- und Flaniermeile droht sich zu verändern. Seit Jahren treibt der E-Commerce den Strukturwandel im stationären Einzelhandel schon voran. Die Corona-Krise beschleunigt diesen Prozess. Dass ausgerechnet am „Eingang“ der Mönckebergstraße mit Kaufhof und Karstadt Sports gleich zwei große Warenhäuser schließen müssen, steht sinnbildlich für die schwierige Lage.

 

Im Gegensatz zu anderen Metropolen in der Welt tue sich der Einzelhandel in der unmittelbaren Hamburger Innenstadt schwer, konstatierte Brigitte Engler im Online-Talk. Seit 2007 ist sie Geschäftsführerin des City Management Hamburg und damit eine wichtige Schnittstelle zwischen Einzelhändlern, Dienstleistern, Grundstückseigentümern und dem Senat.

Zwar kam Hamburg 2019, so Engler, auf einen Einzelhandelsumsatz von rund 11,4 Milliarden Euro. Davon entfielen jedoch nur etwa 17 Prozent auf den City-Bereich, also das Gebiet innerhalb des „Ring 1“ plus HafenCity. Traditionell sei Hamburg von starken Bezirken mit eigenen Einzelhandelsplätzen und Einkaufsstraßen geprägt. Für die Bewohner sei es insofern nicht erforderlich, zum Einkaufen und Shoppen den Weg in die Innenstadt zu suchen. Auch große Einkaufszentren und der Neubau des Outlets in Neumünster hielten ebenfalls Menschen von der Innenstadt fern.

 

Eine zusätzliche Herausforderung sieht Brigitte Engler auch in den zahlreichen Demonstrationen und politischen Veranstaltungen, die regelmäßig in der Innenstadt zu Sperrungen von Straßen und Plätzen führten. Ihre Zahl habe sich von 343 im Jahr 2007 auf 743 in 2019 mehr als verdoppelt. Viele Menschen würden die Innenstadt bei solchen Großveranstaltungen meiden. Zudem plädierte die City Managerin für mehr Präsenz uniformierter Polizeikräfte, um ein größeres Sicherheitsgefühl zu schaffen.

 

Um mehr Aufmerksamkeit auf die Innenstadt zu lenken, sprach sich die Expertin dafür aus, dass das Marketing der Stadt seinen Fokus von Hafen und Musicals auf den Einzelhandel in der City ausweiten sollte. Zusätzliche Touristen und Tagesgäste würden ihren Weg in die Innenstadt und die Geschäfte finden. Aus diesem Grund steht Engler auch einer autofreien Innenstadt kritisch gegenüber. Junge Menschen würden zwar mehrheitlich den ÖPNV nutzen, Familien, Tagesgäste und Touristen jedoch reisten am häufigsten mit dem eigenen PKW an.

Gleichzeitig brauche es ein gen Zukunft gerichtetes Verkehrskonzept für die Innenstadt und besonders der Mönckebergstraße. Aktuell sei die Situation mit der Baustelle vor dem Levantehaus besonders prekär. In den Hauptverkehrszeiten würden Busse ihre Fahrgäste außerhalb der Haltestellen aussteigen lassen. Obwohl nur noch Busse, Taxen und Radfahrer die Straße nutzen dürften, entstehe im Zusammenspiel mit der blockweise geschalteten Baustellenampel oft „Chaos“. Das City Management wolle eine dauerhafte Verlegung der Busse in die Steinstraße prüfen, um Hamburgs zentrale Einkaufsstraße zu entlasten und das Shoppingerlebnis noch zu verbessern.

 

Mit Spannung blickt Brigitte Engler auf das kommende Weihnachtsgeschäft, das für den Einzelhandel traditionell die wichtigste Zeit im Jahr ist. Die Weihnachtsmärkte seien Magnete für die Innenstadt. Doch inwieweit es dieses Jahr Weihnachtsmärkte überhaupt geben könne, sei aktuell nicht absehbar. Ein Zurück in die Zeiten vor der Pandemie kann sich die Einzelhandelsexpertin derzeit nicht vorstellen. Man müsse sich den Gegebenheiten anpassen. Den nötigen Optimismus für die Zukunft hat Engler nicht verloren: „Minus 15 Prozent fühlen sich, wenn ich an einem Dienstag durch die Hamburger Innenstadt gehe, schon wieder fast normal an“, sagte sie mit Blick auf die jüngsten Umsatzzahlen.